Kritik am „Ermessensspielraum“
Pflege-Impfpflicht unter Beschuss: Droht „Willkür“? Grünen-Experte will jetzt „noch einmal ran“
Mitte März kommt die Impfpflicht im Pflegebereich. Zuvor gibt es Kritik am „Ermessensspielraum“ der Gesundheitsämter. Drohen Personalausfälle?
Berlin - Die einrichtungsbezogene Impfpflicht tritt am 16. März offiziell in Kraft. Doch knapp sechs Wochen vor dem Stichtag sind noch Fragen zur konkreten Umsetzung offen. Grünen*-Politiker Janosh Dahmen will deshalb nachschärfen.
Der gesundheitspolitische Sprecher seiner Fraktion denkt über eine Anpassung des Gesetzes nach. „Wenn der Eindruck entsteht, dass der Ermessensspielraum dazu führt, dass die Durchsetzung der Impfpflicht und damit der Patientenschutz gefährdet ist, müssen wir an das Gesetz noch einmal ran“, sagte Dahmen dem ARD-Politikmagazin Panorama. Der gebürtige Berliner war beim Entwurf des Gesetzes beteiligt.
Pflege-Impfpflicht: Kritik am Ermessensspielraum der Ämter - „sicher viel Willkür“
Dieser „Ermessenspielraum“, den Gesundheitsämter bei ihrer Entscheidung über Tätigkeitsverbote von ungeimpften Beschäftigten haben, steht in der Kritik. Er könnte womöglich dazu führen, dass die berufsbezogene Impfpflicht nicht durchgesetzt wird. Denn sobald das Gesetz in Kraft tritt, müssen Arbeitgeber ihre Beschäftigten, die nicht geimpft oder genesen sind, an die zuständigen Gesundheitsämter melden - weitere Schritte sind aber nicht vorgesehen. Eine Verpflichtung zur Entlassung von ungeimpften Mitarbeitern gibt es nicht. Das Gesundheitsministerium erklärte der ARD: „Das jeweilige Gesundheitsamt entscheidet dann nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall (...) und wird dabei auch die Personalsituation in der Einrichtung berücksichtigen.“
Ob dieser Ablauf in der Praxis funktioniert, scheint fraglich. Patrick Larscheid, Leiter des Gesundheitsamtes Berlin-Reinickendorf, sprach in der ARD von einer „wirklich unfassbaren Situation“. Es sei eine „ganz falsche Vorstellung“, dass die Gesundheitsämter Kriterien hätten, um überhaupt sagen zu können, wie viele Menschen denn in einer Einrichtung arbeiten müssten und ob Mitarbeiter verzichtbar wären. „Da ist dann sicher viel Willkür dabei.“
Pflege-Impfpflicht: „Dann werden wir Betten nicht betreiben können“
Seit Wochen herrscht Unklarheit darüber, wie konkret mit ungeimpftem Pflegepersonal verfahren wird. Gewerkschaften befürchten bereits negative Folgen für das Gesundheitswesen, wenn ab Mitte März Pflegekräfte wegfallen würden. Wie viele Beschäftigte die ohnehin schon knapp besetze Pflege verlieren könnte, ist noch nicht abzusehen. Pflegedienste im oberbayerischen Weilheim-Schongau schlugen gegenüber dem Münchner Merkur allerdings bereits Alarm. Die Hälfte der Pfleger im abulanten Pflegedienst sei ungeimpft*. Dahmen indes scheint drohende Personalengpässe in Kauf zu nehmen.
Der Gesundheitspolitiker will daran festhalten, dass Ausnahmen nicht zur Regel werden und das Gesetz gegebenenfalls nachschärfen. In der Konsequenz bedeute das dann auch, dass Kapazitäten in den Kliniken abgebaut werden müssten: „Falls dadurch Personal, das die notwendige Qualifikation, die notwendige Impfung hat, nicht zur Verfügung steht, dann werden wir an den Stellen Betten nicht betreiben können.“
Dahmen musste am Mittwochabend im ARD-Talk „Maischberger“ auch Kritik an der Corona-Politik durch einen Arzt-Kollegen erdulden. (as/dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA