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US-Wahlkampf

Wahl zwischen „zwei Schüsseln Gift“: Warum China Trump und Biden gleichermaßen fürchtet

Ob im Handelskrieg mit Peking oder im Taiwan-Konflikt: Gegenüber China treten sowohl Biden als auch Trump hart auf. Doch Biden hat einen entscheidenden Vorteil, den Peking fürchtet.

Dreiundfünfzig Sekunden: Das Attentat auf Donald Trump war den Hauptnachrichten in Chinas Staatsfernsehen am Sonntagabend nur einen kurzen Beitrag wert, versteckt am Ende der Sendung. Am Tag darauf war Trump bereits ganz aus den Abendnachrichten verschwunden. Auch Chinas Staats- und Parteichef gab sich nach dem Attentat wortkarg. Xi Jinping habe Trump „sein Mitgefühl bekundet“, erklärte das Außenministerium am Wochenende in einer Ein-Satz-Meldung.

Am Montag, zwei Tage nach den Schüssen auf ihn, wurde Trump auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee offiziell als Präsidentschaftskandidat nominiert. Alles läuft also auf ein Duell zwischen dem 78-jährigen Ex-Präsidenten und dem drei Jahre älteren, zunehmend gebrechlich wirkenden Amtsinhaber Joe Biden hinaus. Während in Europas Hauptstädten die Angst entsprechend groß ist vor einer Rückkehr des Republikaners Trump ins Weiße Haus, scheint man sich in Peking nicht sicher zu sein, wie man auf den aus dem Ruder gelaufenen US-Wahlkampf reagieren soll. Trump oder Biden – für Peking sei das die Wahl zwischen „zwei Schüsseln mit Gift“, erklärte vor ein paar Monaten der Shanghaier Politikprofessor Zhao Minghao. Viele in der chinesischen Regierung dürften das ähnlich sehen.

China und USA: Beziehungen im freien Fall

Denn die Beziehungen zwischen Peking und Washington befinden seit Jahren im freien Fall. Ein absoluter Tiefpunkt war im Sommer 2022 erreicht, als die damalige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi Taiwan besuchte, den von China beanspruchten Inselstaat. Ein gutes halbes Jahr später holten die USA dann einen angeblichen chinesischen Spionageballon vom Himmel; US-Außenminister Antony Blinken sagte daraufhin einen geplanten Peking-Besuch kurzfristig ab. Seitdem herrscht Misstrauen zwischen den beiden Supermächten, daran haben auch ein Treffen zwischen Xi und Biden in Kalifornien im vergangenen November und eine rege Pendeldiplomatie auf Ministerebene wenig geändert.

Die USA werfen China vor, Nachbarländer wie die Philippinen und Taiwan zu bedrängen und Russlands Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Peking wiederum wirft Washington vor, es missgönne den Chinesen ihren rechtmäßigen Platz am Tisch der Weltmächte. „Die westlichen Länder, allen voran die Vereinigten Staaten, betreiben eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung Chinas“, klagte im vergangenen Jahr Staatschef Xi Jinping.

Xi Jinping empfängt den damaligen US-Präsidenten Donald Trump 2017 in Peking.

Handelskrieg mit China: Biden und Trump auf Konfrontationskurs

Tatsächlich hat Biden die Daumenschrauben, die Trump den Chinesen angelegt hatte, noch fester zugedreht. Im Herbst 2022 verhängte er zunächst ein Exportverbot für hoch entwickelte Halbleiter in die Volksrepublik, zuletzt erließ Biden zudem hohe Strafzölle auf E-Autos und andere Güter aus China. Und auch gegen die chinesische App TikTok geht er vor. Losgetreten hatte Donald Trump diesen Handelsstreit bereits im Frühjahr 2018. Das chinesische Handelsministerium sprach damals vom „größten Handelskrieg in der Geschichte der Weltwirtschaft“. Und Trump hat bereits angekündigt, nachzulegen, sollte er im November wiedergewählt werden. Mindestens 60 Prozent sollen dann die Zölle auf ausnahmslos alle chinesischen Waren betragen. Trump war es auch, der zu Beginn der Corona-Pandemie vom „China-Virus“ sprach, zudem gilt er in Peking als hochgradig unberechenbar.

Aus chinesischer Sicht aber könnte auf lange Sicht Biden noch gefährlicher sein als der Republikaner. Denn Biden besitzt die Fähigkeit, Allianzen gegen China zu schmieden, während Trump in seinen ersten vier Jahren viele Verbündete vor den Kopf gestoßen hat. „Peking geht davon aus, dass eine weitere Trump-Präsidentschaft die Glaubwürdigkeit der USA, ihre Bündnisse und Partnerschaften auf der ganzen Welt ernsthaft untergraben würde. Und das ist in Chinas Interesse“, sagt Yun Sun von der US-Denkfabrik Brookings Institution.

Lässt Trump Taiwan fallen – und die Ukraine?

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Dass für Trump andere Länder entweder Gegner oder Geschäftspartner sind, könnte auch Taiwan zu spüren bekommen. „Ich denke, Taiwan sollte uns für die Verteidigung bezahlen“, sagte Trump in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. „Taiwan gibt uns nichts.“ Biden hingegen hat mehrfach erklärt, dem Inselstaat im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch beizustehen. Auch die Nato könnte Trump mit dieser Zahl-oder-stirb-Mentalität schwächen – und damit den erklärten Hauptgegner Pekings. Sollte Trump gar die Ukraine fallen lassen, wäre auch das im chinesischen Interesse. Denn Russland ist längst Chinas wichtigster Verbündeter im Kampf gegen die Vorherrschaft des Westens.

Manch einer in China glaubt sogar, Trump habe kein Interesse mehr an der Konfrontation mit China. „Für Trump hat das Thema an Bedeutung verloren“, sagt etwa Meng Weizhan von der Shanghaier Fudan-Universität. „Das Zentrum der antichinesischen Kräfte“ sei längst der US-Kongress – unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt. Schwäche gegenüber Peking dürfte Trump dennoch nicht zeigen, dafür dürfte schon sein designierter Vize, der ultrarechte J. D. Vance, sorgen. Der Senator von Ohio sagte am Montag im US-Sender Fox News: „China ist unsere größte Bedrohung, von der wir aktuell komplett abgelenkt sind.“

Rubriklistenbild: © Fred Dufour/AFP

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