Ergebnis-Rumms
Klatsche für die Ampel, Erfolg für die AfD: Das bedeuten die Wahlen in Bayern und Hessen für die Republik
Landtagswahlen sind immer auch wichtige Stimmungstests für die Bundesparteien. Wie geht es nach Bayern und Hessen weiter in Berlin?
Berlin – Strahlende Gesichter bei den einen, Tränen bei den anderen: Die Wahlen in Hessen und Bayern waren Zuckerbrot und Peitsche. Erfolge konnten die CDU, die AfD und die Freien Wähler feiern. Die Peitsche von den Wählern gab es für die SPD und FDP. Der renommierte Politologe Professor Jürgen Falter, Universität Mainz, ordnet für Ippen.Media die Auswirkungen auf die Parteien ein. Und er wagt einen Blick in die Zukunft.
Enttäuschung für Söder und die CSU: Ist der Traum einer neuen Kanzlerkandidatur geplatzt?
Ein Kanzler aus Bayern, das wird wohl auch 2025 nichts. Die Wahl in Bayern ist für viele in der Union ein wichtiger Zwischenschritt bei der Kür des nächsten Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2025. CSU-Chef Markus Söder hat zwar wiederholt betont, keine eigenen Ambitionen zu hegen. In der CDU und der CSU rechneten aber viele damit, dass der 56-Jährige dennoch wieder seinen Hut in den Ring werfen würde, zumindest wenn er sich eine realistische Chance auf das Amt ausrechnen könnte. Diese Option dürfte jetzt endgültig vom Tisch sein.
Laut Prognosen am Abend fuhr die CSU mit gut 36 Prozent kein gutes Ergebnis ein. Dafür konnte sein Unionskollege Boris Rhein in Hessen mit gut 35 Prozent deutlich besser abschneiden. „Mit diesem Ergebnis wird es für Markus Söder schwer, seinen Hut für eine mögliche Kanzlerkandidatur der Union für 2025 in den Ring zu werfen. Seine politische Heimat wird wohl Bayern bleiben“, sagt Professor Jürgen Falter zu Ippen.Media.
Für den Politologen ist aber auch Rhein noch kein Anwärter für die Unions-Kandidatur: „Für Boris Rhein ist es viel zu früh, eine Kandidatur für die Bundestagswahl 2025 anzustreben. Im Gegensatz zu Hendrik Wüst, dem Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen, ist er in der CDU bisher noch nicht stark genug verwurzelt.“
Aktuell kann für Friedrich Merz nur NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, er gewann seine Wahl 2022 mit 35,7 Prozent, gefährlich werden. Den Herausforderer von Kanzler Olaf Scholz (SPD) dürfte die Union in ziemlich genau einem Jahr, im Herbst 2024, küren - nach den dafür ebenfalls wichtigen Ost-Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
Landtagswahlen als Klatsche für die Ampel
Die Bundestagswahl 2021 ist nun zwei Jahre her, und die Lage der Ampel-Regierung in den Umfragen zur Halbzeit der Legislaturperiode könnte schlechter kaum sein. 2021 kamen SPD, Grüne und FDP zusammen noch auf eine stabile Mehrheit von 52 Prozent der Stimmen. Inzwischen sind sie auf weniger als 38 Prozent im Durchschnitt der großen Meinungsforschungsinstitute abgestürzt.
Die FDP fliegt in Bayern aus dem Landtag und muss bei der Hessen-Wahl ordentlich zittern, ob es am Ende reicht. Die SPD landet in Bayern mit gut 8 Prozent auf dem letzten Platz beim Einzug in den Landtag und kassiert in Hessen das historisch schlechteste Ergebnis. Waren Bayern und Hessen auch eine Abrechnung mit der Politik der Ampel? Ja, sagt Professor Falter. Bundespolitik spiele bei Landtagswahlen immer eine Rolle. Falter: „Die Grünen wurden von den Wählern nicht so stark abgestraft wie die FDP und SPD aus der Ampel-Koalition. Das liegt daran, dass die Grünen viele Stammwähler haben, die treu zu ihrer Partei halten. Die SPD hat im Vergleich dazu deutlich weniger Stammwähler.“
Landtagswahlen in Hessen und Bayern: Warum ist die AfD so stark?
In Hessen holte die AfD das beste Ergebnis im Westen, in Bayern ist sie auf Platz Zwei vor den Freien Wählern und in Hessen könnte sie auch vor der SPD hinter der CDU landen. Warum ist das so? Professor Falter: „Die AfD ist so stark, weil sie die einzige fundamentale Opposition ist. Das bedeutet, viele Menschen gehen, wenn sie unzufrieden sind mit der Politik der etablierten Parteien, entweder nicht zur Wahl oder wählen die AfD. Außerdem finden sich viele in dem Wahlprogramm der AfD, insbesondere der extrem kritischen Migrations- und Klimapolitik, wieder.“
Faeser scheitert in Hessen: Muss Olaf Scholz sein Kabinett umbilden?
Schlechte Zeiten für die SPD. Vom Kanzlerbonus für die Landtagswahlen war in Hessen und in Bayern gar nichts zu spüren. Im Gegenteil – die Hessen-Spitzenkandidatin Nancy Faeser, die als Bundesinnenministerin ja auch Mitglied der Regierung in Berlin ist, riss ihre Partei noch tiefer in den Abgrund. Nach dem schlechten Ergebnis 2018 landete die SPD mit gut 15 Prozent jetzt auf ihrem historisch tiefsten Stand in Hessen.
Wackelt jetzt der Stuhl von Nancy Faeser auch in Berlin? Falter bezweifelt das. „Trotz der Wahlniederlage in Hessen wird Kanzler Olaf Scholz wohl an seiner Innenministerin Nancy Faser festhalten. Denn wenn sie zurücktritt, hätte Saskia Esken den Zugriff und mit ihr wäre für Scholz die Zusammenarbeit vermutlich viel schwerer.“
Auf die Oppositionsbank im Landtag, wo sie zwischen 2003 und 2021 fast zwei Jahrzehnte lang saß, wird Faeser nicht zurückkehren. Kritiker halten das für inkonsequent. Sie selbst verweist darauf, dass es vor fast 30 Jahren einen Bundesinnenminister der CDU gab, der das genauso gehandhabt hat: Manfred Kanther machte 1995 die CDU zwar zur stärksten Partei, wurde aber trotzdem nicht Ministerpräsident und blieb Innenminister in Berlin.
Erfolge für Aiwangers Freie Wähler - werden sie jetzt bundesweit mitspielen?
Die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt hat Hubert Aiwanger und seinen Freien Wählern noch größere Bekanntheit verschafft und ihm jetzt sogar ein richtig gutes Wahlergebnis von gut 14 Prozent beschert, es reicht für Platz 3 hinter der AfD in Bayern. Und: In Hessen gibt es mit 3,5 Prozent ein Achtungserfolg. Der Parteichef will zur Bundestagswahl 2025 antreten. Wie sind die Erfolgsaussichten?
Der Erfolg in Bayern und der Achtungserfolg in Hessen für die Freien Wähler zeigten laut Falter, dass es durchaus Platz für eine weitere konservative Partei auf Bundesebene gäbe. Das liege daran, „dass die AfD sich nicht von ihrem extremistischen Flügel nicht trennen will und Menschen dann ihrem Verdruss über die etablierten Parteien an anderer, gemäßigter Stelle Luft machen könnten.“ Allerdings sei es fraglich, ob die Freien Wähler bei der Bundestagswahl wirklich Erfolg haben können. Denn die Partei ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich aufgestellt, es ist schwer vorstellbar, dass sie ein gemeinsames Programm hinbekommen. „Außerdem ist Hubert Aiwanger in allererster Linie ein bayerischer Politiker“, betonte Falter. „Für ganz Deutschland als Spitzenkandidat dürfte er sehr schwer zu vermitteln sein.“
FDP in Bayern raus und in Hessen muss sie zittern: Wie groß ist das Problem für Christian Lindner?
Die Bundes-FDP hat sich schon nach früheren Wahlschlappen in den Ländern Luft in der Koalition gemacht. In Hessen kratzt sie nun an der Fünf-Prozent-Hürde, in Bayern ist sie klar aus dem Landtag geflogen. Trotzdem muss Partei-Chef Christian Lindner um seine Position nicht fürchten, sagt Falter. Lindner sei zurzeit unumstritten die Nummer Eins.
Auf die Ampel könne die FDP-Pleite in Bayern und Hessen aber durchaus Einfluss haben. „Wenn die FDP tatsächlich aus beiden Landtagen herausfliegt, wird das vor allem für die Ampel-Koalition ein Problem werden. Denn die Liberalen werden dann mit allen Mitteln Profil in der Koalition zeigen wollen. Koalitionsinterne Streitereien werden zunehmen. Wenn die Umfragewerte zur Bundestagswahl kontinuierlich schlecht bleiben, könnte es sogar zum äußersten kommen und die FDP aus der Koalition austreten“, so Falter.
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