Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Verteidigungsetat

Eine kriegstüchtige Bundeswehr: Bevölkerung steht hinter Pistorius

Boris Pistorius ist bemüht, die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen – eine schwierige Aufgabe. Doch er genießt den Rückhalt der Bevölkerung.

Berlin – Der durch den russischen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar 2022 losgetretene Konflikt hat die europäische Sicherheitslandschaft nachhaltig verändert. Hinzu kommt inzwischen die Sorge vor den sicherheitspolitischen Auswirkungen einer möglichen zweiten Amtszeit Donald Trumps in den USA. Die Politik ist schnell auf die neue Lage angesprungen. Doch hat sich auch die Einstellung der Bürgerinnen und Bürgern Deutschlands verändert?

Boris Pistorius hat den Rückhalt der Bevölkerung.

Bereits drei Tage nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 in einer Sondersitzung des Deutschen Bundestags eine „Zeitenwende“ für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik an. Schließlich sei die Welt „nicht mehr dieselbe“ wie zuvor. Deutschland müsse daher mehr in die Sicherheit investieren und die eigene Verteidigungsfähigkeit sicherstellen, was „eine große nationale Kraftanstrengung“ sei. Ziel sei „eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt“. Scholz kündigte an, dafür ein Sondervermögen von „einmalig 100 Millionen Euro“ für die Bundeswehr einzurichten, das für „für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben“ genutzt werden solle.

Die Zeitenwende lief zunächst schleppend an - Bleibt das Verteidigungsressort ein Katastrophengebiet?

Die Umsetzung dieses Vorhabens lief allerdings eher schleppend an. Zwar wurde das angekündigte Sondervermögen im Juni 2022 im deutschen Grundgesetz verankert; nach Einschätzung des Kanzlers war dies „die weitreichendste Wende in der deutschen Sicherheitspolitik seit Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955“. Christine Lambrecht (SPD), die damalige Verteidigungsministerin, setzte diese Veränderung aber nur langsam in die Tat um. Bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt im Januar 2023 war die Bundeswehr nach wie vor in einem desolaten Zustand: zu wenig Personal, zu wenig Material und defektes Gerät. In der Folge riss die Kritik an Lambrecht nicht ab, bis sie, nach zahllosen Skandalen, schließlich ihren Hut nahm.

Ihr Nachfolger im Amt, Boris Pistorius (SPD), gelobte bei seinem Antritt, dass er frischen Wind bringen werde - was zunächst mit Argwohn betrachtet wurde. Der SPD-Politiker, der zuvor niedersächsischer Innen- und Sportminister und Oberbürgermeister Osnabrücks war, schien, ebenso wenig für das Amt geeignet wie viele seine Vorgänger. Immerhin galt das Verteidigungsressort jahrzehntelang als Katastrophengebiet für Minister, und so manche Karriere wurde durch das Amt ruiniert. Doch der neue Verteidigungsminister konnte überzeugen und wurde fast über Nacht zum beliebtesten Politiker in Deutschland. Inzwischen wird er sogar als Nachfolger für Scholz gehandelt, auch wenn er bestreitet, solche Überlegungen zu teilen.

Boris Pistorius steht vor einer Herkulesaufgabe - und will bis zu 3,5 Prozent des BIP zur Verteidigung

Und trotzdem ist es eine gewaltige Aufgabe, vor der Pistorius jetzt steht. Vor kurzem war nur noch die Hälfte der militärischen Transportflugzeuge, Tornados und Eurofighter-Flugzeuge einsatzbereit. Alle sechs U-Boote waren außer Gefecht gesetzt. Und die Soldaten beklagen sich über einen Mangel an Waffen und Munition, ja sogar an Thermo-Unterwäsche für das extreme Winterwetter. Pistorius will sich daher nicht mit einer einmaligen Erhöhung des Verteidigungshaushalts um 100 Milliarden Euro zufriedengeben – auch wenn Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zum ersten Mal seit 1992 wieder einhalten wird. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz kündigte er an, dass man notfalls „3 Prozent oder vielleicht sogar 3,5 Prozent“ des BIP ausgeben werde.

Doch auch die Zahl der Soldaten ist auf einen historischen Tiefstand von 180.000 gesunken. Es werden etwa 20.000 neue Rekruten benötigt, nur um die jährlich ausscheidenden Soldaten zu ersetzen – ganz zu schweigen von einer Vergrößerung der Truppe. Die Politik ringt verzweifelt nach Lösungen: von einer Wiedereinführung der 2011 abgeschafften Wehrpflicht bis hin zu einer beschleunigten Beantragung der Staatsbürgerschaft für diejenigen, die sich bereit erklären zu dienen, werden sämtliche, auch noch so unwahrscheinliche, Optionen in Erwägung gezogen. Aber gibt es für so etwas überhaupt Rückhalt in der Bevölkerung?

Die Deutschen stehen hinter der Bundeswehr – 57 Prozent sind für eine finanzielle Stärkung

Umfragen des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zufolge, genießt die Bundeswehr inzwischen ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Die positive Einstellung zu Streitkräften erreichte demnach im Jahr 2023 einen historischen Höchstwert. 82 Prozent der Befragten sprachen sich der Bundeswehr gegenüber zuletzt positiv aus – laut den Daten lag dieser Wert in den vergangenen 20 Jahren jedoch nie unter 75 Prozent. Zudem befürworten 57 Prozent der Befragten eine finanzielle Stärkung der Bundeswehr. Immerhin 39 Prozent der Befragten, also zwei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr, wären bereit, Deutschland mit der Waffe zu verteidigen.

Auch die prinzipielle Bündniszugehörigkeit Deutschlands zur Nato wurde von 70 Prozent der Befragten unterstützt - lediglich drei Prozentpunkte weniger als 2022. Leicht zurückgegangen ist die gefühlte Bedrohung des Sicherheitsempfindens der Bevölkerung. 2022 hatte sich annähernd die Hälfte der Befragten durch Krieg persönlich bedroht gefühlt (45 Prozent); 2023 sank dieser Wert auf ein Drittel (34 Prozent). Die Sorge vor unmittelbaren Spannungen zwischen dem Westen und Russland bleibt mit 55 Prozent jedoch groß.

Verteidigungsetat könnte zulasten des Sozialen fallen – Deutsche wünschen sich mehr Diplomatie

Es scheint also, als unterstütze ein Großteil der Bevölkerung den Kurs der Bundesregierung und des Verteidigungsministers. Man darf trotz all der Zustimmung aber nicht vergessen, dass die Menschen in Deutschland sich vor allem mehr Diplomatie zur Beendigung des Ukraine-Kriegs wünschen. Im ARD-„Deutschlandtrend“ gaben im Januar 51 Prozent der Befragten an, dass ihnen die diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine nicht weit genug gehen.

Zudem bedeuten mehr Ausgaben für das Militär zwangsläufig mehr Schulden oder eine Kürzung in anderen Bereichen. Nach den bisherigen Planungen wird das Geld aus dem Sondervermögen bereits 2027 aufgebraucht sein. Auch wenn die soziale Sicherheit und die territoriale Sicherheit „zwei untrennbare Seiten ein- und derselben Medaille“ sind, wie es SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert unlängst ausgedrückte, besteht die Gefahr, dass an anderer Stelle gespart wird. Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sprach sich daher für den Weg neuer Schulden aus. Die Finanzierung könne „nicht allein aus dem laufenden Haushalt entstehen“. FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller möchte hingegen „im normalen Haushalt neu priorisieren“. (tpn)

Rubriklistenbild: © IMAGO/ALEX HALADA

Kommentare