Bundeswehrtagung
Sondervermögen nur erster Schritt: Scholz sichert Bundeswehr deutlich mehr Geld zu
Laut Olaf Scholz ist die Friedensordnung Deutschlands in Gefahr. Auf der Bundeswehrtagung bekennt sich der Kanzler zum Zwei-Prozent-Ziel.
Berlin – Dauerhaft mehr Geld für die Bundeswehr, moderne Kampfflugzeuge und Einhaltung der Nato-Ziele – Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich auf der Bundeswehrtagung für eine Aufrüstung der Bundeswehr ausgesprochen.
Scholz (SPD) sicherte in seiner Rede zum Abschluss der Bundeswehrtagung zu, dass Deutschland „dauerhaft“ zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben wird. Dies gelte auch für die Zeit, wenn das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht sei. Es stehe „völlig außer Frage, dass die Zeitenwende, die Russlands Angriffskrieg bedeutet, ein langfristiges dauerhaftes Umsteuern erfordert“. Bis Ende des Jahres 2023 würden zwei Drittel der Mittel des Sondervermögens für Rüstungsaufträge vertraglich gebunden sein, wie Reuters schrieb. Bis dahin würden wahrscheinlich 50 Beschaffungsvorhaben durch den Haushaltsausschuss des Bundestages gehen.
Scholz bekennt sich zum 2-Prozent-Ziel der Nato für die Bundeswehr
Deshalb arbeite die Bundesregierung „an einem Anpassungspfad für den Verteidigungshaushalt“ für die Zeit nach dem Sondervermögen. „Wir werden dauerhaft diese zwei Prozent gewährleisten“, sagte Scholz. Damit sicherte er militärischen Führung der Bundeswehr dauerhaft deutlich höhere Verteidigungsausgaben im zweistelligen Milliardenbereich zu, wie dpa berichtete.
Das mit 100 Milliarden Euro ausgestattete Sondervermögen für die Bundeswehr sei nur „ein erster wichtiger Schritt“, sagte der Kanzler. Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes würden nun „dauerhaft“, also in den 20er und 30er Jahren, gewährleistet. Erstmals werde Deutschland das Nato-Ziel im kommenden Jahr erreichen.
Scholz hatte das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 angekündigt. Es soll die über Jahre zusammengesparte Bundeswehr wieder fit für die Landes- und Bündnisverteidigung machen. Aus dem Sondertopf werden nun umfangreiche Rüstungskäufe finanziert – vom Tarnkappenjet über neue Fregatten bis zum Schützenpanzer.
Bundeswehr: Bundeskanzler bestätigt Rüstungsprojekt mit Frankreich für Luftwaffe
Ein Teil des Geldes soll auch in gemeinsame Rüstungsprojekten mit Frankreich fließen, wie Reuters berichtete. Scholz erläuterte, dass die von Deutschland angestoßene sogenannte European Sky Shield Initiative zur europäischen Luftverteidigung ein zentrales Element für die Sicherheit Deutschlands und Europas sei. Diese Initiative könne Ausgangspunkt für eine noch viel engere Rüstungskooperation in der EU sein. „In diesem Sinne haben wir das Kampfflugzeugprojekt FCAS mit Frankreich und Spanien vorangebracht und werden nun auch das Kampfpanzerprojekt MGCS in deutscher Führung mit Frankreich zügig weiter voranbringen.“
„Die weltpolitische Lage bestärkt uns darin, wie wichtig und notwendig dieser Kurswechsel ist“, sagte Scholz, der auch den Großangriff der islamistischen Hamas auf Israel nicht unerwähnt ließ. Die sicherheitspolitische Zeitenwende erfordere ein langfristiges Umsteuern. Niemand könne mehr in Zweifel ziehen, dass schlagkräftige Streitkräfte nötig seien. Deutschland habe sich um diese Frage „lange herumgedrückt“. Scholz warnte: „Unsere Friedensordnung ist in Gefahr.“
Bundeswehrtagung
Einmal im Jahr befasst sich über zwei Tage hinweg die Bundeswehrtagung mit Lage und Zukunft der Streitkräfte. Dabei diskutiert die politische und militärische Führung der Bundeswehr in einem internen Teil zunächst über deren Zustand und Ausrichtung. Am zweiten Tag kommen externe Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Think-Tank und Gesellschaft dazu.
Neben dem Bundeskanzler, dem Verteidigungsminister und dem Generalinspekteur sowie dem militärischen und zivilen Spitzenpersonal der Bundeswehr nehmen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Gesellschaft sowie aus Verbänden und der Wissenschaft teil. Hauptredner sind der Bundeskanzler, der Minister und der Generalinspekteur als ranghöchster Soldat der Bundeswehr. Vorgesehen ist als Gastredner der Oberbefehlshaber der litauischen Streitkräfte.
Wehrpflicht für Bundeswehrchef wegen Personalnot denkbar
Unterdessen forderte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes André Wustner mehr Personal für seine Truppe, notfalls mit der Wehrpflicht. „Die Bundeswehr muss personell spätestens Ende kommenden Jahres den Abwärtstrend stoppen. Gelingt dies nicht, droht die Einsatzbereitschaft auf der Zeitachse auf ein Maß zu sinken, das kaum zu verantworten wäre“, sagte Wüstner der Rheinischen Post. Deutschland müsse wieder kriegstüchtig werden, um glaubhaft abschrecken und sich im äußersten Fall auch verteidigen zu können.
Laut Wüstner liegt es an der Ampel-Koalition, durch Maßnahmen, etwa bei den sozialen Rahmenbedingungen, Unterkünften und Ausrüstung, einen Personalschwund zu verhindern. „Gelingt dies nicht, wird Politik nicht umhinkommen, sich über ein Dienstjahr oder die Wehrpflicht Gedanken zu machen.“ Außerdem forderte er vom Bundesverteidigungsministerium laut Informationen des ZDF ein Konzept zur Personalgewinnung. Für viele junge Menschen sei die Bundeswehr mit ihren über tausend Berufen einfach nicht auf dem Radar.
Die Bundestags-Wehrbeauftragte Högl (SPD) sieht die Bundeswehr „an einer absoluten Belastungsgrenze angekommen“. Teilweise seien die Streitkräfte sogar „schon weit darüber hinaus“, sagte Högl dem Berliner Tagesspiegel. Sie verwies auf die hohe Beanspruchung aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie einen „allgemeinen Engpass bei Material und Personal“. (Lisa Mariella Löw)
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