Was konkret geplant ist
„Alle werden spürbar profitieren“: Özdemir kommt Bauern in Deutschland entgegen
Die Bauern kritisierten zu viel Bürokratie. Cem Özdemir will das nun ändern. „Mit unnötiger Bürokratie aufräumen“, heißt es in einem neuen Papier. Doch was bedeutet das konkret?
„Bürokratie ist unser Tod“, „Schluss mit dem Verordnungswahn“ oder „Bürokratiewahnsinn stoppen“: Am Rande der Bauernproteste brachten deutsche Landwirte ihren Unmut über „die Politik“ zum Ausdruck. Dabei ging es oft auch um die in ihren Augen unnötige Bürokratie.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will dem entgegenwirken. Im Bürokratieabbau sieht der Grünen-Politiker eine seiner Hauptaufgaben als Minister. „Ich habe mir fest vorgenommen, damit in die Geschichte einzugehen“, sagte Özdemir Ende März auf der Europakonferenz „Europa 2024“. Nach der Agrarministerkonferenz versprach er: „Wir machen beim Abbau unnötiger Bürokratie Dampf.“ Wirklich konkret wurde Özdemir bislang allerdings nicht. Hinter den Kulissen arbeitet das Ministerium aber bereits an Vorschlägen.
Mehr Entlastung für deutsche Bauern: Özdemir will „mit unnötiger Bürokratie aufräumen“
Das Landwirtschaftsministerium will „mit unnötiger Bürokratie aufräumen“, wie es in einem Papier mit dem Titel „Freiräume schaffen. Landwirte stärken“ heißt. Das Dokument liegt IPPEN.MEDIA vor. Beim Finden dieses „Freiräume“ arbeitete der Bund mit den Ländern sowie Verbänden wie dem Bauernverband zusammen. Das Ergebnis: Unter anderem eine Vereinfachung europäischer Regelungen. Das Ministerium nennt in dem Schreiben Änderungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Brüssel gilt bei vielen Landwirten als Buhmann wegen einer verfehlten Agrarpolitik. Die EU regiere über die Köpfe der Bauern hinweg, hieß es bei den Protesten oft.
Die Bundesregierung kann nicht auf alle EU-Entscheidungen Einfluss nehmen. Das entsprechende GAP-Konditionalitäten-Gesetz solle aber „noch vor der Sommerpause im Bundestag“ angepasst werden. Im Kern sind folgende Änderungen geplant:
- Abschaffung von Kontrollen und Sanktionen bei Betrieben bis zu 10 Hektar Fläche.
- Erleichterungen für Dauerkulturen in Feuchtgebieten und Mooren.
- Weniger Genehmigungen: Liegt für die Umwandlung von Dauergrünland in nicht-landwirtschaftliche Flächen bereits eine Genehmigung nach Baurecht vor, entfällt künftig eine nochmalige Genehmigung im Agrar- bzw. GAP-Förderrecht.
- Weniger Verordnungen: Dauerhaft ohne chemische Pflanzenschutzmittel wirtschaftende Öko-Betriebe sollen spezifisch von Vorgaben zur Erosionsminderung ausgenommen werden.
Landwirte müssen zudem nicht mehr jährlich ihren Nachweis als aktiver Betriebsinhaber erneuern, sondern können einen bereits vorhandenen Nachweis wiederverwenden. Hier soll es also weniger Aufwand geben.
Weniger Bauern-Bürokratie: Özdemir plant leichtere Auszahlungen für Landwirte
Außerdem soll es leichter Geld geben. So verspricht das Ministerium Anpassungen der Anforderungen für Direktzahlungen sowie der flächen- und tierbezogenen Zahlungen. „Bei diesen Vorgaben werden wir jetzt zahlreiche Vereinfachungen über die Anpassung an neue EU-Regelungen hinaus vornehmen.“ Im Kern bedeutet das unter anderem:
- Unbürokratischere Zahlungen für Mutterschafe und Ziegen, etwa durch Abschaffung der Stichtagsregelung.
- Vereinfachung der Öko-Regelung „Agroforst“. Für den ersten Hektar soll immer die höchste Prämienstufe gelten.
- Geld für besondere Produkte. Der pflanzenschutzmittelfreie Anbau zusätzlicher Kulturen, wie Hirse, Amaranth, Buchweizen oder Quinoa soll honoriert werden.
Diese Änderungen sollen schon für Mitte Juli vorbereitet werden und ab Anfang 2025 gelten. Das Ministerium verspricht: „Dieses Maßnahmenpaket wird zu einer spürbaren Entlastung der Landwirte führen, bei kleinen Betrieben, Tierhaltern, Ackerbau und Grünland. Alle werden spürbar profitieren.“
Weniger Meldestress für Bauern: „Landwirte verbringen oft unnötig viel Zeit am Schreibtisch“
Als weiteren großen Punkt nennt das Ministerium die Melde- und Dokumentationspflichten in der Landwirtschaft. Sie müssten zwingend vereinfach werden. In der Tierhaltung sollen „Meldepflichten reduziert, Stichtage vereinheitlicht und schlanke digitale Lösungen angeboten werden“. Beim Weinanbau plant das Ministerium eine Änderung der Weinüberwachungs-Verordnung, „um einige EU-rechtlich nicht mehr erforderliche Buchführungs- und Meldepflichten abzuschaffen oder zu vereinfachen.“ Zudem gebe es Änderungen in der Agrarstatistik, im Pflanzenanbau sowie bei der EU-Öko-Verordnung.
Auch darüber hinausgehende Lockerungen seien denkbar. „Vereinfachungen im Bereich Steuern und Buchführung, Erleichterungen bei Land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen, die Umsetzung des Online- Zugangsgesetzes oder eine Vereinheitlichung der Umsetzung auf Landesebene brächten weitere Entlastungen für die Landwirtschaft.“
„Praktikable Lösungen“ – aber auch dem Umweltschutz gerecht werden
Bürokratieabbau dürfe aber nicht zulasten der Umwelt gehen, betonte Özdemir. Es gehe darum, „für die Bäuerinnen und Bauern praktikable Lösungen zu finden“ und „Klima, Biodiversität und Ernährungssicherung gleichermaßen gerecht zu werden“, sagte er am Mittwoch nach einer Sonderkonferenz mit den Landwirtschaftsministern der Länder.
Der Arbeitsalltag von Bauern soll sich durch das Konzept Bürokratieabbau jedoch spürbar vereinfachen. „Statt auf dem Feld, im Stall, Weinberg oder Hofladen arbeiten zu können, verbringen Landwirtinnen und Landwirte oft unnötig viel Zeit am Schreibtisch.“ Das soll sich ändern. (as)