Kommunalwahlen als Stimmungstest
AfD-Welle vor Ost-Wahlen? Rechte triumphieren in Brandenburg - und gehen in Thüringen leer aus
Bei den Kommunalwahlen siegt die AfD in drei Ost-Ländern. In Thüringen fallen die Rechtspopulisten in der Stichwahl durch. Ein Stimmungstest vor den Landtagswahlen?
Neben der Europawahl gab es am Sonntag mehrere Kommunalwahlen in Deutschland – auch in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. In den drei ostdeutschen Bundesländern stehen im September Landtagswahlen auf dem Programm. Die Kommunalwahlen galten daher als Stimmungstest. Das Gesamtbild zeigt eine starke AfD und eine schwache Ampel-Koalition. So liefen die drei Kommunalwahlen:
Kommunalwahl in Brandenburg: AfD siegt
In Brandenburg hat die AfD erstmals die Kommunalwahl gewonnen. Nach Auszählung aller Wahlbezirke kam sie auf 25,7 Prozent, was einem Plus von 9,8 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren entspricht. Bei der zeitgleich stattfindenden Europawahl war die AfD sogar noch erfolgreicher. Hier waren es im vorläufigen Landes-Ergebnis 27,5 Prozent. Der Verfassungsschutz stuft den AfD-Landesverband als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.
Am besten schnitt die AfD im Kreis Spree-Neiße ab, wo sie auf 38,2 Prozent kam. Es ist nur eines von mehreren Ergebnissen über der 30er-Marke (siehe Grafik).
Hinter der AfD landete in Brandenburg mit etwas Abstand die CDU mit 19,3 Prozent. Die SPD als beste Ampel-Partei kommt auf 16,6 Prozent, während die Grünen mit 6,7 und FDP mit 3,3 Prozent keine große Rolle spielen. Die Linke erreichte 7,8 Prozent, die Freien Wähler 7,4. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) trat nicht unter diesem Namen zur Kommunalwahl an, sondern lokal mit anderen Bündnissen.
In Brandenburger Landtag regiert aktuell ein Bündnis aus SPD, CDU und Grünen. Regierungschef ist der Sozialdemokrat Dietmar Woidke. Nach der Landtagswahl könnte die SPD nach Umfragen und dem obigen Stimmungsbild der Kommunalwahl das Ministerpräsidentenamt jedoch verlieren.
Kommunalwahl in Thüringen: AfD verliert alle Stichwahlen
Auch in Thüringen fuhr die AfD am Sonntag gute Ergebnisse ein. Bei der Europawahl wurde sie mit 30,7 Prozent stärkste Kraft, die Kommunalwahlen fanden schon vor zwei Wochen statt. Damals erreichte die AfD mit 25,8 Prozent Platz zwei hinter der CDU (27,2). Die Ergebnisse der AfD begründen sich laut Pierre Zissel, Experte für Politik auf Kreisebene der Uni Jena, auch in Unzufriedenheit. „Menschen, die der AfD nachstehen, fühlen sich am ehesten abgehängt“, sagte Zissel unlängst IPPEN.MEDIA. Thüringer AfD-Hochburg wurde Gera mit 35,1 Prozent. Just die einstige DDR-Bezirkshauptstadt habe viele Einwohner verloren und eine „kollektive Abstiegserfahrung“ durchgemacht.
Die drei Thüringer Regierungsparteien Linke, SPD und Grüne fuhren bei der Wahl allesamt Verluste ein, ebenso die FDP. Die SPD kam auf 11,6 Prozent, die Linke auf 9,1 Prozent, die Grünen erhielten 4,1 Prozent. Die FDP erreichte 2,6 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das in vier Kreisen antrat, kam teilweise auf zweistellige Ergebnisse.
Am Sonntag ging es für mehrere Landratsposten nun in die Stichwahl; nur einer der 13 zur Wahl stehenden Landratsposten war in der ersten Runde vergeben worden. In neun der Kreise waren AfD-Kandidaten im Stechen vertreten. Keiner davon konnte gewinnen. Die CDU gewann in sieben Landkreisen sowie den kreisfreien Städten Erfurt und Gera. Die SPD gewann insgesamt drei Landkreise, die FDP sicherte sich die kreisfreie Stadt Jena.
Im vergangenen Jahr hatte die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Landes-AfD unter ihrem Vorsitzenden Björn Höcke im thüringischen Kreis Sonneberg den bundesweit ersten und bisher einzigen Landratsposten gewonnen.
Kommunalwahl in Sachsen: AfD-Sieg deutet sich an
In Sachsen waren am Montagmittag noch nicht alle Wahlkreise ausgezählt. Auch hier deutet sich jedoch ein Sieg der AfD an. Die AfD liegt in einer Mehrzahl der Landkreise vorn, unter anderem in Bautzen und Görlitz, wo die Partei nach vorläufigen Ergebnissen Werte über 35 Prozent holte. Erfolgreich war die AfD auch in Chemnitz. Bei der Stadtratswahl erhielt sie 24,3 Prozent der Stimmen und löste damit die CDU als stärkste Fraktion ab. Auch in Sachsen gilt der Landesverband dem Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch.
Kommunalwahlen: AfD in drei Ost-Ländern stärkste Kraft
Auch bei anderen Kommunalwahlen konnte die AfD triumphieren. So holte die AfD neben Brandenburg auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt dank hoher Stimmenzuwächse die Wahlsiege jeweils vor der CDU. Hinzukommt das deutliche Plus bei der Europawahl. „Die AfD hat deutlich dazu gewonnen und entwickelt sich allmählich weg von einer radikalen Randpartei zu einer großen Partei“, konstatiert Politologe Werner Weidenfeld von der LMU München im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
An dem guten Ergebnis konnten auch jüngste Berichte über Verfehlungen von AfD-Spitzenkandidaten nichts ändern. „Die Skandale haben der AfD nicht besonders geschadet“, sagt Professor Jürgen Falter unserer Redaktion. „Die Partei hat eine relativ festgefügte Stammwählerschaft, die mit einer Art Festungsmentalität alles Negative abwehrt, das von außen kommt.“ Gerade in den Ost-Ländern, wo die AfD traditionell stark ist.
Die Ergebnisse der Kommunalwahlen sind nicht eins zu eins auf die kommenden Landtagswahlen übertragbar. Die AfD verbucht sie jedoch als „Rückenwind“, wie etwa Parteichef Tino Chrupalla am Sonntag sagte. Politiker anderer Parteien warnten derweil vor dem Erstarken der Rechtspopulisten.
So sagte Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, es brauche einen Kurswechsel – der Ampel und auch der eigenen Partei. „Dieses Land braucht eine stabile Demokratie, aber das gelingt nur, wenn die Demokratie, wenn der Rechtsstaat wirklich die Probleme löst, dann werden wir es schaffen, auch den Populisten den Nährboden zu entziehen.“ (as)