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„Ressourcenimperialismus“

„Es ist bigott“: Mobilitätsforscher rechnet mit E-Auto-Strategie ab

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Elektroautos laden an einer Station.

Elektromobilität spielt eine große Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Aus Sicht eines Mobilitätsforschers ist der Ansatz unrealistisch. Zumindest auf dem Land müssten andere Lösungen her.

Berlin – Aus Sicht des Wissenschaftlers und Mobilitätsforschers Stephan Rammler ist es höchste Zeit, etwas gegen den Klimawandel zu tun. In der öffentlichen Debatte werde das Thema nicht angemessen wahrgenommen. Allerdings verfolge die Politik aktuell den falschen Ansatz. Einerseits wirft der Forscher Deutschland „Ressourcenimperialismus“ vor, andererseits steuere die Politik nicht genug, um eine möglichst schnelle Transformation anzustoßen, sagte der Experte im Interview mit dem Tagesspiegel – und nennt konkrete Lösungsvorschläge.

Menschen von Transformation zur Elektromobilität überfordert: „Auto als Ausdruck einer Haltung“

Eine schnelle Transformation zur Elektromobilität in Deutschland sieht der Zukunfts- und Mobilitätsforscher Stephan Rammler nicht. Menschen seien überfordert und kapitulieren. „Sie wenden sich dann rückwärts, in ein ‚Früher war alles besser‘-Denken“, so der Forscher. Autofahren werde wieder als „symbolischer Ausdruck einer Haltung“ zelebriert. „Christian Lindner verkörpert das in idealer Weise: Er hat einen Porsche und steht dazu, er feiert auf Sylt, wo man hinfliegen kann. Damit versucht er, auch machtpolitisch zu punkten. Die AfD macht es genauso, nur radikaler“, analysiert Rammler.

Man brauche Elektromobilität als Innovation über alle Verkehrsträger hinweg, eine Systeminnovation. „Das heißt, am Ende hätten wir eine stärkere Verlagerung auf öffentliche Verkehrsträger, viel weniger Massenmotorisierung und nur noch wenige kleinere, elektrifizierte Individualfahrzeuge“, beschreibt der Experte. Eigentlich müssten die Autos mit Blick auf die Umwelt also kleiner werden, würden aber – auch dank des technischen Fortschritts – immer größer. Die deutsche Industrie sei in der Verbrennungskultur verwurzelt, deswegen falle es ihr so schwer, davonzulassen.

Mobilitätsforscher wirft Deutschland „Ressourcenimperialismus vor“ – und nennt konkrete Lösungen

Zudem gebe es „eine Art grünen Ressourcenimperialismus“, kritisiert Rammler und bezog sich dabei auf die „ungesunde globale Arbeitsteilung“, bei der sich Deutschland weiter an den Ressourcen der Welt bediene. „So, wie wir der Welt vorleben, dass wir die Guten sind, ist es nicht klug. Es ist bigott“, meint Rammler. Die Devise, mit der auch die Grünen antreten würden, laute: Alles kann so bleiben, wie es ist, es wird nur grün und nachhaltig. „Nicht weniger fortbewegen, sondern anders“, heißt es zum Thema nachhaltige Mobilität von der Bundesregierung.

Dabei habe Deutschland „zunächst einmal eine moralische Verpflichtung“, die Emissionen möglichst schnell zu reduzieren. Denn „die Weltregionen, die bislang mit ihren Ressourcen unseren Wohlstand gesichert haben, zum Beispiel in Afrika und Südamerika, sind jetzt die Orte, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sind“, so der Forscher. Eigentlich bräuchte es „eine sehr viel stärker steuernde Politik, weil es um eine große und möglichst schnelle Transformation geht.“ Schnelligkeit falle den demokratischen Kulturen aber besonders schwer.

So bleibe nur eine Politik, die stärker mit den Gegebenheiten arbeite. Auf absehbare Zeit sei es unrealistisch zu glauben, „wir könnten den öffentlichen Verkehr funktional äquivalent zur Automobilität in ländlichen Regionen ausbauen“, so Rammler. „Klimapolitisch würde es deshalb mehr Sinn machen, kleine Fahrzeuge mit verbrauchsarmen Verbrennungsmotoren zu optimieren, Zwei-Liter-Autos für die Pendler auf dem Land zu entwickeln. Und in den urbanen Bereichen würde ich weiter auf öffentlichen Verkehr, Radverkehr und E-Mobilität setzen.“

Verkehr ist „Spiegel der Gesellschaft“: Warum es auf deutschen Straßen immer aggressiver zugeht

Unabhängig vom Thema E-Mobilität würden Autofahrer und Radfahrer dem Mobilitätsforscher zufolge immer fahrlässiger und aggressiver, erklärte Mobilitätsforscher Rammler im Gespräch mit dem Tagesspiegel weiter. Zu diesem Ergebnis kam unlängst auch eine Studie der Unfallforscher der Versicherer. Das hohe Maß an Aggressivität sei Ausdruck immer unversöhnlicher Milieus, dabei gehe es auch um das Infragestellen von Lebensstilen, erläuterte Rammler die Hintergründe. Zudem würden „große, leistungsfähige Fahrzeuge, die wie ein Safe Space wirken, psychologisch betrachtet Menschen dazu verführen, schneller und aggressiver zu fahren“, so der Forscher und gergänzte in Bezug auf den Soziologen Dieter Claessens: „Der Verkehr ist ein Spiegel der Gesellschaft.“

Die Aggressivität auf deutschen Straßen „hat sich aus verschiedenen Gründen entwickelt, aber auch weil sie befeuert wird, von den Medien und auch von Teilen der Politik. Man könnte das ja anders machen, moderierend, vermittelnd, kooperativ“, gibt Rammler zu Bedenken. Auch der Wissenschaftler Steffen Mau hatte unlängst im Politik-Podcast „Die Lage der Nation“ der Politik eine Mitschuld an der aktuell wahrgenommen Spaltung der Gesellschaft gegeben. Deutschland sei grundsätzlich nicht so gespalten, eine Spaltung werde aber „von oben durch politische Akteure erzeugt“. Hintergrund sei die zurückgehende Parteibindung und damit der Versuch, Menschen mithilfe von Emotionalisierung zur Wahl einer Partei zu bewegen.

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