Tiefschlag vor dem Start
Interview von Tucker Carlson: Putins irre Propaganda-Show
Die EU hat das Interview von Tucker Carlson kritisiert. Putin sagte, dass er Angriffe auf Polen oder Lettland ausschließt – und eine Niederlage gegen die Ukraine.
Update vom 9. Februar, 23.15 Uhr: Das vielkritisierte Carlson-Interview hat Debatten rund um den Berliner Tiergartenmord wieder befeuert: Wladimir Putin schien eine Beteiligung des russischen Geheimdienstes ausdrücklich nicht auszuschließen. Es gebe jemanden, der in einem mit den USA verbündeten Land eine Strafe verbüße, sagte er in dem Gespräch mit Rechtsaußen-Moderator Tucker Carlson. „Diese Person hat aus patriotischen Gefühlen heraus einen Banditen in einer europäischen Hauptstadt beseitigt“, sagte Putin. „Ob er es aus eigenem Antrieb getan hat oder nicht, ist eine andere Frage“, fügte er hinzu.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow lehnte am Freitag eine Antwort auf die Frage ab, ob es sich bei der von Putin erwähnten Person um den 2019 wegen Mordes an einem tschetschenischstämmigen Georgier verurteilten Vadim Krasikow handele und ob dieser ein Agent des russischen Auslandsgeheimdienstes FSB gewesen sei. „Ich werde diese Frage ohne Antwort lassen“, sagte Peskow.
Krasikow hatte nach Ansicht des Gerichts im Auftrag des russischen Staates im August 2019 einen tschetschenischstämmigen Georgier im Berlin Kleinen Tiergarten erschossen. Im Spätsommer hatte Russland einen Gefangenaustausch mit den USA auf die Agenda gesetzt – zugunsten Krasikows.
Carlson-Interview mit Putin emport Polen: „Alte Wahnvorstellungen“
Update vom 9. Februar, 18.50 Uhr: Auch in Polen sorgt Tucker Carlsons Interview mit Wladimir Putin für Befremden. Putins Aussage, er habe kein Interesse an einer Invasion in Polen oder Lettland, habe „keinerlei Glaubwürdigkeit“, erklärte Vize-Ministerpräsident Wladyslaw Kosiniak-Kamysz. Der polnische Parlamentspräsident Szymon Holownia bezeichnete Carlson als „nützlichen Idioten“.
Besondere Empörung rief eine Passage hervor, in der Putin Polen eine Mitverantwortung für die Invasion Nazi-Deutschland zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zuwies. Ein Sprecher des Außenministeriums in Warschau rügte „alte Wahnvorstellungen“ Putins. Der Kremlchef hatte Carlson gesagt, Polen sei „unnachgiebig“ gewesen, daher habe Adolf Hitler im Jahr 1939 „nur mit Polen beginnen können, um seine Pläne umzusetzen“.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich auf seiner USA-Reise zu Carlsons Interview-Spektakel.
Update vom 9. Februar, 16.40 Uhr: Die EU hat Tucker Carlsons Putin-Interview scharf verurteilt. Putin habe „altbekannte Lügen, Verzerrungen und Manipulationen“ wiederholt, so die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Nabila Massrali, in Brüssel. Er habe erneut „eine große Feindseligkeit gegenüber dem Westen an den Tag gelegt“ und erneut zu erkennen gegeben, dass er kein Interesse an echten und sinnvollen Schritten für einen Frieden habe.
Auch der US-Moderator kam zur Sprache. Dieser, so Massrali, habe „eine Plattform zur Manipulation und Verbreitung von Propaganda geboten“.
Update vom 9. Februar, 15.40 Uhr: Tucker Carlson hat sich während seines Aufenthalts in Moskau offenbar mit dem NSA-Whistleblower Edward Snowden getroffen. Das berichtet die US-Nachrichtenwebsite Semafor. Dieser war in den russischen Medien stark präsent, bevor er mehr Privatsphäre in seinem Familienleben suchte.
Snowden erhielt 2013 zunächst Asyl in Russland, nachdem er eine Reihe von geheimen NSA-Dokumenten veröffentlicht hatte. 2020 wurde ihm dann ein dauerhafter Aufenthaltsstatus in Russland gewährt. Im selben Jahr gab er seine Entscheidung bekannt, die doppelte Staatsbürgerschaft anzustreben. Auf dem Kurznachrichtendienst X (früher: Twitter) erklärte er damals: „Nach Jahren der Trennung von unseren Eltern möchten meine Frau und ich nicht von unserem Sohn getrennt sein“.
Kreml zufrieden mit dem Interview - „Für uns ist vor allem die Reaktion unserer Leute wichtig“
Update vom 9. Februar, 13.13 Uhr: Der Kreml hat sich zufrieden über das vom rechten US-Talkmaster Tucker Carlson geführte Interview mit Russlands Präsident Wladimir Putin und seinen Auswirkungen in der Presse geäußert. „Für uns ist vor allem die Reaktion unserer Leute wichtig“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag. Es sei von großem Wert, dass sich viele Menschen, speziell in Russland, mit dem Interview vertraut machen können. „Putin spricht über seine Weltanschauungen und seine Sicht der Gründe für die jetzige Lage und die Perspektiven des Geschehens“, so Peskow.
Update vom 9. Februar, 4.00 Uhr: Tucker Carlson, stramm rechter US-Journalist, hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstag (6. Februar) in Moskau als erster westlicher Medienschaffender seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor knapp zwei Jahren interviewt. Das Gespräch wurde am Donnerstagabend (8. Februar, Ortszeit) auf Carlsons Website ausgestrahlt.
Putin hat darin einen russischen Angriff auf Polen oder Lettland ausgeschlossen – und eine Niederlage im Krieg gegen die Ukraine als „unmöglich“ bezeichnet. „Wir haben kein Interesse an Polen, Lettland oder irgendwo sonst“, sagte Putin im Interview: „Warum sollten wir das tun? Wir haben ganz einfach kein Interesse daran.“ Ein russischer Angriff auf die Länder sei „absolut ausgeschlossen“.
Der frühere Fox-News-Moderator hatte den russischen Präsidenten zuvor gefragt, ob es ein Szenario geben könnte, in dem „Sie russische Soldaten nach Polen schicken“. Putin antwortet: „Nur in einem Fall: Wenn Polen Russland angreift.“
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sagte Putin, es werde darüber gesprochen, Russland „auf dem Schlachtfeld eine strategische Niederlage zuzufügen“. „Meiner Meinung nach ist das per Definition unmöglich“, sagte der Präsident. „Es wird niemals passieren.“
Widerspruch zu Aussagen Carlsons
Erstmeldung: Moskau – Trotz heftiger Kritik in den sozialen Medien hat der rechte US-Moderator Tucker Carlson den russischen Präsidenten Wladimir Putin interviewt. Noch bevor das Interview veröffentlicht wurde, gibt es Widerspruch zu Aussagen Carlsons – sogar aus dem Kreml.
Wie Kreml-Sprecher Dimitri Peskow inzwischen bestätigt hat, gewährte Präsident Wladimir Putin dem US-Fernsehmoderator Tucker Carlson am Dienstag (6. Februar) ein Interview – das erste eines US-amerikanischen Journalisten seit Beginn des Ukraine-Kriegs vor fast zwei Jahren. Laut Peskow stimmte Putin dem Carlson-Interview zu, weil sich die Herangehensweise des ehemaligen Fox-News-Moderators von der „einseitigen“ Berichterstattung vieler westlicher Nachrichtensender über den Ukraine-Konflikt unterscheide.
Russland rügt US-Medien als „außergewöhnlich einseitig“ – Carlson passe sich Narrativ nicht an
„Wenn es um die Länder des kollektiven Westens geht, können sich die großen Netzwerkmedien, Fernsehsender und großen Zeitungen in keiner Weise rühmen, auch nur den Versuch zu unternehmen, bei der Berichterstattung zumindest unparteiisch zu sein“, so Peskow am Mittwoch (7. Februar) bei einer Pressekonferenz. Alle diese Medien würden „eine außergewöhnlich einseitige Position einnehmen“, daher bestehe „natürlich kein Wunsch, mit solchen Medien zu kommunizieren, und es macht auch kaum Sinn“.
Die russischen Staatsmedien, die ausführlich über Carlsons Besuch berichteten, zeigten sich sehr angetan. Wladimir Solowjow, einer der bekanntesten Fernsehmoderatoren des Landes, sagte, das Interview werde „die Blockade und das bestehende Narrativ“ in den westlichen Medien durchbrechen. Carlson sei gefürchtet, weil er sich diesem Narrativ nicht anpasse.
Tucker Carlson meint aufzuklären – gegen „hässlichste Regierungspropaganda“ unter Joe Biden
Bei der Ankündigung des Vorhabens hatte der Talkshowmoderator eine ähnliche Geschichte erzählt: Die meisten Amerikaner seien nicht informiert, weil ihnen niemand die Wahrheit sage und die Medien korrupt seien, erklärte Tucker Carlson in einem am Montag (5. Februar) auf der Online-Plattform X (früher: Twitter) verbreiteten Video. Er wolle mit dem Interview, das er kostenlos und in voller Länge zur Verfügung stellen werden, dafür sorgen, dass alle Amerikaner abseits der „hässlichsten Regierungspropaganda“ unter US-Präsident Joe Biden selbst ein Bild machen können. Er sei nicht in Russland, weil er Wladimir Putin liebe, sondern weil er die USA liebe.
Wer ist Tucker Carlson?
Tucker Carlson ist ein US-amerikanischer Fernsehmoderator, politischer Kommentator, Autor und Journalist. Er ist bekannt für rechte und stark konservative Ansichten und hat in verschiedenen Medienformaten gearbeitet. Lange Zeit war er Moderator von „Tucker Carlson Tonight“, einer politischen Talkshow des konservativen Nachrichtensenders Fox News. Im April entließ Fox News Carlson und den ausführenden Produzenten seiner Abendshow ohne Angabe weiterer Gründe.
Carlson gilt als eine führende Stimme der „White grievance politics“ – also der negativen Reaktion einiger weißer Menschen auf den Fortschritt anderer ethnischer Gruppen in Bezug auf Rechte und wirtschaftliche Möglichkeiten sowie auf ihre wachsende kulturelle Gleichstellung, politische Selbstbestimmung. Er ist dafür bekannt, dass rechtsextremes Gedankengut in die Mainstream-Diskurs einzubringen. Er hat Verschwörungstheorien etwa zu einem vermeintlichen „Bevölkerungsaustausch“, Covid-19, dem Angriff auf das US-Kapitol und angeblichen ukrainischen Biowaffen verbreitet. Carlsons Äußerungen – einschließlich Verunglimpfungen, die er zwischen 2006 und 2011 auf Sendung von sich gab (und die 2019 wieder auftauchten) – wurden bisweilen als rassistisch und sexistisch bezeichnet und führten zu Werbeboykotten von „Tucker Carlson Tonight“.
Weiter behauptete er, westliche Journalisten hätten zwar vielfach mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen, sich aber nicht die Mühe gemacht, Putin zu befragen. „Nicht ein einziger westlicher Journalist hat sich bemüht, den Präsidenten des anderen in den Konflikt involvierten Landes, Wladimir Putin, zu interviewen“, behauptete Carlson.
Tucker Carlson wettert gegen die Medien – sogar Putins Sprecher dementiert
Diese Behauptung wurde auf X umgehend zurückgewiesen; zahlreiche Journalistinnen und Journalisten nannten sie eine Lüge. Am Mittwoch widersprach dann sogar Peskow, und stellte klar, die Behauptung sei nicht korrekt: „Wir erhalten viele Anfragen für ein Interview mit dem Präsidenten“, sagte Peskow. Das gelte auch für westliche TV-Sender und Zeitungen.
Mittlerweile befindet sich unter Carlsons X-Video eine „Community Note“, also eine Möglichkeit für User, auf irreführende oder falsche Informationen hinweisen. Das Interview mit Putin soll nach Carlsons Angaben um 18 Uhr US-Ostküsten-Zeit veröffentlicht werden – also in der Nacht auf Freitag deutscher Zeit. (tpn)
Rubriklistenbild: © Tucker Carlson Network/dpa

