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Demokratische Bewegung

Wie eine Widerstandskämpferin Belarus vor dem Vergessen retten will

19.07.2020, Belarus, Minsk: Maria Kolesnikowa (r-l), Vertreterin des Ex-Bankchefs Babariko, dessen Kandidatur von der Wahlkommission verweigert wurde, Swetlana Tichanowskaja, Kandidatin bei der Präsidentenwahl in Belarus, und Veronika Zepkalo, Ehefrau des nicht zugelassenen Kandidaten Zepkalo, stehen bei einem Wahlkampfauftritt zur Unterstützung von Tichanowskaja.
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Die Oppositionellen Maria Kolesnikowa (r-l), Swetlana Tichanowskaja, Kandidatin bei der Präsidentenwahl in Belarus, und Veronika Zepkalo, Ehefrau des nicht zugelassenen Kandidaten Zepkalo in Minsk.

Aus Belarus dringen nur wenige Nachrichten in die internationale Öffentlichkeit. Dabei ist die Situation dort schlimmer denn je, sagen Experten: Das staatliche Foltern sei zur Normalität geworden.

Berlin – Der Applaus für Swetlana Tichanowskaja ist lang und die Abgeordneten stehen. Dass sie überhaupt unter der gläsernen Kuppel des Deutschen Bundestags in Berlin sitzen kann, ist nicht selbstverständlich. In ihrer Heimat wäre sie wohl im Gefängnis. Für die Oppositions-Politikerin aus Belarus ist es an diesem Nachmittag im November ein Treffen mit deutschen Politikern für mehr Sichtbarkeit, für europäische Werte.

Im Sommer 2020 wurde über die ehemalige Sowjet-Republik intensiv berichtet. Damals zogen Menschenmassen durch die Hauptstadt Minsk, schwenkten weiß-rote Belarus-Fahnen und demonstrierten lautstark gegen das autoritäre Regime. Auslöser für diese Protestwelle waren umstrittene Präsidentschaftswahlen, bei denen sich der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko seine sechste Amtszeit sicherte. Die Opposition wurde verfolgt, Demonstrationen niedergeschlagen. Die Oppositionspolitikerin Tichanowskaja flüchtete nach Litauen ins Exil.

Freiheits-Kämpferin Tichanowskaja: „In Belarus gibt es keine Oppositions-Partei.“

Drei Jahre später: Machthaber Lukaschenko baut sein unterdrückendes Regime weiter aus, sagen Beobachter. Doch um die innenpolitische Situation in Belarus ist es in der internationalen Öffentlichkeit still geworden. Menschenrechtsorganisationen gehen derweil von über 1500 politischen Gefangenen in dem Land aus, Zehntausende leben im Exil. „Um es klar zu sagen: In Belarus gibt es keine Oppositions-Partei“, sagt Tichanowskaja gegenüber Ippen.Media. „Innerhalb des Landes ist es unmöglich, etwas Sichtbares zu tun.“ Trotzdem gebe es ein oppositionelles Netzwerk von Aktivisten und Freiwilligen in Belarus, mit denen die Oppositionellen im Exil zusammenarbeiten. „Wir wollen Belarus demokratisch und frei machen“, sagt Tichanowskaja.

Dafür bekommt die Demokratiebewegung in Belarus Unterstützung aus Berlin. Die Bundesregierung hat an jenem Nachmittag eine Resolution für ein freies Belarus beschlossen. „Für ein demokratisches Belarus in der europäischen Familie“, lautet der Titel. In dem Antrag von SPD, Grünen und FDP heißt es, der Deutsche Bundestag „solidarisiert sich mit allen politischen Gefangenen in Belarus“ und verurteilt die Wahlen von 2020 als „massiv gefälscht“.

Osteuropa-Experte: „In Belarus herrscht die schlimmste Form der Diktatur“

Öffentliche und politische Aufmerksamkeit für die belarussische Oppositionsbewegung ist in Zeiten des Ukraine-Kriegs und des Kriegs in Israel nur schwer zu bekommen. „Der Westen darf die Freiheitsbewegung und ihre Heldinnen wie Maria Kolesnikowa nicht vergessen – um seiner selbst willen“, warnt Professor Martin Schulze Wessel, Ost-Europaexperte von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Kolesnikowa war zusammen mit Tichanowskaja einer der Führungsfiguren in der Protestwelle. Die westliche Politik müsse von dem Wissen ausgehen, „dass in Belarus die schlimmste Form der Diktatur herrscht“, erklärt Schulze Wessel gegenüber Ippen.Media. „Die Anwendung von physischer Gewalt und Folter durch die Staatsorgane sind zur Normalität geworden.“

Mit immer strikteren Maßnahmen versucht Lukaschenko Kritiker zu unterdrücken. „Folter und Entwürdigung der Inhaftierten wurde zur gängigen Praxis, um den politischen Willen der Belarussen zu brechen“, erklärt Schulze Wessel weiter. Neuerdings kann regierungskritischen Belarussen sogar die Staatsbürgerschaft entzogen werden. „Diese Maßnahme kann gegen jeden angewandt werden, der gegen das Regime Lukaschenkos die Stimme erhebt – öffentlich oder auch im privaten Raum“, sagt der Osteuropa-Experte. Im September wies Lukaschenko außerdem seine Botschaften an, keine Reisepässe mehr auszustellen. Das heißt: Für einen neuen Pass müssen im Ausland lebende Belarussen zurückkehren und riskieren damit viel. Ein Gesetz, das ein Instrument vor allem gegen Lukaschenko-Kritiker im Exil sein soll.

Belarus gilt als treuer Unterstützer Russlands im Ukraine-Krieg

Im Ukraine-Krieg tritt Belarus vornehmlich als Verbündeter Russlands auf. Kreml-Chef Wladimir Putin nutzte Belarus als Aufmarschgebiet, und so konnten russische Truppen die Ukraine auch von Norden aus angreifen. „Diktator Lukaschenko wurde zum Handlanger Putins“, sagt Robin Wagner (Grüne), Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe im Bundestag. „Kriegsverbrechen wie in Butscha oder Irpin wären ohne Lukaschenkos Unterstützung nicht möglich gewesen“, so Wagner.

Der Großteil der Bevölkerung in Belarus stehe nicht hinter ihrem Machthaber. „Die Proteste haben gezeigt, dass auch Belarus sich zu den universalen Werten von Freiheit und Menschenrechten bekennt“, sagt Osteuropa-Experte Schulze Wessel. „Es gibt eine junge Generation, die sich ein anderes Leben wünscht und dafür große Opfer bringt.“

So wie Tichanowskaja und ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen. Tichanowskajas Mann ist zu über 20 Jahren Haft verurteilt worden, womöglich ist er im Gefängnis bereits verstorben. Die Oppositionelle Maria Kolesnikowa ist zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt worden. Swetlana Tichanowskaja kämpft im Exil weiter. Das große Ziel: „Wir wollen zu unseren europäischen Wurzeln zurückkehren“, sagt sie.

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