„Keine Evidenz“
RKI-Corona-Protokoll zu FFP2-Masken: „Könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“
In den Corona-Protokollen des Robert Koch-Instituts geht es auch um Masken. Wurden der Bevölkerung bei der FFP2-Maske Informationen vorenthalten?
Jahrelang brachte man sie vor allem mit asiatischen Ländern in Verbindung, während Corona sollten sie auch hierzulande das öffentliche Leben zeichnen: Masken. Der Mund-Nasen-Schutz oder die FFP2-Masken avancierten zu einem Symbol der Pandemie. Vielerorts galt Maskenpflicht, um so das Virus einzudämmen. Dass ein Mund-Nasen-Schutz grundsätzlich einen Effekt hat, ist wissenschaftlich unbestritten. Inwiefern aber die aufwendigeren und teureren FFP2-Masken nötig waren, ist nicht ganz so eindeutig belegbar. Das geht aus freigeklagten Protokollen des Corona-Expertenrats des Robert Koch-Instituts hervor.
Corona-Protokolle des RKI: „keine Evidenz für FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes“
In der Sitzung vom 30. Oktober 2020 geht das RKI explizit auf FFP2-Masken ein. Sie seien „eine Maßnahme des Arbeitsschutzes“, steht in dem Dokument. „Wenn Personen nicht geschult/qualifiziertes Personal sind, haben FFP2-Masken bei nicht korrekter Anpassung und Benutzung keinen Mehrwert.“ Weiter heißt es: „Nutzung von FFP2-Masken sollten auf keinen Fall dazu führen, dass andere Maßnahmen (Abstand, Lüftung) vernachlässigt oder außer Kraft gesetzt werden (z.B. keine volle Besetzung eines Raumes)“
Brisant wird es ein paar Zeilen später, als das RKI intern vermerkt: „Es gibt keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, dies könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“ Die Öffentlichkeit erfuhr hiervon allerdings nichts. 2022 sollte bundesweit eine FFP2-Maskenpflicht eingeführt werden – mit Verweis auf neue Corona-Varianten und eine aktualisierte Studienlage. Teils galt die FFP2-Maskenpflicht auch schon lange davor, etwa in Bayern.
Corona-Protokolle des RKI: Dokumente sind an entscheidenden Stellen geschwärzt
Das Thema Masken taucht übriges schon zu Beginn in den Corona-Protokollen auf und das RKI spricht sich grundsätzlich für Masketragen aus. So heißt es im Protokoll zur ersten Sitzung des RKI-Corona-Expertenrats vom 14. Januar 2020: „Bei labordiagnostisch bestätigten Fällen sollte eine FFP2-Maske empfohlen werden.“
Am 1. April 2020 heißt es: „Tragen von MNS (also Mundnasenschutz, Anm. d. Red.) könnte eine wesentliche Komponente sein, als erweiterte Standardhygiene.“ Über den Erfolg von FFP2-Masken heißt es: „Sollten FFP2-Masken wieder verfügbar sein und alle, bei denen es sinnvoll wäre, diese tragen würden, könnte dadurch die Ausbreitung stark verlangsamt werden.“ Nicht immer geht aus den Protokollen jedoch hervor, was genau besprochen wurde. So sind etwa in der Sitzung vom 30. März 2020 die Passagen zum „zukünftigen Umgang mit der Maskenfrage“ vollständig geschwärzt.
Am 9. April wird der Mund-Nasen-Schutz als „Baustein im Konzept der Deeskalation“ beschrieben und am 14. April schließlich empfohlen. Am 16. April gibt die Bundesregierung daraufhin die „dringende Empfehlung“ zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Ab 22. April 2020 gilt dann die bundesweite Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkauf.
Im Frühling 2020 öffnen die Schulen wieder – unter Hygiene- und Abstandsregeln. Es gibt Diskussionen um eine Maskenpflicht an Schulen. Das RKI stellt dazu am 8. Juni fest: „Eine Maskenpflicht in Schulen könnte ggf. die Influenza-Last im Winter reduzieren.“ Gerade mit Blick auf die Aerosolbildung sei Masketragen in geschlossenen Räumen denkbar. „Jedoch müssen die entsprechenden Empfehlungen auch umsetzbar und akzeptabel in der breiten Bevölkerung sein. Es wird angemerkt, dass das Tragen von Masken ‚den Kern jedes Unterrichts torpediere‘ (Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes Susanne Lin-Klitzing).“
RKI: „FFP Masken in der allgemeinen Bevölkerung nicht empfohlen“
Im Sommer sinken die Corona-Zahlen und die Einschränkungen werden weiter gelockert. Auch die Maskenpflicht entfällt. Vom RKI heißt es am 29. Juli: „Die Anwendung von FFP Masken in der allgemeinen Bevölkerung wird dagegen nicht empfohlen.“ Zu diesem Zeitpunkt ist die FFP2-Maskenpflicht auch politisch noch kein Thema.
Das ändert sich im Herbst und Winter, als die Corona-Zahlen auf ein Rekordniveau steigen. Am 7. Oktober heißt es im RKI-Protokoll: „Zu Infektionsschutzmaßnahmen und Strategie: Jetzt noch ernster nehmen und alle mitwirken; insbesondere junge Erwachsene: Lüften und Masken auch im Freien, wenn Mindestabstand unterschritten wird.“ Am 23. Oktober behandelt der Corona-Expertenrat auch eine „Stellungnahme zu FFP2-Masken in der Allgemeinbevölkerung“. Entscheidende Passagen sind in den Dokumenten allerdings geschwärzt. Am 9. November heißt es dann, eine in den Protokollen geschwärzte Person „erhält aktuell viele Anfragen zu Nebenwirkungen von Masken“. Das RKI bemüht sich daraufhin um eine einheitliche Studienlage zum Thema.
Im November 2020 verschärft die Bundesregierung die Maßnahmen und verhängt den zweiten Teil-Lockdown – inklusive Maskenpflicht mit normalem Mund-Nasen-Schutz. Das RKI schreibt dazu unter anderem am 25. November: „Maskenpflicht sollte auch für Geimpfte beibehalten werden.“
Interessant wird es zwei Tage später, als das RKI festhält: „Es stellt sich auf Anregung des Bundesgesundheitsministers erneut die Frage, ob das RKI statt Alltagsmasken nicht MNS für die generelle Bevölkerung empfehlen sollte.“ Also einen offiziellen Mund-Nasen-Schutz. Jedoch habe sich die Bevölkerung an „MNB“, also eine generelle Mund-Nasen-Bedeckung (auch selbst genähte) gewöhnt. „Es besteht Sorge, dass bei Änderung der Empfehlung der Vorwurf entstehen könnte, dass das RKI wissentlich eine ‚schlechtere‘ Maßnahme empfohlen habe.“ Eine einfache MNB habe eine „Schutzwirkung, jedoch sind die Anzahl an Lagen und die Art der Herstellung mitentscheidend. Mehrlagigkeit und ein dicht anliegender Sitz sind wichtig.“
„Sollte die Evidenz zunehmend für MNS anstelle von MNB sprechen“, könnte es aber Anpassungen geben. Die FFP2-Maske ist zu diesem Zeitpunkt kein Thema in den Sitzungen des Krisenstabs. Das ändert sich Im Januar 2021, als die Corona-Zahlen hoch sind und die Impfkampagne anläuft. Was aber konkret besprochen wurde, schwärzt das RKI.
Bayern führt FFP2-Maskenpflicht ein – RKI: „keine explizite Empfehlung“
Am 15. Januar 2021 geht es beim RKI auch um eine „Überprüfung Maskenempfehlung“ und explizit um Bayern, wo zu diesem Zeitpunkt eine FFP2-Maskenpflicht geplant ist. Die Studienlage habe sich nicht geändert: „Internationale Empfehlungen sehen das Tragen von FFP2 in der Allgemeinbevölkerung nicht vor bzw. sprechen sich explizit dagegen aus.“ Die FFP2-Maske sollte medizinischem Personal vorbehalten sein. „Keine explizite Empfehlung/Verbot für das Tragen in anderen Bevölkerungsgruppen.“ Am 18. Januar tratt die FFP2-Maskenpflicht in Bayern in Kraft.
Wie das RKI die Maskenfrage danach bewertet, ist unklar. Die vom Magazin Multipolar nach einem Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz veröffentlichten Corona-Protokolle enden Ende April 2021. Wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Gründonnerstag bekannt gab, sollen die Dokumente zeitnah „weitgehend entschwärzt“ vorgelegt werden. (as)


