Personalien für heute erwartet
Wer wird Minister? Aiwangers Staatssekretär geht volles Risiko - Ausgang noch offen
Aiwangers Freie Wähler könnten noch am Donnerstag ihre Kabinettsmitglieder bekanntgeben. Der Blick wandert zu einem, der auf Konfrontation mit seinem Chef ging.
München – Im braven Politikbetrieb gibt es ganz selten diese Momente, wo einer unvermittelt auf den Tisch haut. Voll. Ohne Rücksicht, ohne zu wissen, ob die Tischplatte brechen wird oder die Hand. Roland Weigert, 55, hat das neulich getan. Spätestens heute wird er erfahren, ob es sich für ihn gelohnt hat.
Es war vor gut zwei Wochen in einem Interview. Da tat der Freie-Wähler-Abgeordnete kund, dass er sein Amt als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium unter Minister Hubert Aiwanger nicht fortsetzen wolle. Dafür seien die Arbeitsweisen zu unterschiedlich, sagte er über den Parteifreund: „Er arbeitet eher als Solospieler, ich bin mehr der Mannschaftstyp.“
Konfrontation mit Aiwanger - in Söders CSU wäre das Vorgehen undenkbar
Wumms: Dem Chef per Zeitung mitzuteilen, dass er das Teamspiel nicht beherrsche, ist mutig. In der CSU würde das gegenüber Markus Söder kein Minister wagen – das wäre das Karriereende. Der Freie Wähler Weigert indes legte in der SZ noch nach, bewarb sich selbst als Minister („Ich weiß, was ich kann“) und nannte als künftige Felder Inneres, Wirtschaft, Gesundheit oder Wissenschaft.
In den Wirren nach der Landtagswahl ist das fast untergegangen – aber Weigert spielt damit volles Risiko. Aiwanger ist es als dominanter Parteichef und oberster Unterhändler am Ende, der über die FW-Posten entscheidet. Sich mit ihm anzulegen, ist ein gewagtes Manöver.
Freie Wähler im Kabinett: Aiwanger und Weigert galten als Vertraute
Weigert wird es sich gut überlegt haben. Im Ministerium gehen die Schilderungen auseinander, wie gut sich Minister und Staatssekretär, Koch und Kellner, noch verstehen. Sie galten als Vertraute. Als Weigert 2019 ins Rennen um das Nebenamt als Jagdpräsident ging, wenn auch vergeblich, unterstützte ihn Aiwanger öffentlich. Umgekehrt warf sich Weigert mehrfach für seinen Chef in die Schusslinie, wenn dieser wegen missverständlicher Äußerungen angegriffen wurde. Und als emsiger Staatssekretär versuchte er, durch viele Delegationsreisen eine Lücke zu verkleinern, für die sich der Minister nicht sonderlich interessiert.
Vielleicht brach diese Achse, als im Sommer Aiwanger die Partei nach rechts zu rücken schien – Stichworte Erding und Flugblatt-Affäre. Zu Weigert heißt es, dass er die Freien Wähler eher etwas liberaler als die CSU sehe, der er über 20 Jahre angehörte.
Der bodenständige Oberbayer, kein großer Redner, aber ein umgänglicher, im Gespräch gewinnender Typ, kann sich vielleicht mehr leisten als andere. Der Ex-Landrat hat am 8. Oktober das Meisterstück geschafft, in Neuburg-Schrobenhausen seinen Stimmkreis zu gewinnen. 914 Stimmen nur vor der CSU, so knapp, dass er am Ende selbst überrascht war – aber das genügt für das besondere Privileg, Direktabgeordneter zu sein. Neben Aiwanger der einzige seiner Partei. „Sie können mich jetzt nicht mehr übersehen“, sagt Weigert.
Wen schickt Aiwanger in Söders Kabinett? Zwei Szenarien für Weigert möglich
Übersehen nicht. Übergehen vielleicht schon. In München gilt nun als möglich, dass Weigert tatsächlich Minister wird. Oder dass er ganz aus der Regierungsmannschaft fliegt. Für beides gibt es Szenarien. Als die Koalitionsverhandlungen begannen, fiel auf: In den Kreis der zehn Unterhändler hatte Aiwanger seinen (Ex-)Vertrauten Weigert nicht geholt.
Das Rennen um Ämter ist jedenfalls eng. Die drei Minister Aiwanger, Michael Piazolo und Thorsten Glauber wollen weitermachen. Kommt ein vierter Posten hinzu, müsste eigentlich mal eine Frau an der Reihe sein; die Abgeordneten Ulrike Müller und Anna Stolz wurden gehandelt. Heute wird Aiwanger, der am Mittwoch in der Staatskanzlei stundenlang über Ministeriums-Zuschnitte verhandelte, wohl Namen nennen. Hopp oder top für Weigert.
Christian Deutschländer
Rubriklistenbild: © Matthias Balk/dpa
