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Asylpolitik Bayern

Söder doch nicht erster mit Bezahlkarte für Asylbewerber: Thüringen testet noch in diesem Jahr

Fast im bundesweiten Alleingang möchte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Bezahlkarte für Asylbewerber beschließen. Doch bereits zum 1. Dezember wird sie in Thüringen Alltag sein.

München – Migranten sollen statt Bargeld zukünftig eine Karte mit einem Guthaben für Einkäufe erhalten. Damit soll sichergestellt werden, dass sie das Geld, das für den Lebensunterhalt in Deutschland gedacht ist, nicht in ihre Heimatländer schicken können. Das ist der Grundgedanke der Bezahlkarte für Asylbewerber, auf die sich Bund und Länder auf dem Migrationsgipfel geeinigt haben. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht sein Bundesland als Vorreiter in Sachen Bezahlkarte, wie BR24 berichtete. Doch kommen ihm Thüringen und Hamburg zuvor?

Eigentlich hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder Mitte Oktober auf eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte geeinigt. Diese soll laut Bund-Länder-Beschluss eine Arbeitsgruppe bis 31. Januar als Modell erarbeiten. Bayern setzte nun auf einen Alleingang, wie BR24 berichtete. Einer der ersten Punkte des neu gewählten Kabinetts in Bayerns lautete demnach: „Freistaat Vorreiter bei Bezahlkarten für Asylbewerber – Staatsregierung beschließt bayernweite Einführung.“ Söder veröffentlichte dazu einen Beitrag auf der Plattform X (ehemals Twitter): „Wir machen Tempo bei der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber. Andere Länder können sich daran gerne mit anschließen.“ Die bayerische Karte soll im Frühjahr 2024 an den Start gehen.

Hamburg noch vor Bayern: Bezahlkarte für Asylbewerber soll im Januar kommen

Markus Söders Partei fordert ein Umdenken für die Integrationspolitik in Deutschland.

Trotzdem wird Bayern vermutlich nicht das erste Bundesland sein, das eine Auszahlung in Bargeld vermeidet. In Hamburg wurde die europaweite Ausschreibung zur Bezahlkarte schon mehrere Monate vor dem Bund-Länder-Beschluss gestartet und ist bereits abgeschlossen, wie Senatssprecher Marcel Schweitzer BR24 erläuterte: „Wir prüfen und bewerten die eingereichten Angebote gegenwärtig.“ Der operative Start für die Karte sei für den 2. Januar 2024 geplant, „sodass die ersten Karten ab Januar 2024 ausgegeben werden können“.

Das Hamburger Konzept ist dabei etwas anders als das bayerische. Die Hansestadt plant eine „Sozialkarte“, um die Zahlstellen zu entlasten und Barauszahlungen sowohl von Asyl- als auch von Sozialleistungen zu ersetzen. Zum grundsätzlichen Funktionsumfang der Karte sollen laut Ausschreibung neben der bargeldlosen Zahlung im Einzelhandel auch der Einkauf im Internet sowie eine Bargeldabhebung gehören. Auf kommunaler Ebene verfolgt ein ähnliches Konzept wie Hamburg die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover: Dort soll die „Socialcard“ schon dieses Jahr an Asylbewerber sowie Sozialhilfe-Empfänger ausgegeben werden.

Bezahlkarte für Asylbewerber in Bayern schon fünf Jahre im Gespräch

Das bayerische Innenministerium antwortet ausweichend auf die Frage, ob der Freistaat von der Hamburger Vorarbeit profitieren könnte: „Bayern begrüßt natürlich, dass inzwischen auch weitere Bundesländer das Bedürfnis für eine Karte erkennen und fordert bundeseinheitliche Regeln hierfür, um das volle Potential solcher Karten auszuschöpfen.“

Darauf, dass es die Karte in Bayern eigentlich längst geben sollte, verwies SPD-Fraktionschef Florian von Brunn bei BR24: „Das hat das bayerische Kabinett schon mal im Juni 2018 beschlossen.“ Im Kabinettsbericht vom 5. Juni 2018 heißt es: „Um falsche Anreize zu beseitigen, wird es in Bayern kein ‚Asylgehalt‘, sondern möglichst nur noch Sachleistungen geben.“ Daher solle auch eine Bezahlkarte erprobt werden, „mit der die Aushändigung von Bargeld größtmöglich vermieden werden soll“. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) konnte in der Pressekonferenz zur Kabinettssitzung auf eine Journalistenfrage nach dem Beschluss nicht antworten. „Ich habe das jetzt nicht erinnerlich“, sagte er.

Bundeskanzler Scholz kritisiert Söder für Alleingang bei Bezahlkarte für Asylbewerber

Während Bayern sein eigenes Konzept vorantreiben will, geht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) davon aus, dass die bundesweite Karte schnell umgesetzt wird. Er habe von verschiedenen Anbietern gehört, „dass sie in kurzer Zeit eine solche Dienstleistung bereitstellen können“, sagte Scholz am 15. November im Bundestag. „Deshalb wird es wohl schnell gehen.“ Der Kanzler ging auch auf den bayerischen Alleingang ein: Beim Migrationsgipfel habe er von allen 16 Ländern gehört, dass sie eine solche Karte einführen wollten - gemeinsam, mit einem einheitlichen System. „Ich hoffe, dabei bleibt das auch, sage ich als jemand, der Zeitung gelesen hat und auch andere Äußerungen von einem einzelnen Ministerpräsidenten gehört hat.“

Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze kritisierte laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das schnelle Vorgehen Bayerns bei der Bezahlkarte:„Jetzt prescht Markus Söder wieder für den Show-Effekt vor.“ Bislang habe die Karte zum Beispiel in Erding und Zirndorf nicht funktioniert, weil lokale Händler sie nicht als Zahlungsmittel akzeptiert hätten. „Vor diesem Hintergrund Bayerns Behörden nun im Hauruck-Verfahren diesen enormen Verwaltungsaufwand aufzuladen, ist schlicht unverantwortlich. Es braucht eine flächendeckende gemeinsame Lösung, wie auf der MPK beschlossen“, argumentierte Schulze.

Erster Landkreis noch in diesem Jahr mit Bezahlkarte für Asylbewerber

Im thüringische Landkreis Greiz wird die Bezahlkarte indes in einem Modellversuch schon zum 1. Dezember eingeführt, wie die Tagesschau berichtete. Alle Asylbewerber, die einen Folgeantrag auf Asyl gestellt haben, bekommen eine Karte. Dies bedeutet, dass ihr Erstantrag abgelehnt wurde oder sie diesen zurückgenommen haben. Das sind 30 Migranten im Landkreis Greiz. Zum 1. Januar sollen alle der aktuell 750 Asylbewerber in dem Kreis die Karte erhalten haben. Bis Mitte Januar soll das Pilotprojekt laufen. Wenn es funktioniert, soll die Bezahlkarte sehr schnell auch in anderen Landkreisen eingeführt werden.

Bezahlkarte für Asylbewerber in Greiz

Die Bezahlkarte ist eine vorausbezahlte Guthabenkarte des Zahlungsdienstleisters Mastercard. Sie kann im Einzelhandel und an Automaten dort eingesetzt werden, wo eine Kartenzahlung per Mastercard akzeptiert wird. Durch die Prepaidfunktion kann die Karte von der Kreisverwaltung individuell aufgeladen oder entladen werden.

Die Karte wird an jeden leistungsberechtigten Asylbewerber separat ausgegeben. Das Greizer Modell sieht vor, dass 100 Euro bar ausgezahlt und der Rest als Guthaben auf die Bezahlkarte gebucht wird. Die Asylbewerber müssen dazu persönlich beim Landratsamt erscheinen - wie bisher.

Auf der Bezahlkarte werden die Kartennummer, das Gültigkeitsdatum der Karte, der Vor- und Nachname des Asylbewerbers und die Ausländerzentralregister-Nummer (AZR-Nummer) des Asylbewerbers abgedruckt.

Der Landkreis kann nach eigenen Angaben ein Guthaben-Limit setzen. Ist das Limit erreicht, könnte auf die Karte kein zusätzliches Guthaben gebucht werden. Eine Karte kostet den Kreis zwischen drei und sechs Euro. Jede Aufladung kostet einen Euro.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte indes die Einführung der Karte scharf, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete. Dies sei „reine Symbolpolitik, verbunden mit einem enormen Bürokratieaufwand“. Auch Erfahrungen aus Pilotprojekten hätten gezeigt, dass die Bezahlkarte im Alltag nicht praktikabel sei. „Der ausschließlich bargeldlose Zahlungsverkehr bedeutet für die Geflüchteten vollends den Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben. Bezahlkarten verhindern Integration, stigmatisieren Geflüchtete und schränken ihr Recht auf Selbstbestimmung ein“, hieß es. (Lisa Mariella Löw)

Rubriklistenbild: © picture alliance / dpa

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