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„Aggressive Aufrüstung“

China schickt Dutzende Kampfjets Richtung Taiwan – US-Admiral warnt vor Invasion

China rüstet einem US-General zufolge „in einem seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gekannten Ausmaß“ auf. Zu spüren bekommt das vor allem Taiwan.

Taiwans Verteidigungsministerium hat so viele chinesische Kampfjets und Kriegsschiffe in der Nähe der Insel gemeldet wie seit Wochen nicht mehr. Wie das Ministerium am Donnerstag (21. März) mitteilte, wurden binnen 24 Stunden 32 Jets sowie fünf Schiffe gesichtet. 20 der Kampfflugzeuge hätten die sogenannte Medianlinie überquert, die inoffizielle Grenze zwischen der demokratischen Inselrepublik und der Volksrepublik China. „Taiwans Streitkräfte haben die Situation beobachtet und geeignete Kräfte eingesetzt, um zu reagieren“, hieß es weiter.

China schickt seit Jahren quasi täglich Kriegsschiffe und Kampfjets in die Nähe von Taiwan, das Peking als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet; zuletzt war die Lage rund um die Insel allerdings überraschend ruhig. So erklärten taiwanische Regierungsbeamte unlängst gegenüber Bloomberg, China scheine seinen militärischen Druck auf Taiwan zu verringern. Noch Anfang des Jahres waren Beobachter von einer gegenteiligen Entwicklung ausgegangen, nachdem der Peking-kritische Lai Ching-te Mitte Januar zum neuen taiwanischen Präsidenten gewählt worden war. Viele Experten hatten sogar groß angelegte Militärmanöver erwartet. Ob die neuen Entwicklungen vom Donnerstag eine Trendwende darstellen, bleibt abzuwarten. Lai wird am 20. Mai vereidigt.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

„Neuer, gefährlicherer Status quo“ zwischen China und Taiwan

Spannungen hatte es zuletzt rund um Kinmen gegeben, eine kleine Inselgruppe, die von der taiwanischen Regierung kontrolliert wird, aber unmittelbar vor der chinesischen Küste liegt. Mitte Februar war dort ein chinesisches Fischerboot gekentert, nachdem es laut taiwanischen Angaben illegal in die Gewässer vor Kinmen eingedrungen und von der taiwanischen Küstenwache aufgebracht worden war. Zwei der vier Fischer an Bord kamen bei dem Vorfall ums Leben. Als Reaktion schickte Peking Schiffe seiner eigenen Küstenwache auf Patrouillen rund um Kinmen, unter anderem wurde dabei ein taiwanischer Ausflugsdampfer kontrolliert.

Laut Admiral John Aquilino, dem Kommandeur des United States Indo-Pacific Command, geht es China darum, in der Taiwanstraße einen „neuen, gefährlicheren Status quo“ zu schaffen. In einer Stellungnahme an ein Komitee des US-Repräsentantenhauses schrieb Aquilino diese Woche, China setze „seine aggressive militärische Aufrüstung, seine Modernisierung und seine Grauzonen-Aktivitäten fort“. Unter Grauzonen-Aktivitäten werden Handlungen verstanden, die nicht so weit gehen wie ein militärischer Angriff, etwa Einschüchterungsversuche oder das Verbreiten von Falschmeldungen.

Chinesische Kampfjets während einer Übung in der Taiwan-Straße (Archivbild).

„Alles deutet darauf hin, dass die Volksbefreiungsarmee die Direktive von Präsident Xi Jinping, bis 2027 in Taiwan einmarschieren zu können, erfüllt“, so Aquilino weiter. Xi hat das Ziel ausgegeben, die 1927 gegründete Volksbefreiungsarmee bis zu ihrem 100. Jubiläum zu einer Streitkraft von Weltrang aufzubauen.

Chinas rüstet „in einem seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gekannten Ausmaß“ auf

Laut Admiral Aquilino rüstet Chinas Armee „in einem seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gekannten Ausmaß zu Lande, zu Wasser, in der Luft, im Weltraum und im Cyber- und Informationsbereich“ auf. „Das versetzt die Volksrepublik China in die Lage, Taiwan zu unterwerfen, die Kontrolle über das Südchinesische Meer durch ihre exzessiven maritimen Ansprüche auszuüben und diejenigen zu unterdrücken, die an einen freien und offenen Indopazifik glauben.“ China beansprucht rund 90 Prozent des Südchinesischen Meeres für sich, darunter auch Inseln und Atolle, die Tausende Kilometer entfernt vom chinesischen Festland in den Hoheitsgewässern anderer Anrainerstaaten liegen. Der Schiedsgerichtshof in Den Haag hat Chinas Ansprüche teilweise zurückgewiesen.

Vor allem mit den Philippinen, die ein enger Verbündeter der USA sind, wachsen seit wenigen Jahren die Spannungen. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen zwischen Schiffen der Küstenwachen der beiden Länder, China setzt dabei auch Wasserwerfer ein, um philippinische Boote wegzudrängen. Die USA haben sich in dem Konflikt klar auf die Seite der Regierung in Manila gestellt. So sicherte US-Außenminister Antony Blinken dem philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos Jr. bei einem Besuch am Dienstag seine Unterstützung zu. (sh)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Wang Xinchao

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