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Wahljahr 2024
Diskursverschiebung per TikTok und „Kryptobros“: Wie die AfD und ihr Vorfeld junge Menschen „manipulieren“
Die AfD führt nach wie vor die Umfragen im Osten an. Ein Propagandist der extremen Rechten gibt inzwischen offen zu, Jugendliche „manipulieren“ zu wollen.
Berlin – Bei der Teil-Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin konnte die in Teilen rechtsextreme AfD ihr Ergebnis deutlich verbessern. Auch die in Untersuchungshaft sitzende terrorverdächtige AfD-Kandidatin Birgit Malsack-Winkemann verzeichnete mit mehr als 9.000 Erststimmen etwas mehr als bei der Bundestagswahl 2021. Zwischenzeitlich wurde sie wegen ihrer mutmaßlichen Mitwirkung der rechtsextremen Terrorgruppe um Heinrich Reuß inhaftiert. Ein Blick auf die Medienstrategie der AfD im Europa- und Landtagswahlkampfjahr, das mit den Correctiv-Enthüllungen zum Potsdamer Geheimtreffen und Massendemonstrationen gegen die dort geschmiedeten Deportationspläne begann.
Einen Hinweis auf die Gründe der rechtsextremen Wahl- und Umfrageerfolge lieferte am Wochenende eine Analyse des Politikberaters Johannes Hillje für das ZDF. Hillje nahm die Social-Media-Accounts der Parlamentsparteien im Zeitraum von Januar 2022 bis Dezember 2023 unter die Lupe. Es kam zu dem Schluss, dass die Inhalte der AfD wesentlich öfter angesehen, geteilt, geliked und kommentiert wurden, als die der restlichen Parlamentsparteien. Insbesondere die Plattform TikTok tat sich im Untersuchungszeitraum hervor. Dort erreichte die AfD mit 430 Millionen Aufrufen mehr als doppelt so viel, wie alle anderen auf der Plattform vertretenen Parlamentsparteien. Linke, FDP, CSU und SPD kamen insgesamt auf etwa 140 Millionen Aufrufe.
TikTok für AfD „Schlüssel zur jungen Wählerschaft“.
Hierbei sind rechtsradikale, libertäre oder frauenfeindliche Influencer, die teilweise vergleichbare Thesen verbreiten, noch nicht eingerechnet. Zentrale Zielgruppe auf TikTok sind Teenager. Die Plattform, so Hillje, sei für die Partei „der Schlüssel zur jungen Wählerschaft“. Die Diagnose des Experten: Die AfD betreibe ihre Social-Media-Accounts unter erheblichen Ressourcenaufwand und ihre Abgeordneten spitzen ihre Parlamentsreden auf möglichst hohe Reichweite zu. Verbreitet werde das Ganze zusätzlich über „Netzwerke“ aus der vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften Parteijugendorganisation Junge Alternative (JA) und rechtsextremen Akteuren des Vorfelds der Partei. Letztere stammen hauptsächlich aus dem Dunstkreis der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB).
Das gilt auch für einen der Strategen hinter der TikTok-Offensive der Rechten. Erik Ahrens, Rechtsextremist und ehemaliger Social-Media-Berater von AfD-Europaspitzenkandidaten Maximilian Krah, schreibt nach eigenen Angaben zurzeit an einem Buch über „ethnische Deutsche“ und „die natürliche Elite“. Das bezeichnet er verharmlosend als „Biopolitik“. Ahrens bestätigte per X, vormals Twitter, dass er mehrfach Gast im Landhaus Adlon war, in dem das Potsdamer Geheimtreffen stattfand. In einem Vortrag beim rechtsextremen Akademikerverein „Institut für Staatspolitik“ verglich er TikTok und die Möglichkeiten, die die AfD und ihr Vorfeld dort hätten, mit der Erfindung des Radios in den 1920er Jahren.
AfD-Europaspitzenkandidat Krah mit sexistischen Clips erfolgreich – „Parteipolitische Heimat“ des Antifeminismus
Keine besonders originelle Einsicht: Er machte dort klar, dass er die Gatekeeper-Funktion des Journalismus, der Botschaften von Rechtsextremen idealerweise filtert und einordnet, über Social Media aushebeln will. Man habe „ein Fenster“ in das „Gehirn“, der hauptsächlich jungen TikTok-Klientel, sagte Ahrens damals. Besonders junge Männer sind eine Zielgruppe, an die sich EU-Spitzenkandidat Krah richtet: „Jeder dritte junge Mann hatte noch nie eine Freundin. Du gehörst dazu? (...) Lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts“, sagte er in einem TikTok-Clip mit 1,4 Millionen Aufrufen.
Grundsätzlich bedient Krah hier ein tradiertes, sexistisches Männlichkeitsideal des gefühlskalten, dominanten Mannes, der Anspruch auf Frauenkörper habe. Bereits 2017 schrieb die Giessener Bildungs- und Politikwissenschaftlerin Juliane Lang im Sammelband „AfD & FPÖ“ bei Nomos über das Verhältnis von Rassismus und Antifeminismus in der Partei. Die AfD und ihr Vorfeld seien „parteipolitische Heimat“ für „unterschiedliche Spektren des organisierten Antifeminismus“. Laut Lang seien „konservative bis völkische Geschlechterpolitik“ seit Gründung der AfD Kern der Partei und verzahnen sich in ihr mit rassistischen Ideen. Die AfD sehe Frauen als Mütter und ihre primäre Rolle in der Gesellschaft sei es, Kinder zu gebären. Ein klar sexistisches Frauenbild.
In der Person des Maximilian Krah, verzahnen sich katholisch-konservativer Sexismus mit der antisemitischen und rassistischen Verschwörungserzählung des „großen Bevölkerungsaustausches“. Krah sprach immer wieder von „Umvolkung“, einem Neo-Nazibegriff, der eine Bedrohung der von Krah oder Ahrens postulierten Volksgemeinschaft durch Zuwanderung sowie Frauenrechte und damit verbundene sinkende Geburtenraten suggeriert. Diese Erzählung verbreitet die IB seit Jahren. Sie fand sich immer wieder in Bekennerschreiben von rechtsextremer Terroristen.
Kryptowährungspodcast mit rechter Schlagseite oder: Wie die Propaganda in die Kinder kommt.
Einen weiteren Einblick, wie Rechtsradikale den Weg in die Köpfe junger Menschen finden, gab Ahrens per X: „Rechtslibertäre Kryptobros“ wären „perfekt“, um den Diskurs nach rechts zu verschieben. Er bezog das auf einen Artikel im Stern. Dort beschrieb eine Mutter, wie rechte Narrative und Lügen über den Podcast „Hoss und Hopf“ in den Kopf ihres Sohnes einsickerten. In dem Podcast aus dem Millieu der rechtslibertären Kryptowährungsszene wurden Inhalte des X-Accounts „Radio Genoa“ verbreitet. Dieser ist eine bekannte Fake-News-Schleuder, so wurde dort beispielsweise behauptet, die Bundesregierung würde Seenotrettung von Geflüchteten unterstützen, um europäische Völker in den „Suizid“ zu treiben.
Ein klarer Anklang des „großen Austausches“. „Hoss und Hopf“ verbreiten sich, wie die AfD, lauffeuerartig auf TikTok. Sie locken besonders junge Männer mit Geld, Erfolgsversprechen und einer gehörigen Portion Machotum. Anfang 2024 ergab eine Umfrage der Financial Times, dass Männer von 18 bis 29 zunehmend „konservativer“ werden, während Frauen im selben Alter zunehmend „liberalere“ beziehungsweise egalitärere Werte vertreten. Laut einer Auswertung der Forschungsgruppe Wahlen, wählten bei den Landtagswahlen in Hessen 17 Prozent dieser Altersgruppe die AfD, und bei Männern war die Partei deutlich beliebter als bei Frauen. Ahrens beantwortete die rhetorische Frage, ob er Jugendliche „manipulieren“ wolle, auf X, übrigens mit einem klaren „Ja“.
Die AfD-Spitze im Wandel der Zeit: von Bernd Lucke bis Alice Weidel
In der Sonntagsfrage erlebte die AfD zuletzt zwar einen leichten Knick. Weiterhin stärkste Kraft in den Umfragen bleiben die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften Landesverbände in Thüringen und Sachsen und der „Verdachtsfall“ in Brandenburg. In allen drei Bundesländern wird im September gewählt. (kb)