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Nach Europawahl

Rechter EU-Machtpoker ohne AfD: Le Pen, Meloni und Orbán loten neue Bündnisse aus

Der Machtpoker beginnt und die AfD ist vorerst außen vor. Ihre ehemalige ID-Fraktion um Le Pen, Wilders und die FPÖ hat scheinbar große Pläne – mit Orbán.

Brüssel – Im demokratischen Lager läuft die Fraktionsbildung im EU-Parlament nach der Europawahl gewohnt geräuschlos, die Fraktionen bleiben in etwa dieselben, wie in der abgelaufenen Legislaturperiode. Bewegung herrscht hingegen noch bei den Rechtsaußenparteien. Die großen drei am rechten Rand der Union, Marine Le Pen aus Frankreich, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der ungarische Autokrat Viktor Orbán loteten bereits kurz nach der Wahl ihre Optionen für unterschiedlich radikale Bündnisse aus. Welche Möglichkeiten hätten sie, worüber streiten die Rechten, und wo sortieren sich AfD und FPÖ ein? Ein Überblick.

Beim Besuch bei Viktor Orbán durfte Le Pen sich bereits 2021 als Staatsgästin fühlen. Sitzen ihre zwei Rechtsaußen-Parteien bald in derselben Fraktion? (Archivbild)

Die zentrale, demokratiepolitische Entscheidung treffen hierbei Meloni und der Chef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU). Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) sprach vor der Wahl von einem „Angebot“, dass sie Meloni machen wolle. Damals war noch unklar, mit wessen Stimmen sie wieder an die Spitze der Kommission gewählt werden könnte. Inzwischen wird deutlich: Es gäbe eine klare Mehrheit im demokratischen Lager des Parlaments aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. EVP-Chef Weber verteidigte am Freitag (14. Juni) im Gespräch mit Spiegel weiterhin die Machtoption Meloni als „pragmatisch“, trotz Angriffen der italienischen Regierungschefin auf die liberale Verfassungsordnung ihres Landes.

Melonis Entscheidung: EU-Bündnis mit den Konservativen oder mit Orbán und Le Pen

Sollte diese Zusammenarbeit zustande kommen, so wäre für Meloni ein breiteres rechtsradikales Bündnis mit Orbán, Le Pen und anderen Antiliberalen wohl ausgeschlossen, erklärte Nicolai von Ondarza, EU-Politikexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, im IPPEN.MEDIA-Gespräch. Eine Fraktion, in der Orbáns Partei Fidesz oder Le Pens Rassemblement National säßen, sei für die Konservativen zu „toxisch“, so von Ondarza. Bisher zeichnete sich keine Kursänderung Melonis ab, deren Partei „Fratelli d‘Italia“ sitzt aktuell noch in der nationalkonservativen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der auch die polnische PiS und die offen rechtsradikale spanische Partei Vox angehören.

Aktuell bestehen zwei Fraktionen am rechten Rand des Europarlaments: die EKR und die Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID). Beide wollen mehr Abschottung gegen Migration, weniger Eingriffe der EU in die Nationalstaaten und haben ein grundsätzliches Problem mit liberalen Werte, wie individueller Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Hauptunterschied sei, so von Ondarza, dass die ID „deutlich radikaler“ sei.

EKR und ID bleiben nach Europawahl vorerst bestehen – Wer paktiert mit Orbán?

Sowohl EKR als auch ID trafen sich nach der Wahl jeweils zu ersten Gesprächen zwischen den Parteien und scheinen fortzubestehen. Sollte es zu einem Bündnis zwischen beiden Fraktionen kommen, so kündigte Viktor Orbán an, sich diesem anzuschließen. Das könnte allerdings vor allem am Streit um das Verhältnis zu Russland zwischen der ID und der EKR scheitern. Und die ID wirft offenbar selbst ein Auge auf Orbáns Delegation in Brüssel.

Machtverschiebung in der ID: Lega verliert massiv – Le Pens Leute dominieren die Fraktion

Die ID-Fraktion wurde in der vergangenen Legislaturperiode geführt von der italienischen Lega, der Partei Matteo Salvinis, mit dem Meloni in Italien koaliert. Die Lega stellte 22 der 49 Abgeordneten. Die zweitstärkste Delegation stellte der Rassemblement National. Nach der Europawahl kehrte sich dieses Kräfteverhältnis um: Die Lega verlor in Italien massiv an Melonis Partei, sie stellt nun noch vier Abgeordnete. Und der Rassemblement National gewann mit einem Rekordergebnis in Frankreich und dominiert die Fraktion jetzt mit 30 Abgeordneten. Wichtige, aber deutlich kleinere Delegationen sind die jeweils sechs Abgeordneten der österreichischen FPÖ und der niederländischen PVV von Geert Wilders.

Wandel in Europa: Die Geschichte der EU in Bildern

Karte der Europäische Union
Die Europäische Union ist eine wirtschaftliche und politische Vereinigung von 27 europäischen Ländern. Insgesamt leben etwa 450 Millionen Menschen im Gebiet der EU. Ursprünglich als Wirtschaftsverbund gegründet, hat sie sich zu einer Organisation entwickelt, die eine Vielzahl von Feldern abdeckt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist der europäische Binnenmarkt der größte gemeinsame Markt weltweit. Er ermöglicht die freie Bewegung der meisten Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. © PantherMedia (Montage)
Römischen Verträge EU
Der Grundstein für die heutige EU wurde am 25. März 1957 gelegt. Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg unterzeichneten damals die Römischen Verträge. Für Deutschland setzten Kanzler Konrad Adenauer (links) und Walter Hallstein, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ihre Unterschriften unter das Dokument. Damit waren die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) besiegelt. © dpa
Margaret Thatcher und François Mitterrand
Am 1. Januar 1973 traten Dänemark, die Republik Irland und das Vereinigte Königreich der EG bei. Einfach war das Verhältnis zwischen Großbritannien und Europa nie. Auch Premierministerin Margaret Thatcher (links) war keine Freundin Europas. Mit der Forderung „We want our money back“ setzte die Eiserne Lady 1984 beim Gipfel in Fontainebleau einen Rabatt bei den Zahlungen Großbritanniens in die Gemeinschaftskasse durch. Verhandlungspartner wie der französische Präsident François Mitterrand (rechts) waren machtlos. © Daniel Janin, Gabriel Duval/afp
Militärjunta in Griechenland
Zum 1. Januar 1981 trat Griechenland der Europäischen Gemeinschaft bei. Die Aufnahme des Landes war heftig umstritten. Europa befürchtete, sich einen unangenehmen Partner ins Nest zu holen. So sorgte zum einen das konfliktreiche Verhältnis Griechenlands zur Türkei für Unbehagen. Noch schwerer wog die Diktatur der rechtsextremen Militärjunta, die erst im Juli 1974 zu Ende gegangen war. Ein interner Machtwechsel am 25. November 1973, als Panzer im Athener Zentrum auffuhren (im Bild), konnte den Wandel nicht mehr aufhalten. © Imago
Von wegen grenzenlos - Ärger in Schengen über Grenzkontrollen
1985 unterzeichneten Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten das „Schengener Abkommen“ über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an ihren gemeinsamen Grenzen. Die weitgehende Reisefreiheit erleichterte das Leben und Arbeiten in anderen europäischen Ländern erheblich. Alle Bürgerinnen und Bürger der EU haben das Recht und die Freiheit, selbst zu entscheiden, in welchem EU-Land sie arbeiten, studieren oder ihren Ruhestand verbringen möchten.  © Harald Tittel/dpa
Franco und Juan Ćarlos
1986 nahm die EG zwei neue Mitglieder auf: Portugal und Spanien. Damit konnten beide Staaten ihre Isolation auf dem Kontinent beenden. Vor allem für Spanien war der Beitritt in die EG ein markanter Wendepunkt, um die Folgen der jahrzehntelangen Diktatur unter Francisco Franco (rechts) zu überwinden. Juan Carlos (links), der zwei Tage nach Francos Tod am 20. November 1975 zum König proklamiert worden war, spielte eine entscheidende Rolle bei der Überwindung der Diktatur. Bei der Aufnahme des Bildes im Jahr 1971 hatte er noch im Schatten Francos gestanden. © afp
Silvester 1989 am Brandenburger Tor
Eine Erweiterung im eigentlichen Sinne war es nicht. Doch als am 3. Oktober 1990 die Länder der DDR der Bundesrepublik Deutschland beitraten, wurde die EG automatisch um ein gutes Stück größer. Mit der Wiedervereinigung erstreckte sich das gesamte Gemeinschaftsrecht nun auch auf das Beitrittsgebiet. Mit einer Bevölkerungszahl von mehr als 80 Millionen Menschen ist Deutschland seitdem der bevölkerungsreichste Mitgliedsstaat. © Wolfgang Kumm/dpa
Genscher und Waigel unterzeichnen Maastrichter Vertrag
Anfang der Neunziger war die Zeit reif für einen Wandel. Die Römischen Verträge hatten ausgedient. Am 7. Februar 1992 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU ein neues Vertragswerk. Für Deutschland unterzeichneten Außenminister Hans-Dietrich Genscher (links) und Finanzminister Theo Waigel (rechts) das Dokument. Der Vertrag von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union trat am 1. November 1993 in Kraft. Mit dem EU-Vertrag entwickelte sich die europäische Gemeinschaft zu einer politischen Union. © dpa
Volksabstimmung zum EU-Beitritt in Norwegen 1994
1995 nahm die EU drei neue Länder auf. In Österreich, Schweden und Finnland hatten zuvor die Menschen in Volksentscheiden dem Beitritt zugestimmt. Auch Norwegen ließ das Volk in einem Referendum darüber abstimmen. Doch hier sah das Ergebnis anders aus. 52,2 Prozent der Wahlberechtigten in Norwegen votierten in einer Volksabstimmung gegen einen Beitritt.  © Berit Roald/Imago
Tschechien feiert EU-Beitritt
Neun Jahre später kam es zur ersten Osterweiterung. Am 1. Mai 2004 traten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und die Republik Zypern der EU bei. Die neuen EU-Länder feierten den Beitritt, in Prag (hier im Bild) und anderen Hauptstädten freuten sich die Menschen über eine Zukunft unter dem Dach der EU. Die Europäische Union setzte sich somit aus 25 Mitgliedstaaten zusammen. © Michal Svacek/afp
Rumänien - EU
Der zweite Teil der Osterweiterung ließ nicht lange auf sich warten. Am 25. April 2005 unterzeichneten Rumänien und Bulgarien den Beitrittsvertrag zur EU. Beide Länder wurden zum 1. Januar 2007 in die Europäische Union aufgenommen. Für die Menschen in Bukarest (hier im Bild) gab es also mehr als nur einen Grund, die Nacht zum Tage zu machen. Die Fläche der EU wuchs mit dieser Erweiterung auf etwas mehr als 4,3 Millionen Quadratkilometer.  © Robert Ghement/dpa
Kroatien wird EU-Mitglied
Schon im Juni 2004 war Kroatien der Status eines offiziellen Beitrittskandidaten verliehen worden. Doch die Verhandlungen verzögerten sich mehrmals, erst sieben Jahre später konnten sie erfolgreich abgeschlossen werden. Kurz danach stimmten 66,3 Prozent der Wahlberechtigten bei einem Referendum für den Beitritt in die EU. Am 1. Juli 2013 war schließlich der Zeitpunkt gekommen, um vor dem Europäischen Parlament in Straßburg die Flagge Kroatiens zu hissen. Die EU bestand damit aus 28 Mitgliedsstaaten. © Frederick Florin/afp
EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp
Banksy-Kunstwerk zu EU und Brexit
Seit dem 31. Januar 2020 besteht die EU nur noch aus 27 Staaten. Nach 47 Jahren verließ das Vereinigte Königreich als erstes Mitgliedsland die Europäische Union. Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit in einem Referendum für den Abschied aus der EU gestimmt. Der britische Street-Art-Künstler Banksy kommentierte den Brexit auf seine Art. In der Hafenstadt Dover malte er eine riesige EU-Flagge an eine Hauswand – zusammen mit einem Handwerker, der einen der Sterne entfernt. © Glyn Kirk/afp
Friedensnobelpreis für EU.
2012 wurde die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz (von links nach rechts) nahmen den Preis bei der Verleihung im Osloer Rathaus am 10. Dezember 2012 in Empfang. © Cornelius Poppe/afp

AfD-Ausschluss würde Bündnis zwischen ID und EKR vereinfachen – Wäre da nicht der Russlandstreit?

Noch vor der Wahl wurde die AfD wegen Maximilian Krahs Relativierung der Nazi-Verbrecherorganisation SS aus der ID ausgeschlossen. Und auch nachdem die ursprünglich 15-köpfige AfD-Delegation mit knapper Mehrheit ihren Spitzenkandidaten Krah ausgeschlossen hatte, sieht es nicht danach aus, als dürfe die AfD in die ID-Fraktion zurückkehren, die sie einst mitbegründete. Die FPÖ und ein estnischer Abgeordneter stimmten dagegen.

Für ein Bündnis zwischen EKR, ID und Orbán spräche, dass mit der AfD eine der radikalsten Rechtsaußen-Parteien Europas bereits ausgeschlossen wäre. Damit wäre auch das Problem, der antideutschen Ressentiments in der polnischen PiS, der zweitstärksten Kraft in der EKR aus dem Weg. Schwer gegen ein solches Bündnis spräche, dass sowohl die PiS, als auch Meloni, die Mehrheit der Fraktion für die Unterstützung der Ukraine sind. Während Orbán diese immer wieder zu sabotieren droht, und Le Pen seit Jahren offen dafür argumentiert, dass die Ukraine mindestens die seit 2014 besetze Halbinsel Krim an Russland abtreten solle.

„Neue Fraktion“ – Planen Le Pen, Salvini und die FPÖ das Bündnis mit Orbán?

Das erste ID-Treffen der Legislatur, auf dem Le Pen, Salvini, Wilders, der FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky und andere Rechtsradikale zusammenkamen, fand am Mittwoch (12. Juni) statt. Das US-Portal Politico berichtete, unter Berufung auf am Buffet liegen gelassene Notizen, die ID wolle „Druck“ auf die EKR-Fraktion ausüben und „Im Block“ mit „den Ungarn“ arbeiten. Aus Ungarn kämen, die zehn fraktionslosen Fidesz-Abgeordneten sowie ein einzelner Abgeordnete der militant rechtsextremen Partei „Unsere Heimat“ in Betracht. FPÖ-Mann Vilimsky sprach sich nach dem knappen Wahlsieg seiner Partei für ein Bündnis mit Orbán aus. Orbáns Name finde sich in den Notizen mit dem Zusatz „neue Fraktion“. Wer diese Fraktion gründen solle, blieb allerdings unklar.

AfD erst „nach den Wahlen in Frankreich wieder Thema“ – Greift Krahs „Plan B“?

Auch zur Zukunft der AfD gab es einen Hinweis: „Nach den Wahlen in Frankreich“, könne man sich innerhalb der ID wieder mit den Deutschen beschäftigen. Das passt zum Muster, dass Le Pen sich seit Jahresbeginn immer wieder von der AfD distanzierte, um sich in Frankreich bürgerlich geben zu können. Nun stehen Parlaments-Neuwahlen in Frankreich an und der Rassemblement National greift nach der Regierung, um Präsident Emmanuel Macron innenpolitisch zu entmachten.

Neben dem Abwarten in der Fraktionslosigkeit könnte die AfD noch versuchen, eine eigene radikalere Parlamentsfraktion zu gründen. Als „Plan B“ neben der ID präsentierte Krah weit vor der Wahl ein Bündnis mit mehreren osteuropäischen Parteien. Ideologisch einigendes Band, so Politico, könnte die Sofiaer Erklärung, ein von einigen dieser Parteien erarbeitetes Manifest, triefend von modernem Erlösungsantisemitismus sein. Ein solches Bündnis wäre von Parteien durchsetzt, die mit militanten Rechtsextremisten zusammenarbeiteten, und könnte „Vera Europa“ (lat. für „Wahres Europa“) heißen. Sollten die Lager am rechten Rand erhalten bleiben, müsste die AfD unter den fraktionslosen Rechten insgesamt 25 Abgeordnete aus sieben Mitgliedsstaaten zur Mitarbeit bei der Gründung bewegen. (kb)

Rubriklistenbild: © Szilard Vörös/imago

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