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Spanien-Wahl

Wegen rechtsextremer Vox-Partei: Angst unter progressiven Kräften in Spanien steigt

Seit den 2000er Jahren ist Spanien zu einem der progressivsten Länder Europas geworden. Im Land geht die Angst um, was nach den Parlamentswahlen geschehen könnte.

Madrid - Spanien hat den meisten anderen Ländern der westlichen Welt, Deutschland eingeschlossen, zumindest in gesellschaftspolitischen Fragen einiges voraus. Das wird etwa dran deutlich, wie das Land mit Gewalt gegen Frauen umgeht. Ein äußerst grausamer Mord an einer Frau durch ihren Ex-Mann 1997 führte zu einem überparteilichen gesellschaftlichen Konsens, der 2004 in dem „Gesetz über geschlechtsspezifische Gewalt“ mündete, wie Spiegel-Online in einer Reportage berichtet.

Feminismus und progressives Denken sind in Spanien praktisch Staatsräson

Seitdem ist der Kampf gegen Femizide - Morde an Frauen, weil sie Frauen sind - in Spanien sozusagen Staatsräson. Das einst rückständige, von einer Machokultur geprägte Land ist damit zu einem Vorreiter im Umgang mit einem Problem geworden, das hierzulande immer noch oftmals als „Familiendrama“ verharmlost und unsichtbar gemacht wird. Ein weltweit einzigartiges Programm („VioGén“) zentralisiert die Erfassung aller Informationen zu Gewalt an Frauen. Mittlerweile sind über 700.000 Fälle registriert.

Gleichstellungsministerin Irene Montero (Podemos) ist eine treibende Kraft bei der Liberalisierung der spanischen Gesellschaft.

International wird Spanien für dieses entschlossene staatliche Vorgehen gegen geschlechtsspezifische Gewalt bewundert. Das feministische und progressive Lager an sich ist in Spanien so stark wie in wenigen anderen Ländern. Frauen, die unter Menstruationsschmerzen leiden, dürfen sich krankmelden, die Pille danach ist kostenlos. Seit 2002 das „Nur-Ja-heißt-Ja-Gesetz“ verabschiedet wurde, kann jede körperliche Annäherung ohne Zustimmung beider Partner als Gewalt geahndet werden. Ein krasser Gegensatz zu den Verhältnissen in Italien, wo sexuelle Übergriffe mindestens 10 Sekunden dauern müssen.

Regierungschef Spaniens: „Wir leben im Zeitalter der Frauen“

Die linke Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hat sich dem Einsatz für Gleichberechtigung verschrieben. „Wir leben in der Zeit der Frauen“, zitiert die Berliner Morgenpost den spanischen Regierungschef von der sozialdemokratischen Partido Obrero Socialista Español (PSOE), die seit 2020 zusammen mit dem linkspopulistischen Wahlbündnis Unidos Podemos („Gemeinsam schaffen wir es“) eine Mitte-Links-Koalition bildet. Da ist es fast nur eine Randnotiz, dass sein Kabinett aus zwölf Frauen und elf Männern besteht.

Auch auf anderen Gebieten spielt Spanien eine Vorreiterrolle. Die gleichgeschlechtliche Ehe wurde bereits 2005 eingeführt, mitsamt dem Adoptionsrecht. Spanien war eines der ersten Länder, die diesen Schritt gegangen sind. Seit 2010 gilt eine großzügige Abtreibungsregelung, die den Schwangerschaftsabbruch bis zur 14. Schwangerschaftswoche erlaubt. Eine unkomplizierte Änderung des Geschlechtseintrages ab 16 Jahren ist ohne ärztliches Attest, psychiatrische Gutachten und ähnliche entwürdigende Hürden möglich.

Seit 2018 Ministerpräsident Spaniens: Pedro Sánchez von der sozialdemokratischen PSOE.

Mit solchen Gesetzen, die heute unter anderem aus dem Frauenministerium von Irene Montero, einer Gallionsfigur der linken Partei Podemos („Wir schaffen es“) forciert werden, hat sich Spanien in den letzten zwanzig Jahren einen Ruf als Vorbild in der Gleichstellungspolitik erarbeitet. Doch dieser Ruf gefällt nicht allen im Land.

Drohender Rechtsruck zur Spanien-Wahl beunruhigt progressives Lager

Die anstehenden Parlamentswahlen am 23. Juli bereiten den progressiven Kräften im Land zunehmend Sorge. Der Grund: Spanien droht ein Rechtsruck. Die Konservativen von der Partido Popular (Volkspartei, PP) führen zwar in den Umfragen zur Spanien-Wahl, können aber nicht damit rechnen, eine absolute Mehrheit zu erreichen. Diese Option favorisiert Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo, Parteichef der PP. Seine Partei fuhr Ende Mai einen sensationellen Erfolg ein, als sie bei den Regional- und Kommunalwahlen in zwölf von 17 spanischen Regionen und in sieben der acht größten Städte den Wahlsieg davontrug.

Um zu regieren, werden die Konservativen, sollten sie gewinnen, aller Voraussicht nach dennoch einen Koalitionspartner brauchen. Eine Große Koalition aus konservativer PP und sozialdemokratischer PSOE gilt in Spanien aber als äußert unwahrscheinlich. Auch eine Minderheitsregierung der Konservativen, die immer auf eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten angewiesen wäre, ist ein wenig realistisches Szenario, wie die Süddeutsche Zeitung aus Madrid berichtete. Als Regierungspartner kommt für die PP aufgrund der politischen Arithmetik daher nur die rechtsextreme Vox-Partei infrage.

Spanien-Wahl 2023: Sánchez setzt alles auf eine Karte - Rechtsruck droht

Spanien-Wahl 2023: Ministerpräsident Pedro Sánchez
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hat die Flucht nach vorn angetreten. Nur wenige Stunden nach einer historischen Pleite der Linken bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai kündigte der Regierungschef eine vorgezogene Parlamentswahl am 23. Juli an. Mit diesem Schachzug baut der Chef der sozialistischen PSOE darauf, den Oppositionsparteien keine Gelegenheit für einen umfangreichen Wahlkampf zu geben. Ursprünglich war die Parlamentswahl für Dezember vorgesehen. Sánchez setzt damit alles auf eine Karte. Dem Hoffnungsträger der Linken in Spanien und Europa droht die Abwahl. Dafür könnte es zu einer Regierungsbeteiligung der extremen Rechten kommen.  © Christina Quicler/afp
Spanien-Wahl 2023: PP-Chef Alberto Núñez Feijóo
Das Ergebnis der Regional- und Kommunalwahlen im Mai löste ein politisches Erdbeben in Spanien aus. Die lange kriselnde konservative Volkspartei (PP) gewann fast überall. „Meine Zeit kommt!“, rief PP-Chef Alberto Núñez Feijóo damals vor Tausenden jubelnden Menschen auf dem Balkon des Parteisitzes in Madrid mit Blick auf die Parlamentswahl. „Die Ereignisse überschlagen sich“, resümierte der staatliche TV-Sender RTVE. Allerdings ist die PP vielerorts auf die Unterstützung der Rechtspopulisten von Vox angewiesen. Der Frage, inwieweit man kooperieren wolle, wich Feijóo bisher aus. Eine sogenannte Brandmauer nach rechts wie in Deutschland gegenüber der AfD gibt es in Spanien nicht. In einigen Regionen gibt es bereits eine Zusammenarbeit PP-Vox. © Pierre-Philippe Marcou/afp
Spanien-Wahl 2023: Konservative PP
Wie sieht die politische Landschaft in Spanien nach den Regional- und Kommunalwahlen im Mai aus? In Madrid gab es einen doppelten PP-Triumph. Die regionale Regierungschefin Isabel Díaz Ayuso und der regierende PP-Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida errangen erstmals absolute Mehrheiten. Man sagt, Madrid sei ein Gradmesser für die landesweite Stimmung. Die PP nutzte die sich bietende Gelegenheit und eröffnete mit ihrem Kampfbegriff, mit dem der Ministerpräsident zu einem autoritären Charakter erklärt wird, gleich einmal den Wahlkampf: „Das Ende des ‚Sanchismo‘ wurde eingeleitet!“, verkündete Martínez-Almeida (2. von rechts) in der Wahlnacht an der Seite von Ayuso (2. von links) und Feijoó (Mitte).  © David Cruz Sanz/Imago
Spanien-Wahl 2023: Wahlkampf der PP
„Die PP überrollte (Spanien) wie ein Tsunami“, titelte die renommierte Zeitung „El Mundo“ nach den Regional- und Kommunalwahlen im Mai. Nicht nur in Madrid, auch in anderem Gebieten wie Valencia, Aragonien, La Rioja sowie auf den Balearen mit der Urlaubsinsel Mallorca gewann die PP mit teils großem Vorsprung. So hatten die Konservativen allein in sieben der acht größten Städte die Nase vorn. So etwas hatte es seit der Gründung von PP und PSOE nach dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 noch nie gegeben. Im Wahlkampf hält sich die PP weiter bedeckt, ob sie mit der rechtsextremen Vox koalieren würde.  © Thomas Coex/afp
Spanien-Wahl 2023: Vox-Chef Santiago Abascal
Pedro Sánchez wird derweil nicht müde, die Menschen in Spanien vor „den Rechtsextremen und der extremen Rechten“ zu warnen. Erziehungsministerin Pilar Alegría spricht gar von einem „doppelköpfigen Monster“ aus PP und Vox. Doch das Menetekel verhallt bisher ungehört. Die aktuellen Umfragen sagen einen Sieg von PP (etwa 33 Prozent der Stimmen) und Vox (14 bis 15 Prozent) voraus, eventuell könnte es gemeinsam zur absoluten Sitzmehrheit reichen. Vox-Chef Santiago Abascal (weißes Hemd) betonte selbstbewusst, seine Partei sei jetzt unverzichtbar für den „Kampf gegen Sozialismus und gegen Kommunismus“ geworden.  © Thomas Coex/afp
Spanien-Wahl 2023: Pro-Spanien-Demo
Vox wurde im Dezember 2013 von früheren Mitgliedern der PP gegründet, die die Autonomierechte der spanischen Regionen ablehnten und sich eine Strategie gegen die Zersplitterung Spaniens wünschten. Das Thema spielte zunächst keine große Rolle im Land. Das änderte sich, als die katalanische Regionalregierung im Herbst 2017 ein illegales Unabhängigkeitsreferendum organisierte. Der daraufhin aufkeimende Nationalismus spielte Vox in die Karten. Im Dezember 2018 zog die Partei ins andalusische Regionalparlament ein, bei den nationalen Parlamentswahlen im April 2019 kam sie auf gut zehn Prozent, bei den Neuwahlen sieben Monate später auf 15 Prozent. © Jorge Guerrero/afp
Spanien-Wahl 2023: Pablo Iglesias
Je nach Blickwinkel gilt Vox in Spanien als rechtspopulistisch, rechtsradikal oder rechtsextrem. Nach dem Wahlerfolg in Andalusien rief der damalige Chef der Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias (im Bild), sogar den „antifaschistischen Alarmzustand“ aus. Tatsächlich kann Vox vor allem bei denjenigen punkten, die den früheren Diktator Franco verehren. Vox ist eine nationalistische Partei, die einem politischen Autoritarismus huldigt. Der Kern ihres Programms ist die Einheit Spaniens, die sie durch katalanischen und baskischen Nationalismus gefährdet sieht. Sie lehnt den Feminismus ab und nimmt sich die Regierungen in Ungarn, Schweden und Italien zum Vorbild.  © Atilano Garcia/Imago
Spanien-Wahl 2023: Podemos-Chefin Ione Belarra
Unterdessen gehen die linken Parteien nach den jüngsten Wahlpleiten vereint in die vorgezogene Parlamentswahl am 23. Juli. „Wir haben die größte politische fortschrittliche Vereinbarung erzielt, um bei den Wahlen anzutreten“, schrieb die neue Bewegung Sumar im Juni auf Twitter. Mit dabei ist auch die Partei Podemos, die mit Regierungschef Sánchez ein Regierungsbündnis bildet. Trotz aller Differenzen werde man gemeinsam ins Rennen gehen, sagte Podemos-Chefin Ione Belarra (Mitte): „Die Entscheidung ist gefallen“. Die kommunistisch orientierte Izquierda Unida (IU/Vereinigte Linke) schloss sich ebenfalls der Wahlallianz an. Zuvor hatten bereits mehrere regionale Linksparteien ihre Bereitschaft bekundet, zusammen mit Sumar anzutreten. © Oscar Gonzalez/Imago
Spanien-Wahl 2023: Arbeitsministerin Yolanda Díaz
Die Einheit der Parteien links der sozialistischen PSOE ist für Sánchez entscheidend dafür, ob er auf einen Verbleib im Regierungsamt hoffen kann. Angeführt wird das linke Bündnis von der derzeitigen Arbeitsministerin Yolanda Díaz (im Bild). Mit dem erklärten Ziel, die gesamte Linke endgültig zu vereinen und zu stärken, hatte sie im Jahr 2022 Sumar gegründet. Diaz, die auf dem Podemos-Ticket ins Regierungskabinett kam, ist seit vielen Jahren Mitglied der kommunistischen Partei. Kommunistin zu sein, bedeute, „die Gleichheit zwischen allen Menschen zu garantieren“, sagte sie in einem Fernsehinterview.  © Javier Soriano/afp
Spanien-Wahl 2023: Luxus und Reichensteuer
Diaz hat vor der Parlamentswahl in Spanien die dauerhafte Einführung der ursprünglich nur für zwei Jahre beschlossenen „Reichensteuer“ gefordert. Zudem sprach sie sich für eine stärkere Besteuerung der größeren Unternehmen aus. Es gehe nicht um Steuererhöhungen, sondern um eine „umfassende Reform des spanischen Steuersystems“ - und um Gerechtigkeit. „Es geht nicht, dass ein Friseurladen 17,5 Prozent (Steuern) zahlt und ein großer Konzern 3,5. Wer mehr hat, soll auch mehr beitragen“, forderte sie. Die sogenannte Vorübergehende Solidaritätssteuer war zur Eindämmung der Folgen des Ukraine-Kriegs und der hohen Inflation beschlossen worden. Sie wird 2023 und 2024 bei Vermögen ab einer Höhe von mehr als drei Millionen Euro erhoben. © Jorge Guerrero/afp
Spanien-Wahl 2023: Gleichstellungsministerin Irene Montero 
Die Linke in Spanien hat auch andere Erfolge vorzuweisen. So ist Spanien das erste Land in Europa, in dem Frauen „menstruationsfrei“ machen dürfen. Das Gesetz über Sexual- und Reproduktionsgesundheit ermöglicht unter anderem das Fernbleiben von der Arbeit bei Regelbeschwerden. Auch Abtreibungen sowie die Änderung des Geschlechtseintrags von Transmenschen sind nun leichter. Gleichstellungsministerin Irene Montero (Mitte) sprach nach der Parlamentsabstimmung im Februar von einem „historischen Tag für die Förderung der feministischen Rechte“. Besonders ungewöhnlich ist aber der „Menstruationsurlaub“. Eine vergleichbare Regelung gibt es auch in Deutschland nicht. Die Kosten werden vom Staat übernommen. © Atilano Garcia/Imago
Spanien-Wahl 2023: Wahlkabine in Madrid
Welche Auswirkungen der Wahltermin auf die Wahlbeteiligung haben wird, kann niemand genau sagen. Einerseits haben Spaniens Wahlberechtigte bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai deutlich gemacht, dass sie eine Veränderung möchten, andererseits hat seit 1976 noch niemals so eine wichtige Wahl in Spanien mitten in den Sommerferien stattgefunden. Zusätzlich fällt der 23. Juli auf ein Wochenende, das in vier Regionen mit anderen Feiertagen verknüpft ist. © Oscar del Pozo/afp

Mit der deutschen AfD teilt Vox nicht nur das Gründungsjahr 2013. Wie die AfD profitierte sie von der Auflösung der politischen Hegemonie zweier Volksparteien, der konservativen PP und der sozialdemokratischen PSOE. Und ähnlich wie die AfD fungiert Vox als Sammelbecken für Rechtsradikale unterschiedlichster Prägung - und hat damit Erfolg. War die Partei in den ersten Jahren nur eine unbedeutende Splitterpartei, erzielte sie seit 2018 auf regionaler Ebene politische Erfolge und zog 2019 sogar als drittstärkste Kraft in das nationale Parlament ein.

Vox: „Zwei Teile Nationalismus, zwei Teile Antifeminismus“

Vox ist der spanische Ausläufer der rechtspopulistischen Erfolgswelle, die seit einiger Zeit Europa erfasst hat. Ihre Schwesterparteien sind neben der AfD in Deutschland etwa die Fratelli d‘Italia in Italia, der Fidesz in Ungarn und die PiS-Partei in Polen. Ähnlich wie diese rückt auch Vox den Antifeminismus und Queerfeindlichkeit in den Mittelpunkt ihrer Agenda, der von einem spezifisch spanischen Nationalismus geprägt ist.

Traditionelle Werte und die Ablehnung all dessen, was von der heteronormativen Familie abweicht, gehören neben dem Kampf gegen regionale Partikularismen wie die katalanische Unabhängigkeitsbewegung zum Markenkern von Vox. Kurz nach deren Gründung benannte die liberale Tageszeitung El Confidencial die vier ideologischen Stützpfeiler der Partei: die Einheit Spaniens und damit die Ablehnung regionaler Autonomie; ein konsequentes Nein zu Verhandlungen mit der baskischen ETA; der Schutz der Familie; die Ablehnung von Abtreibungen. „Zwei Teile Nationalismus, zwei Teile Antifeminismus“, schreibt dazu das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie (GWI).

Spanien-Wahl: Vox führt einen „Kulturkampf gegen die Progressiven“

Der Antifeminismus von Vox zeigt sich unter anderem in der Ablehnung der Idee, es gebe so etwas wie geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen. Die gesamte feministische Weltsicht, die auf historisch weit zurückreichende Geschlechterungerechtigkeiten verweist, halten die spanischen Rechtsradikalen für einen Mythos und eine Erfindung der Linken. Das „Gesetz gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ von 2004 lehnen sie entsprechend ab. Die Argumentation folgt den üblichen neurechten Mustern: Begriffe werden umgedeutet, Täter-Opfer-Verhältnisse umgekehrt.

Santiago Abascal, Vorsitzender der rechtsextremen Vox-Partei, will die Uhren in Spanien zurückdrehen (Foto vom Juni 2022).

Das Gesetz verstoße gegen die Verfassung, da es Frauen bevorzuge und mehr schütze als Männer. Außerdem sei es nur ein Vorwand für feministische NGOs, öffentliche Gelder zu erhalten, zitiert Spiegel Online in einem Artikel von 2019 einen jungen Vox-Anhänger, der eine Parteiveranstaltung im Vorfeld der damaligen Parlamentswahlen besuchte. Die meist männlichen Zuhörer wurden dort aufgefordert, „einen Kulturkampf gegen die Progressiven zu führen“.

Vox solidarisiert sich mit Vergewaltigern

Diesen Kulturkampf führt Vox konsequent durch. Um Gewalt gegen Frauen unsichtbar zu machen, spricht die Partei von „intrafamiliärer Gewalt“. Männer sollen nicht als überdurchschnittlich häufige Täter, Frauen nicht als überdurchschnittlich häufige Opfer markiert werden. Entsprechende plädiert Vox für ein „Gesetz gegen familiäre Gewalt“, mit dem sich um alle Opfer von Gewalt gleichermaßen gekümmert werden soll. „Wenn aber mit diesem Argument Ressourcen von ohnehin unterfinanzierten Frauenhäusern abgezogen werden sollen, offenbart sich der misogyne Kern der Forderungen“, schreibt dazu das GWI.

Zugleich fordert die Rechtsaußenpartei eine „effektive Strafverfolgung“ falscher Beschuldigungen nach sexuellen Übergriffen - und suggeriert damit, Frauen würden Männer gezielt zu Unrecht beschuldigen. Tatsächlich waren im Zeitraum von 2009 bis 2016 laut staatlicher Stellen nur 0,01 Prozent der Anzeigen ungerechtfertigt, wie die Zeitung El Mundo berichtete.

Der Hass auf den Feminismus ist in der Partei dermaßen groß, dass sich ihre Spitzenvertreter sogar offen mit Vergewaltigern solidarisieren. Als 2016 im nordspanischen Pamplona fünf Männer eine 18-Jährige vergewaltigt hatten und das anfängliche Urteil nach großen Protesten in der nächsten Instanz verschärft worden war, solidarisierte sich der Spitzenkandidat von Vox in Andalusien mit den Vergewaltigern. Das zweite Urteil sei vom vorherrschenden feministischen Mob diktiert worden, gibt Spiegel Online ihn wieder. Die Täter von Pamplona nannten ihre WhatsApp-Gruppe „Das Rudel“.

Spanien-Wahl: „Eine Stimme für Vox ist eine Stimme für Franco“

Wo Vox Möglichkeiten gewinnt, auf die Politik Einfluss zu nehmen, werden Regenbogenflaggen von Rathäusern abgehängt und öffentliche Gelder für Gleichstellungsmaßnahmen gekürzt. In Gemeinden, in denen sie mitregiert - laut Frankfurter Allgemeine Zeitung ist das mittlerweile in 26 Städten mit mehr als 30.000 Einwohnern der Fall -, werden sogar unliebsame Filme und Theaterstücke abgesetzt. Zuletzt traf es den Pixar-Film „Lightyear“ - weil dort zwei sich küssende Frauen zusehen sind. Den Kampf gegen die „Gender-Ideologie“ hat sich auch Vox auf die Fahnen geschrieben.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez (PSOE) und Herausforderer Alberto Núñez Feijóo (PP) beim TV-Duell vom 10. Juli. Feijóo hat eine Koalition mit der rechtsextremen Vox-Partei nicht ausgeschlossen.

Die Angst geht um unter Spaniens progressiv eingestellten Bevölkerungsteilen, was passieren könnte, sollten die Konservativen von der PP nach der Spanien-Wahl tatsächlich ein Bündnis mit der rechtsextremen Vox-Partei eingehen. Auf Landesebene gibt es ein solches Mitte-Rechts-Bündnis bereits in drei spanischen Regionen. PP-Chef Feijóo hat eine Koalition mit Vox nicht ausgeschlossen, auch wenn er kein Freund dieses Szenarios ist. Dass er aber aus moralischen Gründen auf diese Machtoption verzichtet, gilt als praktisch ausgeschlossen.

Die politische Parole „España primero“ („Spanien zuerst“), die auf Zentralisierung und Hispanisierung abzielt, hat Vox wieder salonfähig gemacht. Zuvor hatte sie nur noch franquistische Kleinstparteien verwendet. Die nach wie vor kaum aufgearbeitete Franco-Vergangenheit und die, die ihr noch immer hinterhertrauern, haben in der Vox-Partei eine neue politische Heimat gefunden. Die Tageszeitung El Pais, eines der einflussreichsten Medien des Landes, kommentierte Anfang Juli die Diskussion um Vox sehr eindeutig: „Eine Stimme für Vox ist eine Stimme für Franco.“ (Robert Wagner)

Nicht nur die Progressiven in Spanien schauen besorgt auf die drohende Regierungsbeteiligung von Vox: Auch für die EU hätte der Rechtsruck in Spanien Folgen. In unserem Live-Ticker können Sie alle aktuellen Entwicklungen, Hochrechnungen und Ergebnisse der Spanien-Wahl verfolgen.

Rubriklistenbild: © Eduardo Parra/dpa

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