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„Europa der Vaterländer“
Nach „Versehen“ im Leitantrag: AfD stellt radikale EU-Forderung
In den kommenden Wochen stimmt die AfD über das Programm zur Europawahl ab. Was wollen die Rechtspopulisten in der EU erreichen?
Magdeburg – „Unsere Geduld mit der EU ist erschöpft“, heißt es im Leitantrag für das EU-Wahlprogramm der AfD. „Wir streben daher die geordnete Auflösung der EU an.“ Dass die Rechtsaußen die Europäische Union kritisch sehen, ist nicht neu, die Ablehnung scheint sich in den vergangenen Monaten aber verstärkt zu haben. Dementsprechend sorgte die Formulierung im Leitantrag für Aufsehen. Inzwischen ist die Partei jedoch zurückgerudert. Die Forderung nach der EU-Auflösung sei ein „redaktionelles Versehen“, erklärte ein Sprecher gegenüber IPPEN.MEDIA.
Beim AfD-Bundesparteitag in Magdeburg, der am Freitag, 28. Juli startet, sowie der fünftägigen Europawahlversammlung an den kommenden beiden Wochenenden stimmen die Delegierten trotzdem über die Formulierung ab. Obwohl die Parteiführung zwar davon abgerückt sei, habe sie aus „Fristgründen“ nicht mehr geändert werden können, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.
AfD fordert im EU-Wahlprogramm eine Neugründung der Staatengemeinschaft
Unabhängig von der kompletten Auflösung der EU sieht das AfD-Programm teils radikale Pläne für die Staatengemeinschaft vor. Die AfD stellt darin Grundprinzipien der EU wie die gemeinsame Währung und Freizügigkeit infrage. Die Gemeinschaft ist aus Sicht der Rechtsradikalen nicht reformierbar. An anderer Stelle wird eine Art Neugründung gefordert: „Wir wollen eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen, einen Bund europäischer Nationen.“ Bereits länger spricht die Partei von einem „Europa der Vaterländer“.
Die AfD wähnt die EU auf dem Weg hin zu einem europäischen Bundesstaat, was offenbar der völkischen Vorstellung der Partei widerspricht. Das zumindest lassen Einschätzungen wie diese aus der Vorlage des Programmes für die Europawahl 2024 vermuten: „Ein solches Gebilde verfügt weder über ein Staatsvolk, noch über das erforderliche Mindestmaß an kultureller Identität, welche notwendige Voraussetzungen für gelingende Staaten sind“.
EU-Parlament soll abgeschafft werden – fordert AfD im Leitantrag zum Wahlprogramm
Grundsätzlich sieht die AfD die EU als undemokratisch an. Sie begründet das mit der Wahl des Europäischen Parlaments. Es ist faktisch die einzige direkt gewählte Institution der EU. Die AfD bezeichnet das Parlament jedoch pauschal als undemokratisch, weil es nach dem Prinzip der degressiven Proportionalität gewählt werde. Bedeutet: Grundsätzlich stellen Mitgliedsstaaten entsprechend ihrer Bevölkerungszahl Abgeordnete. Es gibt jedoch eine Mindestanzahl von sechs Vertreterinnen und Vertretern und eine Obergrenze von 96. Dadurch repräsentiert ein Abgeordneter eines kleinen Staates viel weniger Menschen als etwa einer aus Deutschland. Die Stimme eines Wählers in einem kleinen Staat hat dadurch mehr Gewicht.
Die AfD will das EU-Parlament deshalb auflösen und Kompetenzen „bis zu einer Neuordnung der Verhältnisse“ an die Nationalstaaten übertragen. Wie genau die neuen Verhältnisse aussehen sollen, beschreiben die Rechtsradikalen nicht. Allgemein fordert die AfD jedoch Volksabstimmungen über Grundsatzfragen der EU, auch über einen deutschen Austritt.
AfD wähnt EU als von „globalistisch eingestellten Eliten“ gelenkt und macht Migration für Antisemitismus verantwortlich
Im Leitantrag für das AfD-Programm zur Europawahl im Juni 2024 zeichnen die Rechtsaußen ein Bild der EU, die von „globalistisch eingestellten Eliten“ gelenkt werde. Damit greift die AfD ein typisches rechtes Feindbild auf, das den Konflikt zwischen „globalen Eliten“ und „einfachen Bürgern“ oder dem „Volk“ beschwört.
Neben „Eliten“ arbeitet sich die AfD am Islam ab. Dieser sei eine Gefahr für Europa und „mit den europäischen Grundprinzipien von Recht, Freiheit und Demokratie nicht in Einklang zu bringen“. Die Rechtspopulisten machen Zuwanderung aus islamischen Ländern auch für steigenden Antisemitismus in Europa verantwortlich. „Die romantisierende Verklärung von Zuwanderung verstellt oftmals den Blick auf den neu in Erscheinung tretenden Antisemitismus in Europa, der seine Wurzeln im Islam hat“, heißt es im Leitantrag.
AfD-Wahlprogramm zur Europawahl sieht geschlossene Grenzen vor
Im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik fordert die AfD eine massive Beschränkung und will dazu Maßnahmen wie zusätzliches Personal an den Grenzen und „physische Barrieren“ an den EU-Außengrenzen bauen. Dort sollen Staaten auch ihr Militär einsetzen können. Grundsätzlich fordern sie mehr Selbstbestimmung der Mitgliedsstaaten. Asylverfahren sollen in Drittstaaten durchgeführt werden, wie es beispielsweise Großbritannien im Ruanda versucht hat, ehe ein Gericht das Verfahren als rechtswidrig verurteilt hat.
Auch innerhalb der EU will die AfD Grenzen stärken. Das durch das Schengen-Abkommen geschaffene „grenzenlose Europa“ stelle zunehmend eine Gefahr für die innere Sicherheit dar, behaupten die Rechtsaußen im Antrag ihres EU-Programms. Die AfD fordert deshalb mehr Grenzkontrollen sowie eine grundsätzliche Reform des Schengen-Abkommens.
Auch die Freizügigkeit für EU-Bürger soll eingeschränkt werden. Das meint das Recht, ohne Visum in andere Mitgliedsstaaten der EU zu ziehen und sich nahezu ohne Beschränkungen dort aufzuhalten und dort zu arbeiten. Die AfD behauptet, dass dadurch Armutszuwanderung aus armen in reiche EU-Staaten zunehme und will deshalb bestehende Regeln verschärfen.
AfD will nichts gegen Klimawandel unternehmen und warnt vor „Dystopie eines ökosozialistischen Umverteilungsstaates“
Zusätzlich leugnet die AfD den menschengemachten Klimawandel und lehnt Maßnahmen dagegen ab. „Wir teilen die irrationale CO2-Hysterie nicht, die unsere Gesellschaft, Kultur und Lebensweise strukturell zerstört“, heißt es im Programm. Das Klima habe sich seit dem Bestehen der Erde stets gewandelt. „Die jetzigen klimatischen Veränderungen ordnen sich vollkommen normal in diese Wechsel ein.“ Geplante Maßnahmen der EU zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes sieht die AfD als „Dystopie eines ökosozialistischen Brüsseler Haftungs- und Umverteilungsstaat“.
Außenpolitisch fordert die AfD im Leitantrag zum EU-Programm eine größere Distanz zu den USA, deren Interessen sich in „zunehmendem Maße“ von denen Deutschlands unterscheiden. „Deutschland und Europa dürfen sich nicht zu Gefolgsleuten einer Großmacht reduzieren lassen.“
Die AfD-Spitze im Wandel der Zeit: von Bernd Lucke bis Alice Weidel
Deutschland solle außerdem aus dem Euro als gemeinsamer Währung aussteigen, erklärt die AfD. Der Euro sei als gemeinsame Währung unterschiedlich leistungsstarker Volkswirtschaften eine Fehlkonstruktion. Die Idee sei „gescheitert“. Die ursprüngliche Gründungsidee der AfD, der Ausstieg aus dem Euro, findet sich also zehn Jahre nach Gründung und einigen Radikalisierungsschritten weiterhin im Wahlprogramm der Rechtsaußen. (ms/afp)