Perfide Sprache
AfD und Rechtsextreme im Aufwind: Warum die Verwendung eines Wortes gefährlich ist
Die Macht der Sprache kann groß sein. Rechtsextreme wissen das und deuten bekannte Wörter kurzerhand um. Wer nicht aufpasst, hilft ihnen dabei auch noch.
Berlin – Sprache formt das Denken, sagen Linguisten. Die Theorie dahinter: Die Art, wie wir sprechen, beeinflusst unser Weltbild. Rechtsextremisten machen sich das gerade offenbar zunutze, sagt Johannes Hillje. Der Politikberater erforscht unter anderem die Kommunikationsformen von Extremisten – und die gehen dabei oft perfide vor.
AfD-Geheimtreffen: Positiver PR-Effekt für Rechtsextremisten
So versucht etwa die AfD, aus den jüngsten Enthüllungen über ein Geheimtreffen in Potsdam Vorteile zu ziehen. „Für die AfD können die Berichte über das Geheimtreffen auch einen positiven PR-Effekt haben, wenn etwa umgedeutete Begriffe wie ‚Remigration‘ nicht angemessen übersetzt werden“, sagt Johannes Hillje im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Unter dem Schlagwort „Remigration“ hatten in Potsdam Neonazis, Unternehmer und AfD-Mitglieder über die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland diskutiert: Asylbewerber, Menschen mit Migrationshintergrund, Ausländer mit Bleiberecht und alle „nicht assimilierten Staatsbürger“, was zum Beispiel auch politisch Andersdenkende umfassen könnte. Ein Plan, der bislang undenkbar war – über den jetzt aber geredet wird, zusammengefasst im Wörtchen „Remigration“. Was zurecht unsagbar war, ist jetzt auf einmal Thema.
AfD-Umdeutung: „Remigration“ heißt eigentlich etwas ganz anderes
Johannes Hillje sieht hinter dem Vorgang eiskaltes Kalkül: „Es nutzt der AfD, wenn sie in einem Satz mit einem wissenschaftlichen Begriff wie Remigration genannt wird. Dabei hat die Partei das Wort umgedeutet und mit einer radikaleren Bedeutung aufgeladen.“
Denn eigentlich bedeutet der Begriff, der aus der Migrationsforschung stammt, etwas ganz anderes. „In der Wissenschaft heißt Remigration auch freiwillige Rückkehr in ein Herkunftsland“, erklärt Hillje. Und das bezieht sich nur auf die Biografie einer einzelnen Person und meint zum Beispiel nicht eine Rückwanderung in Herkunftsgebiete von Vorfahren. Wer zum Beispiel in zweiter Generation in Deutschland lebt, und in das Heimatland seiner Eltern auswandert, auf den trifft das Wort nicht zu. „Was die AfD meint, würde man wissenschaftlich Deportation oder Abschiebung nennen“, stellt Politologe Hillje klar.
Kampfbegriffe übersetzen, sonst „spielt das der AfD in die Karten“
Häufig werde der von den Rechtsextremen umgedeutete Begriff in der Berichterstattung unkritisch übernommen: „Wenn solche Euphemismen nicht übersetzt werden und man nicht klar sagt, was sie eigentlich bedeuten, dann spielt das der AfD in die Karten“, so Hillje. Und erlaubt es der Partei, rechte Kampfbegriffe zu verharmlosen und Tabus zu brechen. So hatte zuletzt etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion Bernd Baumann „Remigration“ ein „vernünftiges Wort“ genannt. „Die AfD sendet Doppelbotschaften. Sie beschwichtigt zwar, distanziert sich aber nicht politisch. So will man einerseits in der Mitte anschlussfähig sein, andererseits aber der Kernwählerschaft sagen: Ja, genau für diese rechtsextremen Positionen stehen wir“, sagt Johannes Hillje.
Debatte über AfD-Verbot
Derweil wird der Protest gegen die AfD lauter, Zehntausende demonstrierten in mehreren Städten gegen die Partei. Die Sorge, eine rechtsextreme AfD könnte in eine Landesregierung einziehen, treibt viele Menschen um. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg sind 2024 Landtagswahlen – und in allen drei Ländern wäre die AfD mit jeweils über 30 Prozent laut jüngsten Umfragen aktuell stärkste Kraft. Am Donnerstag ist die Causa AfD-Geheimtreffen Thema einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Zuletzt gab es Forderungen nach einem Parteiverbot. Das finden nicht alle sinnvoll. Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte jüngst gegenüber IPPEN.MEDIA zum Thema AfD-Verbot : „Ein Verbotsverfahren ist langwierig und der Erfolg keinesfalls sicher. Dass ein solches Verfahren bis zu den Landtagswahlen in Ostdeutschland in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen sein könnte, ist schlicht illusorisch.“
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