Trotz drohender Folter für Betroffene
Abschiebungen nach Afghanistan: Rhein fordert von Scholz einen Deal mit den Taliban
Nach der Mannheimer Messerattacke sollen Abschiebungen nach Afghanistan möglich sein. Hessens Ministerpräsident will dafür mit den Taliban reden.
Wiesbaden - Hessens Ministerpräsident Boris Rhein hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, für Abschiebungen von Schwerstkriminellen Verhandlungen mit den in Afghanistan herrschenden Taliban aufzunehmen. „Ich will es mal ganz generell sagen, wer in dieses Land kommt, weil dieses Land Werte hat, weil dieses Land Frieden hat, weil dieses Land Freiheit hat, weil es ein Rechtsstaat ist und am Ende all das beschädigt, all das gefährdet durch eine solche Tat, der muss dieses Land auch wieder verlassen, egal wohin, ob das Syrien ist oder ob das Afghanistan ist. Und ganz ehrlich, ja, natürlich muss man dann mit denen, die vor Ort das Sagen haben, reden, dass sie ihre Leute zurücknehmen“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag dem Portal The Pioneer.
Abschiebung nach Afghanistan: Scholz soll Kontakt mit Taliban aufnehmen – fordert Boris Rhein
Damit nimmt die Debatte um mögliche Abschiebungen nach Afghanistan Fahrt auf. Zuvor hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bereits von Kanzler Olaf Scholz (SPD) verlangt, Kontakt mit den Taliban aufzunehmen. Er teile Wüsts Position „eins zu eins“, sagte Rhein. Man führe bereits in anderen Fragen Gespräche mit den Taliban. „Deswegen leuchtet mir nicht ein, dass man daraus eine solche Debatte macht, wir würden damit die Taliban stärken“, sagte der hessische Ministerpräsident.
Debatte um Abschiebung: Taliban soll bei Aufnahme Geld bekommen
Nach der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim hatte Scholz angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen zu wollen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) prüft das derzeit. Auf die Frage, ob ein mögliches Rückführungsabkommen an die Taliban mit Zahlungen einhergehen könnte, antwortete Rhein: „Natürlich müssen wir dann auch Geld in die Hand nehmen, um das umzusetzen, was wir hier wollen. Ich finde, dass das durchaus vertretbar ist.“
Kritiker warnen vor Verhandlungen mit den islamistischen Taliban, da diese nicht anerkannt werden dürften. Außerdem besteht die Sorge, dass über einen Abschiebungsdeal auch Geld fließen und dann in den Aufbau von neuen Terrornetzwerken investiert werden könnte. Die Taliban hatten sich zuletzt angesichts der Abschiebungsdebatte offen für eine Zusammenarbeit gezeigt.
Kritik an Plan zur Abschiebung: Betroffenen droht Folter in Afghanistan
Abschiebungen in Länder wie Afghanistan halten Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl für falsch. „Niemand darf abgeschoben werden, wenn nach der Abschiebung Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Das ergibt sich aus dem absoluten Folterverbot, das unter anderem in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta normiert ist. Dieses Verbot ist absolut und gilt uneingeschränkt für alle Menschen – auch für Personen, die Straftaten begangen haben. Ihre Strafen müssen sie in Deutschland verbüßen“, heißt es in einer Erklärung der Menschenrechtsorganisation. Seit der Machtübernahme der islamistischen Taliban im August 2021 sei die menschenrechtliche und humanitäre Situation im Land aktuell katastrophaler denn je.
„Laut Berichten von internationalen Organisationen und den Vereinten Nationen haben die De-facto-Behörden der Taliban schwere Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche Tötungen, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, Folter und andere Formen der Misshandlung begangen“, heißt es in der Erklärung von Pro Asyl weiter. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fordere von allen Staaten, keine Abschiebungen in das Land durchzuführen. (erpe/dpa)
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