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Analyse

Experten-Diagnose: Ampel wegen Haushalts-Streit „nicht klinisch tot, aber bereits auf dem Totenbett“

Auf einmal fehlen sie: 60 Milliarden Euro. Damit kochen alte parteipolitische Streitigkeiten in der Ampel hoch. Die größten Kontrahenten: Grüne und FDP.

Berlin – Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsplanung wird die Ampel-Koalition auf eine harte Beziehungsprobe gestellt. „Es ist eine Koalition, die schlagartig ohne Geschäftsgrundlage dasteht“, sagt Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur der Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“. „Die 60 Milliarden waren der große Ermöglicher, um zwei völlig gegensätzliche Staatsverständnisse zusammenzubringen“, sagt von Lucke gegenüber Ippen.Media. Geld, um FDP und Grüne irgendwie zusammenzubringen. Doch dieses Konstrukt droht zu zerfallen.

Mit dem neuen Haushaltsstreit nimmt die FDP plötzlich einen neuen Rang in der Koalition ein. „Der Kanzler hat sich bislang sehr oft auf die Seite der FDP geschlagen, doch jetzt erleben wir genau das Gegenteil – die SPD ist klar auf Seiten der Grünen“, sagt von Lucke. Die Ampel muss sich jetzt bei allen großen Fragen wie Schuldenbremse, Steuern und Klimaschutz neu zusammenraufen – und das mitten in der Legislaturperiode. Das omnipräsente Thema ist nun: Wo kommt das fehlende Geld her?

Grüne und FDP prallen mit ihren unterschiedlichen Staatsverständnissen aufeinander

Als Lösung auf diese Frage bringen die Grünen eine Lockerung der Schuldenbremse ins Spiel. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält die deutsche Schuldenbremse nämlich so wie sie konstruiert ist, „für wenig intelligent“ und „sehr statisch“.

Doch für die FDP widerspricht das dem liberalen Kern und ist ein klares Tabu. Das Staats- und Wirtschaftsverständnis der FDP laute: keine Schulden machen, Schuldenbremse einhalten und keine Steuererhöhungen, erklärt von Lucke. Demgegenüber stehe das Staatsverständnis der Grünen: Aus Gründen der Zukunftsverantwortung und der sozialen und ökologischen Transformation benötige es einen unternehmerischen Staat, der dafür auch Schulden machen muss. „Ich sehe nicht, welche der beiden Parteien überhaupt in der Lage ist, da grundsätzlich nachzugeben“, sagt der Politikwissenschaftler.

Rückendeckung bekommen die Grünen in puncto Schuldenbremse von der SPD. Fraktionschef Rolf Mützenich sieht eine Ausnahmeregelung für 2024 – womöglich auch länger – für unumgänglich.

Politikwissenschaftler: FDP geht es um Glaubwürdigkeit und die Fünf-Prozent-Hürde

Aus der FDP kommt dagegen der Vorschlag bei den Sozialleistungen mit dem Rotstift anzusetzen. Es müsse darüber geredet werden, „wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten kann“, fordert FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Doch für die Sozialdemokraten ist das wiederum ein rotes Tuch. Um das Bürgergeld etwa, dem Prestige-Projekt der SPD, hat die Partei monatelang mit der FDP gerungen. Und auch die Grünen lehnen Kürzungen bei den Sozialleistungen ab. Denn so könnte zum Beispiel die Kindergrundsicherung, ein Vorhaben der grünen Bundesfamilienministerin Lisa Paus ebenfalls auf der Kippe stehen.

Die FDP wiederum muss beim Thema Steuern einstecken. Fraktionschef Dürr erklärt, dass es mit der FDP keine Erhöhungen geben wird. Bei Anpassung der Gastro-Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner seinen beiden Koalitionspartnern bereits vorgeworfen, dass eine Ausnahmeregelung durchaus möglich gewesen wäre. „Vor allem die FDP läuft Gefahr, dass – wenn sie Konzessionen macht – dies noch mehr an ihrer Glaubwürdigkeit zehrt und sie dann unter die Fünf-Prozent-Marke fällt“, erklärt von Lucke.

Von Lucke: „Das Einzige, was sie zusammenhält, ist der Kitt der Macht“

All das zehrt an dem Bündnis. In aktuellen Umfragen kommt die Ampel-Koalition längst nicht mehr auf eine regierungsfähige Mehrheit. „Alle drei Parteien wissen: Das Einzige, was sie zusammenhält, ist der Kitt der Macht“, sagt von Lucke. Denn sie alle drei würden bei Neuwahlen massiv verlieren. Laut dem aktuellen RTL/ntv Trendbarometer kommt die SPD auf 15, die Grüne 14 und FDP auf fünf Prozent. Stärkste Kraft bleibt demnach die Union mit 30 Prozent. Baldige Neuwahlen hält von Lucke „für sehr gut möglich“.

Ist das nun das Ende der Ampel? „Klinisch tot ist die Ampel nicht, aber sie liegt in gewisser Weise bereits auf dem Totenbett“, resümiert von Lucke. „Die Frage lautet, ob sie noch einmal eine Auferstehung erlebt.“ Für eine solche Auferstehung müsse das Bündnis laut Lucke eine zentrale Frage klären: „Wie kann in einer solchen historischen Polykrise mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Möglichkeit umgegangen werden, die Schuldenbremse in Notfällen auszusetzen?“ Dafür muss die Ampel bald eine Lösung finden. „Wenn das noch zwei Jahre so weiter geht, ist das ein enormes Wachstumsprogramm für die AfD.“ In der aktuellen Umfrage ist sie mit 21 Prozent bereits zweitstärkste Kraft.

Rubriklistenbild: © Kay Nietfeld/dpa

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