Kündigung auf TikTok
Mitarbeiter stellen Entlassung online: Was das in Deutschland für Folgen haben könnte
In einem TikTok-Trend nehmen Mitarbeiter ihre Kündigungsgespräche auf und stellen sie online. In Deutschland könnte das weitreichende Folgen nach sich ziehen.
Anfang 2024 ging auf der Plattform TikTok ein Video viral. Darin zu sehen ist eine junge Frau, die sichtlich nervös an ihrem Computer sitzt. Was folgt, ist ein neunminütiges Kündigungsgespräch – per Videocall. Die Frau heißt Brittany Pietsch und war Mitarbeiterin des Tech-Unternehmes „Cloudflare“ mit Sitz in San Francisco, Kalifornien. In den Untertiteln des Videos berichtet sie, dass ihre Kollegen den ganzen Tag über unerwartete Einladungen zu 15-minütigen Anrufen erhalten hätten. Ihre beste Freundin sei nur 30 Minuten zuvor entlassen worden. Brittany ahnt, was ihr bevorsteht – und schneidet das Gespräch mit.
Live Quitting: Mitarbeiter stellen Entlassungsgespräch auf TikTok online
Das Video schlägt auf TikTok hohe Wellen und sorgt für Nachahmer. Unter dem Hashtag #layoffs posten zahlreiche Nutzer Mitschnitte ihres Entlassungsgesprächs. Im letzten Jahr gab es bereits ähnliche Videos auf der Plattform. „Live Quitting“ nennt sich der Trend aus den USA, in dem Mitarbeiter sich dabei filmen, wie sie ihre Jobs kündigen.
In den Kommentaren unter dem Video sprechen viele Nutzer Brittany ihre Unterstützung aus. Positiv beurteilen die Menschen vor allem, dass sie sich verteidigt. Weil sie bereits wusste, was passieren würde, war sie vorbereitet und geht im Gespräch in die Offensive. „Ich wollte für mich selbst einstehen, denn was hatte ich zu verlieren?“, schreibt Brittany in den Untertiteln zu dem Video.
@brittanypeachhh Original creator reposting: brittany peach cloudflare layoff. When you know you’re about to get laid off so you film it :) this was traumatizing honestly lmao #cloudflare #techlayoffs #tech #layoff
♬ original sound - Brittany Pietsch
Groß angelegte Massenkündigungen sind in den USA keine Seltenheit. Mehr als 190.000 Beschäftigte sollen 2023 in US-amerikanischen Technologieunternehmen im Rahmen eines massiven Stellenabbaus entlassen worden sein, berichtet crunchbase news. Viele davon kurz nach ihrer Einstellung.
Veröffentlichung eines Kündigungsgespräches: Was das in Deutschland für Konsequenzen hätte
Auch in Deutschland bauten Anfang 2024 namhafte Unternehmen, wie Europas größter Softwarehersteller SAP, massiv Jobs ab. Videos, in denen Menschen Ihr Kündigungsgespräch mitfilmen, sind in Deutschland aktuell noch nicht bekannt. Das könnte auch schwierig werden. Paragraf 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sieht für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Schriftform vor. Eine mündlich ausgesprochene Kündigung ist daher unwirksam. Was jedoch möglich wäre, ist der Mitschnitt von Mitarbeitergesprächen, in denen die Kündigung kommuniziert wird. Doch was hätte so ein Video in Deutschland für Konsequenzen?
Das Mitschneiden eines vertraulichen Gesprächs stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar und kann als solche auch geahndet werden. Dazu kommt die Veröffentlichung im Internet noch erschwerend hinzu. Strafrechtliche Konsequenzen und Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers können die Folge sein, so die Rechtsanwaltsgesellschaft rightmart in einem Bericht. Im Paragraf 201 des Strafgesetzbuches (StGB) heißt es außerdem, dass die Aufnahme und Verbreitung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder einer Geldstrafe belegt wird.
Für immer im Netz: TikTok-Video könnte weitreichende Folgen haben
Außerdem vergisst das Internet nichts. Steht ein solches Video einmal im Netz, bleibt es für immer dort. Das Video ist somit für jeden zugänglich, auch für potenzielle Arbeitgeber. Personaler führen bei Bewerbungsverfahren manchmal Background-Checks durch. Ein solches Video könnte die Chancen des Bewerbers reduzieren.
Neben womöglich strafrechtlichen Folgen für den Mitarbeiter und Schwierigkeiten bei der zukünftigen Jobsuche könnte ein solches Video für einen massiven Imageschaden des Unternehmens sorgen. Im Fall von Brittany Pietsch ging die Empörung über die Tech-Firma Cloudflare so weit, dass sich CEO Matthew Prince in einem Post auf X – ehemals Twitter – dazu äußerte.
We fired ~40 sales people out of over 1,500 in our go to market org. That’s a normal quarter. When we’re doing performance management right, we can often tell within 3 months or less of a sales hire, even during the holidays, whether they’re going to be successful or not. Sadly,…
— Matthew Prince 🌥 (@eastdakota) January 12, 2024
Darin verteidigt er die Kündigungen der vielen erst kurz ins Unternehmen eingestiegenen Mitarbeiter. Sein Unternehmen könne oft innerhalb von 3 Monaten oder weniger nach der Einstellung eines Vertriebsmitarbeiters sagen, ob er erfolgreich sein wird oder nicht. Gleichzeitig räumt er Fehler seiner HR-Abteilung ein und gibt an, das Ansehen des Videos wäre für ihn schmerzhaft gewesen. Man müsse in Zukunft die Kündigungen freundlicher und menschlicher gestalten.
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