Robert Pötzsch im Interview
„Keinen Schritt weiter“ - Waldkraiburgs Bürgermeister zweifelt, ob Forschungsstandort kommt
Wann geht endlich das geplante Forschungszentrum Waldkraiburg an den Start? Vom jüngsten Besuch des Wissenschaftsministers Markus Blume, der frischen Schwung bringen sollte, ist Bürgermeister Robert Pötzsch wenig begeistert.
Waldkraiburg - Bei seiner Stippvisite in der Hochschulregion Mühldorf mit Fokus Campus Mühldorf machte Bayerns Staatsminister für Wissenschaft und Kunst auch einen Abstecher ins Rathaus Waldkraiburg. Besprochen wurde zusammen mit Vertretern des Zweckverbands Hochschulcampus Mühldorf-Waldkraiburg der aktuelle Planungsstand in Sachen Zentrum für biobasierte Materialien (ZBM), das in Waldkraiburg im Rahmen des Hochschulstandorts der TH Rosenheim eigentlich zügig seine Pforten öffnen soll. Zumindest war dies im Frühjahr 2020 die Marschroute der Politik gewesen, Eile schien geboten. Im Kern soll es um die Forschung an nachhaltigen Kunststoffen, die etwa aus Holz gewonnen werden, gehen. Damit verbunden sind noch nicht abschätzbare Kosten in Millionenhöhe, die die Kommune und der Landkreis stemmen sollen. Bürgermeister Robert Pötzsch erklärt im Interview, warum er am Projekt seine Zweifel hat.
Wie verliefen die Gespräche mit Minister Blume im Rathaus? Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Robert Pötzsch: Ich habe mir mehr versprochen. Die Frage ist doch: Gibt es überhaupt ein Ergebnis? 2016 ist man an uns herangetreten, im Rahmen der Regionalisierungsstrategie des Freistaates einen Hochschulstandort im Landkreis zu entwickeln. Als Mühldorf den Zuschlag erhielt, gab man der Stadt Waldkraiburg die Möglichkeit, ein Forschungszentrum im Rahmen dieses Hochschulstandorts zu entwickeln. Wir wurden damals zu rasanten Entscheidungen ermuntert, um möglichst schnell mit der Forschung zu starten, damit uns kein anderer Forschungsstandort den Rang ablaufen kann. Jetzt sind sechs Jahre vergangen und wir sind keinen Schritt weiter.
Auch nicht nach dem Besuch des Staatsministers?
Pötzsch: Einen kleinen Schritt vielleicht. Es ging schon immer darum, Professuren zu finden, die den Standort entwickeln sollen. Nach mehreren Versuchen, jemand Geeigneten zu finden, hat man nun zwei Persönlichkeiten den Ruf ausgesprochen. Jetzt müssen diese entscheiden, ob sie tatsächlich in Waldkraiburg dieses Projekt umsetzen wollen.
Das klingt doch nach einem handfesten Fortschritt.
Pötzsch: Wir müssen das abwarten. Handfest wird es erst dann, wenn die Professuren hier in Waldkraiburg, gemeinsam mit uns, die Arbeit aufnehmen. Es gab den Auftrag an die Stadt, in die Planungen einzusteigen und die „Hülle“, das Gebäude, zur Verfügung zu stellen. Bewegt Euch, war die Devise. Der fehlende Schlüssel war und ist jedoch die fehlende Professur! Ohne diese Fachexpertise ist es unmöglich, in die Planungen zu starten.
ZBM vergleichbar mit Schlüsselindustrien? Das sagt Landrat Max Heimerl zum Potenzial:
Als „Riesentechnologieschub für den Landkreis“ hatte vor wenigen Jahren Ministerpräsident Markus Söder das ZBM bezeichnet. An der Einschätzung, dass wir es mit einem zukunftsweisenden Thema zu tun haben, habe sich auch heute nichts geändert, beteuert Mühldorfs Landrat Max Heimerl, der auch Vorsitzender des Zweckverbands Hochschulcampus Mühldorf-Waldkraiburg ist, auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen. Und weiter: „Die Entwicklung nachhaltiger Stoffe birgt insbesondere mit Blick auf den Ersatz von herkömmlichen Materialien aus Kunststoff riesiges Potenzial. Wer in diesem Wachstumsmarkt heute die richtigen Weichen stellt, schafft zugleich einen Vorteil für die heimische Wirtschaft. Im Landkreis Mühldorf sind zahlreiche Unternehmen angesiedelt, die nicht nur die Forschung unterstützen können, sondern auch von der weiteren Entwicklung profitieren werden.“
Fühlen Sie sich allein gelassen?
Pötzsch: Was den aufgebauten Druck angeht, möglichst schnell aktiv zu werden, schon. Andererseits hat man uns ebenso klar kommuniziert, dass man uns ohne die Professuren keine Informationen geben könne. Positiv ist, dass sich Markus Blume klar zum Standort Waldkraiburg bekannt hat.
Weiteres Fachpersonal zu finden, ist ein nächster wichtiger Schritt. Gibt es hier Konkretes zu sagen?
Pötzsch: Wir stochern weiter im Nebel. Wir wissen nicht, wie groß das Forschungszentrum werden wird und wir wissen nicht, welche Stellen damit verknüpft sind. Wir wissen nur, dass wir als Sach-Aufwandsträger für das Gebäude zuständig sind und Partner in Gewerbe und Industrie finden müssen, die die Forschung in Anspruch nehmen. Es haben schon vereinzelt Gespräche mit der Industrie stattgefunden. In der Regel betreiben diese Firmen zwar eigene Forschung und Entwicklung. Es besteht jedoch die Chance, Industrieaufträge für das ZBM zu generieren.
Apropos Räumlichkeiten - zumindest hierbei hat Minister Blume angedeutet, dass eine Lösung gefunden worden sei.
Pötzsch: Hier hat sich nichts verändert: Wir stellen weiterhin zusammen mit dem Investor eine Fläche auf dem ehemaligen Peters-Areal zur Verfügung. Natürlich wird es nicht leichter, mit Blick auf die Stadtentwicklung ein so großes Grundstück langfristig freizuhalten.
Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
Pötzsch: Die Stadt Waldkraiburg ist - im Rahmen des Zweckverbands - für den äußeren Rahmen zuständig; was uns das kostet, wissen wir heute nicht. Jedoch geht es sicherlich um mehrere Millionen Euro und es wird spannend, wie wir das stemmen werden.
Wenn das Forschungszentrum in Waldkraiburg steht, teilen sich Stadt und Landkreis die Kosten, die Stadt Mühldorf im Rahmen der Kreisumlage. Die in Aussicht gestellten Finanzspritzen des Freistaats betreffen die Professuren, die eigentliche Forschungsarbeit, Arbeitsgerätschaften und so weiter.
Was bedeutet das ZBM für Stadt und Landkreis?
Pötzsch: Es kann eine Chance fürs Image sein. Auch der Zuzug von Forschenden und Studierenden, die Kaufkraft und Leben mit in den Ort bringen, ist nicht zu unterschätzen. Absehbar ist das aber nicht. Es kann funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen.
