Vor 50 Jahren bei „Spiel ohne Grenzen“
Stand und Land fieberten gemeinsam: Wie Waldkraiburg einst Europa eroberte
Vor 50 Jahren nahm Waldkraiburg bei „Spiel ohne Grenzen“ teil. 80 Millionen Menschen sahen live im Fernsehen, wie das Team in Bern gewann. Ein Teilnehmer erinnert sich.
Waldkraiburg – Wäre das heute noch möglich? 25 Waldkraiburger nehmen an einer Fernsehspielshow teil, die Stadt und der gesamte Landkreis fiebern mit, sie gewinnen und über 2000 Menschen begrüßen die heimkehrenden Sieger am Bahnhof und geleiten sie in einem „Triumphzug“ zum Rathaus?
Was heute fantastisch erscheint, war vor 50 Jahren Realität: Über Wochen und Monate hinweg waren die Stadt und der gesamte Landkreis aus dem Häuschen, waren alle „Waldkraiburger“, fieberten alle vor dem Fernseher oder auch live im Fernsehstadion mit, drückten alle den Waldkraiburgern die Daumen. Die Fernsehshow „Spiel ohne Grenzen“ machte es 1972 möglich.
Waldkraiburg: eine vergessene Stadt
Über Nacht wurde die Stadt, die damals noch auf manchen Landkarten vergessen wurde, europaweit bekannt. Weil Menschen kreativ waren, zusammenstanden und für den Erfolg hart trainierten. Einer, der sich noch gerne an diese Zeit erinnert, ist Kurt Wohland. Er war einer aus dem siegreichen Team: „Das war eine ganze andere Zeit. Das war Kameradschaft.“
Er steht auf und holt aus der Ablage unter seinem Couchtisch einen Ordner hervor. Fein säuberlich hat er alle Zeitungsartikel in Klarsichthüllen gesammelt. Staub ist auf dem Ordner keiner. „Ich schaue immer wieder mal rein.“ Der Stolz auf die damalige Leistung kommt heute noch durch.
Kostenloses Stadtmarketing
In den 1970er Jahren gab es nur drei Fernsehsender, Spiel- und Fernsehshows waren Straßenfeger. Eine davon war „Spiel ohne Grenzen“. Hier traten 15 Jahre lang Städte in sportlich-orientierten Spaß-Wettkämpfen gegeneinander an. Zuerst national, dann international – europaweit live im Fernsehen.
Und so meldete der damalige Bürgermeister Dr. Josef Kriegisch Waldkraiburg an, um seine Stadt und das neue Waldbad zu präsentieren. Mit Erfolg. Waldkraiburg wurde angenommen. Jetzt musste sich – im Herbst 1971 – ein Team finden und vorbereiten.
Über 100 Menschen aus dem ganzen Landkreis wollten mitmachen. „Wir mussten zuerst an einer Ausscheidung teilnehmen“, erinnert sich Wohland. Als Auswahl-Fußballer und MittZwanziger schaffte er es in die 25-köpfige Auswahl. „Wir hatten dann ein richtig hartes Training.“ Dreimal die Woche drillten Günther Bauer, Helmut Gerhardt und Horst Krumpholz das Team: Laufen, Springen, Klettern waren gefragt sowie Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit.
Rothenburg fest in Waldkraiburger Hand
Erster Gegner für die nationale Ausscheidung war Rothenburg ob der Tauber. Und der WDR, der die nationale Auswahl produzierte, verlegte den Wettkampf in die historische Stadt.
Am 15. April 1972 kam es zum Duell. 2000 Schlachtenbummler reisten in zwei Sonderzügen an und tauchten alles in Gelb und Blau, denn, die Stadt hatte kostenlos Mützen in den Stadtfarben verteilt, Firmen machten ihren Betriebsausflug hierher. „Das war eine schöne Sache. Das war ein gutes Gefühl“, so Wohland.
In der Generalprobe zogen die Waldkraiburger gegen die durchtrainierten Rothenburger Polizeischüler noch den Kürzeren. Als es zählte, waren sie aber besser – auch, weil sie cleverer waren.
Vor 80 Millionen live im Fernsehen
Dann ging es nach Bern. Hier wurde es am 7. Juni 1972 im Eisstadion vor 10 000 Zuschauern und live in der Eurovision ernst. Auch Peter Maffey schaute vorbei.
„Da waren auch wieder 400 Waldkraiburger dabei. Und wir haben wieder gewonnen“, freut sich Wohland. 80 Millionen sahen europaweit im Fernsehen, wie Waldkraiburg die Teams aus Italien, Schweiz, Belgien, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden schlug und ein Feuerwerk in den Nachthimmel stieg.
Grandioser Empfang am Bahnhof
Am nächsten Tag kehrten die Kämpfer wieder heim. Pünktlich um 17.04 Uhr lief der Zug ein. „Das war Wahnsinn. Alles war voller Leute und die Blasmusik spielte. Das war eine schöne Sache.“
In einem Triumphzug ging es anschließend zum gerammelt vollen Stadtplatz vor das damals neue Rathaus. Die „vergessene“ Stadt, die noch nicht auf allen Landkarten verzeichnet war, war mit einem Schlag deutschland- und europaweit bekannt.
Erinnerungen an eine andere Zeit
Heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen. „Es war einfach eine andere Zeit“, so Wohland. Der Kontakt zu den alten Mitstreitern ist inzwischen eingeschlafen. „Viele sind leider auch schon verstorben.“
Wohland genießt seinen Ruhestand. Seine Kinder und Enkel brauchen und fordern ihn. Das hält ihn fit. Er ist mehr als ausgelastet. Dennoch: Ein kleinwenig vermisst er diese Zeit dann doch – vor allem den Zusammenhalt und die Kameradschaft. „Alles waren super Sportler. Es gab keine Quertreiber und kein böses Wort. Es hat einfach super gepasst.“
Auch die Stadt erinnert sich
Auch wenn es zum 50-jährigen Jubiläum seitens der Stadt keine offizielle Veranstaltung gibt, vergessen sind die damaligen Helden nicht. Im Stadtmuseum ist der Siegerpokal ausgestellt und Stadtarchivar Konrad Kern plant für das Heft Nummer 23 der heimatgeschichtlichen Schriftenreihe „Unser Waldkraiburg“ einen ausführlichen, bebilderten Beitrag. Das Heft soll im November erscheinen.


