Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Ersehnter Besuch auf schwarzer Couch in Waldkraiburg

Nigeria, Waldkraiburg, Nigeria, USA: Warum Flüchtling Femi jetzt zu Eva Schnitker zurückgekehrt ist

Als Femi Doe (Nachname geändert) in Nigeria in Schwierigkeiten geriet, floh er nach Deutschland. Später kehrte er freiwillig in seine Heimat zurück. Mit Waldkraiburg und dieser schwarzen Couch ist er bis heute verbunden.
+
Als Femi Doe (Nachname geändert) in Nigeria in Schwierigkeiten geriet, floh er nach Deutschland. Später kehrte er freiwillig in seine Heimat zurück, bis er in die USA floh. Auch heute noch möchte er aus Sicherheitsgründen unerkannt bleiben. Mit Waldkraiburg und dieser schwarzen Couch ist der Nigerianer bis heute verbunden.

Femi Doe suchte in Deutschland Sicherheit. Doch nach wenigen Monaten ging er freiwillig nach Nigeria zurück. Die Gefahr blieb, er floh in die USA. Jetzt besuchte er Waldkraiburg erneut – ein lang gehegter Wunsch.

Waldkraiburg – Geld hat ihn damals in Schwierigkeiten gebracht, erzählt Femi Doe. Es ist nicht sein echter Nachname. In seinem Heimatland Nigeria war er Versicherungsvertreter mit einem großen Kundenstamm und Kontakten zu hochrangigen Persönlichkeiten.

„Eines Tages wurde ich einer Information ausgesetzt, die normale Menschen nicht haben sollten. Ich saß quasi am Esstisch mit dem Teufel und konnte nicht gehen”, sagt er. Er selbst konnte mit der Information nichts anfangen, war kein Politiker, und doch hatte er große Angst. Denn ein Freund sei erschossen, auch nach ihm sei Ausschau gehalten worden. Im Oktober 2015 wurde er angegriffen und musste operiert werden, so erzählt er es. „Darum wollte ich das Land verlassen, ich wollte das niemals wieder erleben.”

Als Dublin-Fall hätte er nach Frankreich gehen sollen

Bis zu seiner Abreise sollte es jedoch noch Monate dauern: Visum beantragen, Geld für ein Flugticket sparen, den sichersten Abflugort finden. Er landete in Paris, was ihm später zum Verhängnis wurde. „Dort war ich nicht lange, bin nur durchgereist nach Deutschland”, sagt er. Er wisse nichts über Frankreich, hatte keinen Kontakt zu den Menschen da. Mit kurzen Zwischenstopps in Essen und München ging es für ihn nach Waldkraiburg. Inzwischen ist das fast acht Jahre her.

Hier begann der heute 39-Jährige Deutsch zu lernen. „Ich konnte lesen und verstehen, aber als ich gerade zu sprechen begonnen hatte, sollte ich Deutschland verlassen”, sagt er. Das bedauert er bis heute. Damals war er ein sogenannter Dublin-Fall, hätte in sein Einreiseland Frankreich zurückkehren müssen. Das wollte er nicht. „Die Nachrichten über Frankreich waren damals nicht gut, Flüchtlinge sind dort angegriffen worden und auf Unterstützung musste man lange warten – ich hatte nicht das Gefühl, mich dort sicher fühlen zu können.”

Förderung ermöglicht „Rückkehr in Würde“

Darum entschied er, freiwillig nach Nigeria zurückzukehren. Für die Waldkraiburgerin Eva Schnitker, Sprachpatin, Integrationshelferin und gute Freundin, zunächst unverständlich. „Für mich ist es der einzige Fall, dass jemand freiwillig zurück wollte. Ich war dagegen – aber es ist ja sein Leben und er musste das selbst wissen”, sagt die 79-Jährige. Darum stand sie ihm mit Rat und Tat zur Seite. „Eva hat ihr Bestes gegeben, um sicherzugehen, dass ich die Hilfe bekomme, die ich benötige”, blickt Doe zurück.

Insgesamt 9.523 Personen sind seit 2019 gefördert freiwillig aus Bayern ausgereist. Die Grafik zeigt die Verteilung über die einzelnen Jahre.

Er ist einer von 9.523 Flüchtlingen, die seit Jahresbeginn 2019 bis heute gefördert und freiwillig aus Bayern ausgereist sind. Das teilt Barbara Freymüller, stellvertretende Sprecherin des Bayerischen Landesamts für Asyl und Rückführungen (LfAR) auf Nachfrage mit. „Sofern der Asylantrag keine Aussicht auf Erfolg hat beziehungsweise bereits abgelehnt wurde und dadurch ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland nicht möglich ist, eröffnet eine freiwillige Rückkehr, insbesondere aufgrund der Fördermöglichkeiten, eine Rückkehr in Würde”, sagt sie. Eine Förderung kann unter anderem Gepäcktransport, einen Zuschuss zur Existenzgründung, Wohnungskostenzuschuss oder medizinische Unterstützung beinhalten.

„Ich war ängstlich gegenüber allem“

Femi Doe weiß noch, wie verängstigt er sich damals gefühlt hat. Als er zum ersten Mal auf Schnitkers schwarzem Ledersofa lag, hätten sich die beiden noch nicht so gut gekannt und trotzdem sei er für ein paar Stunden eingeschlafen, erzählt Schnitker. „Der einzige sichere Ort war diese Wohnung”, sagt Doe, während er auf eben dieser Couch von seinem Leben erzählt. „Ich war ängstlich gegenüber allem, konnte die Situation nicht kontrollieren – es war ein Gedankenkarussell.”

Eva Schnitker ist Sprachpatin und Integrationshelferin in Waldkraiburg. Für Femi Doe ist sie aber vor allem eine „unzertrennliche Begleiterin“: Die beiden haben seit sieben Jahren täglich Kontakt.

Nach sieben Monaten endete Femi Does Zeit in Waldkraiburg, im Mai 2017 kehrte er nach Nigeria zurück. 60 Tage hatte es gedauert, bis alle Papiere für die Ausreise beisammen waren. Schnitker brachte ihn damals zum Flughafen. Im Gegensatz zu einer zwangsweisen Rückführung wird bei einer freiwilligen Rückkehr in aller Regel kein Einreise- und Aufenthaltsverbot ausgesprochen, wie das LfAR mitteilt. Doe verließ Deutschland als normaler Passagier – aber es wurde genau hingeschaut, dass er auch wirklich ins Flugzeug einsteigt.

Nach einiger Zeit kamen die Bedrohungen zurück

Zurück in Nigeria bemühte sich Doe, wieder auf die Beine zu kommen. „Einerseits war ich froh, zurück in der vertrauten Umgebung zu sein und zu wissen, wie Dinge ablaufen – aber mir war auch bewusst, dass es für mich dort gefährlich ist”, sagt er. Er lebte weit entfernt von seinem früheren Zuhause. Er arbeitete. Alles lief reibungslos.

Bis zum Dezember 2017. „Dann kamen die Bedrohungen zurück und ich weiß bis heute nicht warum.” Er sei wieder verfolgt worden. „Dabei kannte niemand aus meiner Familie meine Wohnung. Ich wusste, es ist Zeit wieder zu gehen und dass es für lange sein wird.”

Da er nicht sicher war, ob auch sein Handy überwacht wird, tauchte er zunächst unter. „Das hat mich damals gestresst: Er war auf einmal verschwunden”, erinnert sich Schnitker. Bis zu diesem Tag hatten sie täglich Kontakt – und das haben sie bis heute. Doe folgte seiner Intuition und brach diesmal in die USA auf.

In den USA arbeitet er vom ersten Tag an

„Deutschland hat mich auf die USA vorbereitet”, sagt er. Hier habe er gelernt, hart zu arbeiten und pünktlich zu sein. „In den USA darf man vom ersten Tag an arbeiten, es gibt keine Sozialleistungen”, sagt Schnitker. Und genau das tat Doe: Er arbeitete als Pflegehelfer, als Koch, als Kassierer und beim Lieferdienst – mal nur für ein paar Wochen, mal über Monate. Inzwischen ist er in der Logistik tätig, transportiert Waren über lange Entfernungen.

Mittlerweile ist er US-Bürger, konnte als solcher nun problemlos nach Deutschland reisen. Dass er wieder nach Waldkraiburg kommen möchte, stand für ihn seit seiner Abreise fest. „Nun bin ich das erste Mal zurück und es wird nicht das letzte Mal sein”, sagt Doe. Entscheidend dafür ist Schnitker. „Eva hat Waldkraiburg zu einem unvergesslichen Ort gemacht. Sie hat mich hier sicher fühlen und mich spüren lassen, dass es nicht zählt, ob man hell- oder dunkelhäutig ist.”

Kommentare