Ladenschließung in Waldkraiburg
Nach 50 Jahren ist Schluss: Darum schließt Andrea Schmieder ihr Handarbeitsgeschäft
Ende März schließt Andrea Schmieder ihr Handarbeits-Geschäft am Waldkraiburger Stadtplatz. Wie vor 50 Jahren alles begann und warum nun bald endgültig Schluss ist.
Waldkraiburg – Wenn‘s ums Nähen, Sticken oder Gestalten geht, dann ist man im Laden von Andrea Schmieder genau richtig. Die vielen Regalfächer sind voll mit verschiedensten Wollen in den unterschiedlichsten Farben. Wer gerne strickt oder häkelt, kann sich in dem kleinen Laden am Waldkraiburger Stadtplatz neue Inspiration holen, mit Trend-Farben experimentieren oder seinen Wolle-Vorrat daheim auffüllen.
Hinter der Kasse ist die Wand bestückt mit Kurzwaren, Strick- und Häkelnadeln; neben der Eingangstür stehen verschiedene Nähmaschinen-Modelle, dazu gibt es Einsteiger- oder Fortgeschrittenen-Kurse. Wer kreativ werden will, findet im Laden von Andrea Schmieder das passende Handwerkszeug. Doch die Regale werden in den nächsten Wochen Schritt für Schritt leerer werden. „Nach 50 Jahren schließe ich den Laden“, sagt die Inhaberin. Eine Entscheidung, die lange in ihr gereift ist. Denn in dem Laden ist sie quasi groß geworden.
Ihre Eltern eröffnen den Laden
13 Jahre war sie alt, als ihre Eltern am Stadtplatz den Laden übernommen haben. Ihr Vater war Nähmaschinen-Mechaniker, ihre Mutter hatte schon als Kind für andere Leute gestrickt. „So hat sich das mit dem Laden ergeben.“
Als Jugendliche hat sie im Geschäft mitgeholfen, sich auf diese Weise ihr erstes Mofa verdient und nach der Schule bei den Eltern ihre Ausbildung gemacht, bevor sie Betriebswirtschaft in Rosenheim studierte. „Es war anfangs nicht klar, dass ich einsteigen werde.“ Doch während der Studien-Praktika merkte sie recht schnell: Die Arbeit in einem Büro ist nichts für sie. „Mir war schnell klar, dass ich mit Leuten und Material zu tun haben will.“
So bleibt sie dem elterlichen Laden treu, und als in Mühldorf ein Wollgeschäft schließt, eröffnet sie dort eine eigene Filiale. 15 Jahre lang, bis ihr Vater krank wurde und die eigene Tochter das Schulalter erreicht hatte. „Dann musste ich mich entscheiden und habe mich auf Waldkraiburg konzentriert.“
Hobby zum Beruf gemacht
Für ihre Kunden hat sie immer ein Lächeln, gibt gerne Tipps, wenn es um Stricken und Häkeln geht. Schon als Kind hat sie es geliebt zu stricken, später entdeckte sie ihre Leidenschaft zum Sticken mit der Nähmaschine: „Das ist das Kreative am Nähen.“ Im Nachhinein betrachtet stellt sie fest, das Glück gehabt zu haben, ihr Hobby zum Beruf zu machen.
Bereut jedenfalls hat sie ihre Entscheidung nie: „Es waren Hochs und Tiefs dabei, das Handarbeiten hatte zwischenzeitlich auch ein sehr angestaubtes Image. Doch das hat sich gewandelt.“ In den 1980er Jahren erlebte das Stricken einen Hype, vor einigen Jahren das Häkeln, als die Boshi-Mützen in Mode kamen. Heute würden sich auch wieder mehr junge Frauen an die Nähmaschine setzen. „Wir hatten hier so viele Kurse, das war richtig schön. Weil man dabei auch gleich sieht, was dabei rauskommt.“
Im Jahr 2000 zieht sich ihre Mutter aus dem Geschäft zurück, das Andrea Schmieder von da an allein weiterführte. Als vor drei Jahren ihre Mutter gestorben ist, wollte sie im Laden noch einmal durchstarten. „Wir hatten dann über die Mittagszeit geöffnet, aber die Kunden haben das nicht angenommen.“
Mehr Zeit für Familie, Freunde und Reisen
Jetzt ist „ein guter Zeitpunkt“ gekommen, ihren Handarbeits-Laden zu schließen. „Ich war immer im Laden, hatte weniger Zeit für meine Tochter oder für Freundinnen. Das möchte ich jetzt nachholen, mehr Zeit für meine Familie haben, Zeit zum Reisen.“ Ein lachendes und ein weinendes Auge werden sie begleiten, wenn sie Ende März die Türen ihres Ladens zum letzten Mal abschließt. „Mir werden die Kunden fehlen, der Umgang und die Gespräche mit ihnen.“
Das Team ist für sie eine zweite Familie geworden: Mit Heidi Wieser arbeitet sie schon über 30 Jahre zusammen, mit Theresia Terpeza seit 23 Jahren. Andrea Wieser gehört dem Team erst seit eineinhalb Jahren an, ist Andrea Schmieder in der Zeit sehr ans Herz gewachsen. Und dann ist da noch Mechaniker Werner Obermaier, der bei ihrem Vater das Handwerk gelernt hat und nun schon 20 Jahre für Andrea Schmieder arbeitet.
Und auch die große Auswahl an Materialien wird ihr fehlen. „Ein bisschen Wolle hab ich mir mit heimgenommen, um Jacke, Pulli und Mütze zu stricken“, sagt sie und lächelt. Daneben will sie sich auch mal die Zeit nehmen, ihr Zuhause zu renovieren. Am wenigsten fehlen werden ihr die bürokratischen Dinge wie die Umsatzsteuererklärung.
Bis Ende März wird das kleine Geschäft noch offen sein, der Ausverkauf startet bereits. „Kunden sollten ihre Gutscheine rechtzeitig einlösen und sich ein paar Schnäppchen sichern“, sagt Andrea Schmieder. Noch ein paar Wochen, in denen sie ihrer Kundschaft noch Tipps gibt und bei der Wahl des richtigen Stoffs oder der idealen Wolle hilft. Ob und wie es mit dem Laden weitergeht, darüber ist noch nichts entschieden.

