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Senioren in Waldkraiburg

Gegen Einsamkeit im Alter: Picknicktafel soll Menschen zusammenbringen

Reich gedeckt war die erste Picknicktafel gegen Einsamkeit in Waldkraiburg.
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Reich gedeckt war die erste Picknicktafel gegen Einsamkeit in Waldkraiburg.

Einsam zu sein ist nicht nur belastend, es kann auch krank machen: Um dem entgegenzuwirken, fand in Waldkraiburg nun die erste Picknicktafel gegen Einsamkeit statt. So kam die Veranstaltung bei den Menschen an.

Waldkraiburg – An einer langen Tafel aus Biertischen nahmen Seniorinnen und Senioren Platz. Die Tische waren reich gedeckt: Selbstgebackener Kirschkuchen, Fleischpflanzerl und Kartoffelsalat, ein großer Obstteller mit Beeren aus dem eigenen Garten oder Knabbereien.

Am Donnerstag, 20. Juni fand am Haus der Vereine in Waldkraiburg zum ersten Mal eine Picknicktafel gegen Einsamkeit statt. Der Seniorenbeirat der Stadt Waldkraiburg hatte diese gemeinsam mit dem Gesundheitsamt und der „Gesundheitsregion plus” des Landkreises veranstaltet.

„Im Alter schwieriger, Kontakte zu knüpfen“

Teilnehmer Heinz Dönnhuber freute sich über die Möglichkeit, mit anderen zu essen und zu reden. Der Waldkraiburger ist 82 Jahre alt und lebt heute alleine. Sich einer Art Seniorenclub anzuschließen, hat er noch nicht geschafft, wie er erzählt. Er vertreibt sich die Zeit im Garten, pflegt engen Kontakt mit seinen Nachbarn.

Heinz Dönnhuber freute sich bei der ersten Waldkraiburger Picknicktafel gegen Einsamkeit mit anderen zu essen und zu reden. Er ist 82 Jahre alt und lebt heute alleine.

„Langweilig wird es mir nicht, aber im Alter ist es schon schwieriger, Kontakte zu knüpfen”, sagt Dönnhuber. Man tue sich schwerer, sich mit Fremden zusammenzusetzen – solange man arbeite, würden sich Kontakte nach außen noch mehr von selbst ergeben.

Picknicktafel soll jährlich stattfinden

Das Picknick soll dem entgegenwirken und ist aus der Jahresschwerpunkt-Kampagne 2023 „Licht an – damit Einsamkeit nicht krank macht” am Mühldorfer Gesundheitsamt entstanden. „Wir wünschen uns, dass es zu einer festen Einrichtung wird, bei der Menschen Essen austauschen und ins Gespräch kommen”, sagt Thomas Lainer, Organisator der Veranstaltung und Vorsitzender des Waldkraiburger Seniorenbeirats.

Thomas Lainer ist Organisator der ersten Waldkraiburger Picknicktafel gegen Einsamkeit und Vorsitzender des Seniorenbeirats.

An der Tafel entspinnen sich bereits Ideen, ob eine ähnliche Veranstaltung nicht auch in Ampfing und Aschau möglich wäre. Einen weiteren Termin gibt es bereits: Das nächste Picknick findet am 25. Juli am Inn-Stadt-Park in Mühldorf statt. Auch gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie könnte das helfen, denn viele Kontakte seien langfristig abgerissen und sie wiederzubeleben schwierig, so Lainer.

Pandemie hat die Einsamkeit verstärkt

Das beobachtet auch Tobias Lehner, Theologe und hauptamtlicher Mitarbeiter der Telefonseelsorge im Erzbistum München und Freising – und zwar nicht nur bei alten, sondern gerade auch bei jungen Menschen. „Wir haben massiv mit dem Thema Einsamkeit zu tun und die Pandemie hat den Trend zur Vereinsamung noch verstärkt”, sagt er.

„Es gibt junge Menschen, die mitten im Leben stehen, und trotzdem brutal einsam sind – die zuhause nichts mit sich anzufangen wissen”, erzählt Lehner. Im Alter seien es eher die klassischen Weichenstellungen, die zu Einsamkeit führen: der Renteneintritt, der Tod des Partners oder nahestehender Angehöriger.

Einsam trotz Familie, Freunden und Bekannten

Das kennt auch eine Besucherin der Picknicktafel, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ihr Mann ist verstorben, zuhause fühlt sie sich oft allein. „Obwohl ich viele Bekannte habe, ist Einsamkeit da”, sagt sie den Tränen nahe. Um dem zu entgehen, engagiert sie sich ehrenamtlich, ist viel unterwegs und erzählt von Familie und Freunden, die sich um sie kümmern würden. „Und um die du dich auch kümmerst”, ergänzt ihre Freundin. Gemeinsam besuchen die beiden Theatervorstellungen oder Konzerte in der Region. „Was zum Lachen tut uns gut”, sagen sie.

AWO-Tanzgruppe sorgt für Unterhaltung

Zusammen Spaß haben, das machen auch die Frauen der Seniorinnentanzgruppe der AWO. Fast alle von ihnen sind alleinstehend und haben sich durch den Tanzkreis gefunden. In fliederfarbenen T-Shirts und weißen Hosen präsentieren sie eine Tanzeinlage. Unter der Leitung von Helga Walbrunn treffen sie sich jeden Dienstag um 14 Uhr im AWO Seniorenzentrum in der Riesengebirgsstraße, interessierte Frauen dürfen sich gerne anschließen.

Die Seniorinnen der AWO Tanzgruppe präsentierten mehrere Tänze und luden zum Mitmachen ein.

„Gesundheit bedeutet auch, in ein soziales Netz eingebunden zu sein”, sagt Landrat Max Heimerl. Als ehemaliger Lehrer gibt er den Anwesenden eine Hausaufgabe mit: „Erzählt von der Picknicktafel und bringt beim nächsten Mal eine zusätzliche Person mit.”

Jeder geht anders mit Einsamkeit um

„Es gibt nicht die eine Lösung für Einsamkeit, aber viele gute Ansätze, um sie zu bewältigen”, sagt Telefonseelsorger Lehner. Gut gemeinte Ratschläge würden allerdings eher wenig bringen. „Die können auch Schläge sein und in der Regel wissen die Betroffenen diese Sachen schon selbst.” Die Telefonseelsorger überlegen stattdessen mit den Ratsuchenden gemeinsam, wie sich die Situation verbessern lässt.

Auch der Umgang mit Einsamkeit sei verschieden. „Wir haben ältere Anrufer, die einsam sind und seit Tagen mit niemandem gesprochen haben, aber keine Traurigkeit ausstrahlen – sie sind schlichtweg dankbar für jede Form des Kontakts, tragen es mit Würde und Geduld”, sagt Lehner.

Sich selbst das Einsamsein eingestehen

Organisator der Picknicktafel Lainer ist mit dem ersten Aufschlag zufrieden. Einsamkeit ist für ihn selbst momentan kein Thema, dennoch ist es ihm wichtig, Angebote wie diese zu schaffen. Denn er weiß: „Es könnte mich auch mal treffen, auch abhängig davon, wie man später körperlich einmal beieinander ist.”

Bernd Wegmann ist Vorsitzender des AWO-Ortsvereins in Waldkraiburg.

„Es ist schade, dass die, die angesprochen werden sollten, nicht in Massen gekommen sind”, bedauert dagegen Bernd Wegmann, Vorsitzender des AWO Ortsvereins in Waldkraiburg. Gegen Einsamkeit gebe es noch deutlich mehr zu tun. „Viele trauen sich nicht zuzugeben, dass sie einsam sind – da ist eine gewisse Scheu da und man muss einen ersten Schritt wagen.”

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