Keine allzu großen Ansprüche vor 100 Jahren
Glänzende Kinderaugen: Weihnachtsfeier in der Neumarkter Kleinkinderbewahranstalt anno 1926
Weihnachtsgeschenke vor knapp 100 Jahren waren wie heute eine Sache der finanziellen Möglichkeiten der Eltern und so erlebten die Kinder das Fest unterschiedlich. Die Jahre der Inflation von 1922/23 waren gerade vorüber und vielen Familien ging es nicht gut. Auch im damaligen Neumarkt an der Rott.
Neumarkt-St.Veit – Ein Christbaum in der Stube war eher eine Seltenheit, ein paar Nüsse, Äpfel oder selbstgebackene Plätzchen und ein paar nützliche, meist selbst gestrickte Sachen zum Anziehen waren alles was man den Kindern schenken konnte. Oft auch nicht einmal das und so hofften viele der kleinen Kinder erwartungsvoll auf die Weihnachtsfeier in der Kleinkinderbewahranstalt am Stadtplatz (heute Schuhhaus Baumgartl).
Lokal glich einer Art Zaubergarten
Der Redakteur Hermann Döring berichtete im Neumarkter Anzeiger über die Weihnachtsfeier 1926 mit folgenden Sätzen: „ Am Mittwoch, den 22. Dezember nachmittags um halb 3 Uhr versammelte sich in den Vordertrakt des Parterre unseres Mädchenschulhauses verlegten Kinderbewahranstaltsräumen eine kleine, auserlesene Gesellschaft, bestehend aus der Vorstandschaft des Frauenzweigvereins vom Roten Kreuz, mit ihrem Beirat Herrn 1. Bürgermeister Peter Hans und dem Vereinsschriftführer Herrn Obersekretär Ludwig Birngruber. Das Lokal glich einer Art Zaubergarten, denn überstrahlt von einem im Fenstereck angebrachten, reichgeschmückten Christbaume im Lichterglanze, war das ganze Lokal in verschiedenen Wandstaffeln mit köstlichen Gaben reich beschickt.“
Backwaren, Spielsachen und Kleidungs- sowie Gebrauchsgegenständen
Einige hundert solcher kleinen, aus süßen Backwaren, Spielsachen und praktischen Kleidungs- und Gebrauchsgegenständen bestehenden Geschenkpäckchen hätte nach Darstellung Dörings das Christkind anscheinend wahllos ausgestreut, „um die lieben Kleinen, die während des ganzen Jahres ja so unendlich brav gewesen, eine Weihnachtsfreude zu bereiten“. Die Freude sei deshalb unter den Beschenkten unermesslich groß gewesen.
Schulschwestern hatten unermüdlich gearbeitet
„Neben dem eigentlichen Geschenkspender, dem heiligen Christkinde, war es vor allem der Frauenzweigverein vom Roten Kreuz, an dessen Spitze die unermüdlich tätige, hochverdiente Vorsteherin Frau Katharina Birngruber, sowie auch die ehrwürdigen Schulschwestern, welche seit einer langen Reihe von Wochen in eifriger und uneigennütziger Weise gearbeitet haben, um die Großen und Kleinen, Bedürftigen und verschämten Armen das Weihnachtsfest durch milde Gaben verschönernd zu gestalten.“ Man wolle sich an die leuchtenden Augen der Jugend halten und mit ihnen die Freude teilen, wenn sie ihre Geschenke zu liebenden Obhut in die Arme schließen.
„Sangesgezwitscher“ und sogar ein Tänzchen
Bevor aber die allgemeine Gabenspendung vor sich ging, ergötzten die Anstaltskleinen die Zuhörer und Zuschauer mit einigen Chor- und Einzelspielen, mit Sangesgezwitscher. „Sogar zu einer Art Tänzchen schwangen sich die zarten Füßchen auf, gleich Elfen im heimlichen Takte überirdischer Musik“, berichtete Döring.
Heute fragt man sich wahrscheinlich, was das für ein Weihnachten gewesen sein muss, so ohne Festbeleuchtung, ohne die vielen Kaufangebote, ohne Berge von Lebkuchen und anderen Süßigkeiten, ohne den mit hunderten von Kerzen beleuchteten Christbaum auf dem Stadtplatz.
Heute werden Christkindlbriefe auch am PC geschrieben
Heute wird der Wunschbrief der Kinder an das Christkind oder den Weihnachtsmann oft schon auf dem PC geschriebenen. Gewünscht werden heute Ski-Ausrüstung, Fernseher, Laptop oder ein Handy und vieles andere mehr. Die Masse der heutigen Bevölkerung lebt trotz der momentanen Probleme in einer Wohlstandsgesellschaft, in der es den meisten Menschen gut geht und deren Kinder vieles als selbstverständlich empfinden.
Was aber bis heute den Zauber von Weihnachten ausmacht, unterscheidet sich vielleicht gar nicht so sehr wie in früherer Zeit: Es ist dieses Leuchten in den Augen der Kleinen, von dem Hermann Döring schon in seinem Artikel von vor knapp 100 Jahren berichtet.