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„Blicken mit Sorge auf die Herbst- und Wintermonate“

Versorgungsprobleme bei Medikamenten für Kinder: Apotheker werden selbst kreativ

Apotheker Ulrich Geltinger. Da antibiotische Säfte für Kinder nicht immer verfügbar sind, stellt er sie, wie viele seiner Kollegen, selbst her.
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Apotheker Ulrich Geltinger. Da antibiotische Säfte für Kinder nicht immer verfügbar sind, stellt er sie, wie viele seiner Kollegen, selbst her.

Antibiotikahaltige Säfte für Kinder sind Mangelware. Warum es Versorgungsprobleme gibt und wie Apotheker in Neumarkt-St. Veit helfen, damit betroffene Eltern doch mit den passenden Medikamenten versorgt werden können.

Neumarkt-St. Veit – „Tut mir leid, dieses Medikament ist gerade nicht verfügbar“. Diese oder ähnliche Sätze wollen Eltern, deren Kind erkrankt ist, niemals hören. Doch Apotheker warnen davor, dass antibiotikahaltige Säfte für Kinder derzeit Mangelware sind. „Wir haben – auch dank einer Scharlachwelle – einen erhöhten Bedarf“, sagt beispielsweise Ulrich Geltinger von der St. Johannes-Apotheke. Christina Beckel von der Stadt-Apotheke sagt erläuternd, dass gerade die Säfte für kleinere Kinder ein Problem seien, die noch keine Tabletten schlucken können. Sie weiß aber auch ein anderes Beispiel: Nasensprays sind ebenfalls nicht zu bekommen. Das hat allerdings andere Gründe: Hier fehlen die passenden Aufsätze für die Nasensprays. Es gibt also ein Problem mit den Lieferketten.

Versorgungsmangel wurde offiziell festgestellt

Fakt ist, dass Apotheken passende Medikamente immer wieder mal nicht auf Lager haben. Das hat vielfältige Gründe. Doch es ist ein Zustand, den die Menschen vor Corona so nicht kannten. Wobei Ulrich Geltinger versichert, dass niemand seine Apotheke ohne passendes Medikament verlassen muss. So greifen er oder seine Mitarbeiter zur Selbsthilfe und stellen beispielsweise Antibiotika auch mal selbst her.

„Kein Problem“, sagt Thomas Leitermann, der Pressesprecher der Apotheken im Landkreis Mühldorf. Apotheker seien aufgrund ihrer Ausbildung „prädestiniert, Medikamente selbst herzustellen“. Er verweist zudem darauf, dass es genaue und erprobte Herstellvorschriften gebe. Schließlich sei es nicht damit getan, einfach eine Tablette mit dem gleichen Wirkstoff zu mörsern, sie mit Flüssigkeit zu verdünnen und mit etwas Geschmack zu versetzen. „Da braucht es schon das entsprechende Knowhow, das kann man nicht einfach selbst machen“, warnt er. Schließlich garantiert der Apotheker, dass der selbst hergestellte Saft auch mit jedem Schluck die passende Wirkstoffkombination enthält.

Anfang des Monats hatte das Bundesgesundheitsministerium offiziell einen „Versorgungsmangel mit antibiotikahaltigen Säften für Kinder festgestellt“. Damit hatte das bayerische Gesundheitsministerium die Möglichkeit bekommen, im Einzelfall von Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) befristet abzuweichen.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hatte danach zwei Lösungen auf den Weg gebracht. Zum einen wurde befristet die Einfuhr von Arzneimitteln gestattet, die in Deutschland eigentlich nicht zugelassen oder registriert sind. So können die Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln.

Engpässe bei der Medikamentenversorgung gibt es seit Jahren

Apothekensprecher Thomas Leitermann macht allerdings darauf aufmerksam, dass es „Engpässe bei der Versorgung mit Medikamenten bereits seit Jahren gibt“. Als Grund nennt er, dass die Herstellung von Medikamenten „ins entfernte Ausland verlagert wurde“. Medikamente beziehungsweise die entsprechenden Grundstoffe werden weltweit fast nur noch in China und Indien hergestellt, machen auch Beckel und Geltinger auf eine ungesunde Abhängigkeit aufmerksam. Christina Beckel ergänzt, dass sie nur noch ein Unternehmen aus Österreich kennt, das in Europa Medikamente für Kinder herstellt.

Zum anderen wandte sich Holetschek an die Krankenkassen mit der Bitte, vorerst keine Zuschläge sowie Erstattungen zu verweigern und in der Folge keine bereits geflossenen Vergütungen zurückzufordern, wenn Apotheker einen verschriebenen, aber nicht verfügbaren antibiotischen Saft durch ein selbst hergestelltes Arzneimittel ersetzen. Das sieht Thomas Leitermannn grundsätzlich positiv, macht aber auf eine ungute Entwicklung aufmerksam. Er nennt es ein inhomogenes Regelungsfeld und meint, dass hier „jede Krankenkasse ihre eigene Sichtweise hat, welche Mehrkosten sie übernimmt und welche nicht“.

Sorge bereits jetzt wegen der Herbst- und Wintermonate

Apotheker Geltinger sieht die Wirkung dieser kurzfristigen Maßnahmen durchaus, dennoch blickt er bereits jetzt „mit Sorge auf die Herbst- und Wintermonate“, wenn die Nachfrage erfahrungsgemäß noch weiter ansteigen wird. Für ihn und seine Kollegin Christina Beckel sind die zahlreichen Erkrankungen auch eine Folge der Corona-Maßnahmen: Durch die Maskenpflicht waren die Menschen zwar geschützt, das Immunsystem wurde aber auch heruntergefahren. Und damit ist die Anfälligkeit für Krankheiten gestiegen. Das gelte aber nicht nur für unsere Region, sondern weltweit sei die Nachfrage gestiegen. Zudem wurde die Produktion heruntergefahren, da es einen geringeren Bedarf gab.

Die beiden Apotheker sind sich einig, dass aber auch die Lieferketten nicht mehr so funktionieren, wie vor Corona. Dazu kommt der Krieg in der Ukraine, der ebenfalls dazu beiträgt, dass immer wieder Medikamente nicht sofort verfügbar sind. So berichtet Christina Beckel von ihrem Notdienst am Wochenende, wo sie ein Breitbandantibiotikum gebraucht hätte, das bei ihr nicht vorrätig war. „Ich habe alle Apotheken im Umkreis abtelefoniert, aber es war nichts verfügbar“. Das ist eine Situation, die man als Kranker nicht erleben will, wenn man zur Apotheke geht.

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