Die Reserven sind aufgebraucht
Feiern ja, aber zurückhaltend: Die Sorgen einer Neumarkter Schausteller-Familie
Zwei Jahre Durststrecke liegen hinter der Schausteller-Familie Zinnecker aus Neumarkt-St.Veit. Die Corona-Pandemie hatte Alwin Zinnecker zum Stillhalten verdonnert. Volksfeste fanden keine statt, seine Fahrgeschäfte und Lastwagen standen in der Halle. Wie geht es jetzt weiter?
Neumarkt-St. Veit – Jetzt darf wieder gefeiert werden und die Zinneckers freuen sich darüber, dass sie mit ihrer Leopardenspur, einer Berg- und Talbahn, auf Bayerns Volksfesten vertreten sind. Doch auch wenn Corona aktuell keine Einschränkungen erfordert: Die Zinneckers treibt die nächste Sorge um. Dass die Folgen des Ukraine-Krieges auch sie treffen könnten.
„Man merkt: Die Leute haben wieder Lust auf Volksfeste, auf das Feiern. Aber sie sind auch noch zurückhaltend.“ Alwin Zinnecker klingt zunächst durchaus zufrieden, wenn er darüber berichtet, dass seine Leopardenspur gerade noch auf der Maiwiesn in Burghausen ihre Runden gedreht hat. „Doch kaum haben wir Corona hinter uns gelassen, stehen nun die Affenpocken vor der Tür. Das verunsichert die Leute.“
Verunsicherung auf der einen Seite, die harten Fakten auf der anderen. Denn Zinnecker verhehlt nicht, dass die vergangenen beiden Jahre ohne Umsatz auf dem Rummelplatz gezehrt hätten. Staatliche Hilfen seien zwar versprochen worden, aber nach der Erfahrung Zinneckers in Bayern mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. „Eine komplette Lebensversicherung musste ich kündigen. Und die Spaßfabrik, eine Karussellanlage mussten wir nach England verkaufen.“
Pension hat die Familie über Wasser gehalten
Immerhin: Die Familie konnte Einnahmen durch ihre Pension in Feichten generieren. „Das hat uns über Wasser gehalten.“
Mit knapp 60 Jahren muss sich Zinnecker dennoch nun überlegen, neue Kredite aufzunehmen, um das Familienunternehmen, das in der 14. Generation als Gaukler, Komödianten und Schausteller tätig ist, in die Zukunft zu steuern. Mit Sohn Freddy hat er zumindest einen Nachfolger, der das Unternehmen weiterführen soll.
Energiekosten steigen und Ersatzteile sind nicht lieferbar
Vor dem Blick in die Zukunft sind es aber Probleme der Gegenwart, die das Unternehmen beschäftigt. Sieben Lastwagen besitzt die Familie. Sie alle wollen betankt werden, wenn die Fahrgeschäfte zum Einsatzort gebracht werden. „Und das bei Dieselpreisen, die durch die Decke gehen“, sagt Zinnecker. Der Strom ist teurer geworden, „um das Dreifache.“ Und das schlägt sich ebenso nieder, auch wenn die Zinneckers schon lange auf LED-Beleuchtung umgestellt haben. Doch hier tut sich die nächste Hürde auf: „Es ist schwer, Ersatzteile zu bekommen. Gleiches gilt für das Nebelfluid für die Nebelmaschine. Derzeit nicht zu kriegen.“ Selbst Fahrchips eines deutschen Herstellers seien aktuell nicht lieferbar.
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Engpässe gibt es auch auf dem Arbeitsmarkt: Langjährige Mitarbeiter haben sich in den Corona-Jahren umorientiert, sich etwas anderes gesucht. Und neue Mitarbeiter zu finden, etwa Leiharbeiter aus Polen oder Rumänien, ist schwierig.“ Es sei eben auch nicht jedermanns Sache, ständig auf Reisen zu sein, weiß Zinnecker.
Beim Vergnügen wird schnell gespart
Verbunden mit dem Ukraine-Krieg befürchtet Zinnecker, dass die Inflation den Geldbeutel immer leerer macht, dass die Menschen finanziell kürzertreten müssen. „Und wo wird dann am ehesten gespart? Beim Vergnügen.“ Und das träfe dann Schausteller wie ihn, so Zinnecker, der immerhin noch eines versprechen kann: „Noch können wir die Fahrpreise stabil halten.“
Zu heiß soll es auch nicht sein
Acht Volksfeste stehen bei ihm in diesem Jahr auf der Agenda. Er hofft, dass nun auch das Wetter mitspielen wird, um sich am Ende über einen ersten vernünftigen Volksfest-Sommer nach Corona zu freuen. „Wobei eine Hitzewelle nicht gut ist. Da kommen die Leute dann auch wieder nicht.“