„Wir bringen gerne wieder Freude aufs Frühlingsfest“
Wie die Schausteller die Wasserburger „Wiesn“ vermisst haben
Nach zwei Jahren Abstinenz nimmt die Volksfestsaison in der Region wieder Fahrt auf. Auf dem Festplatz an der Alkorstraße in Wasserburg stehen die Schausteller bereits Gewehr bei Fuß. Was sie am meisten vermisst haben, worauf sie sich jetzt freuen und wie sie die Pandemiezeit überbrückt haben, hat wasserburg24.de kurz vor der Eröffnung erfahren.
„Fertig zum drehen?“ hallt es quer durch den 60 Tonnen schweren „Musikexpress“. Manuel Dormeier von der gleichnamigen Schaustellerfamilie hilft mit beim 20-stündigen Aufbau des Fahrgeschäfts.
„Die letzten Arbeiten finden noch statt, ehe wir erste Probefahrten durchführen und am Mittwoch geht‘s ja schon los“, erzählt er grinsend im Gespräch mit wasserburg24.de am Montagnachmittag - zwei Tage vor Eröffnung der fünften Jahreszeit in der Innstadt.
„Stolz hier sein zu dürfen“
Dass es die norddeutsche Schaustellerfamilie in der 10. Generation ausgerechnet 860 Kilometer entfernt von der Heimat ins oberbayerische Wasserburg am Inn verschlagen hat, ist kein Zufall: „Der Schwiegeropa wollte unbedingt wieder an diesen Platz kommen. Er wurde damals in Wasserburg gezeugt und es war sein Herzenswunsch. Leider ist das für ihn nicht mehr möglich, da er im vergangenen Jahr gestorben ist - doch ich bin mir sicher, er blickt jetzt von oben herab und freut sich, uns beim Aufbau in Wasserburg zu sehen.“
Die bayerischen Feste haben es Dormeier angetan. Nach Wasserburg ist er auch noch im Juni auf dem Trostberger Volksfest anzutreffen. Der Schausteller freut sich auf die Saison in Bayern: „Anzapfen im Bierzelt und Tracht, das gibt es bei uns in der Nähe von Bremen nicht. Wir haben natürlich auch Plätze, auf denen wir vertreten sind - aber wenn ich mich hier umschaue, dann macht es mich schon stolz hier sein zu dürfen.“
Countdown läuft: Die letzten Arbeiten vor Eröffnung der fünften Jahreszeit




Der „Musikexpress“ bietet Jung und Alt eine „rasante Fahrt“: Der älteste Fahrgast war 103 Jahre alt. „Die vergangenen zwei Jahre hatten wir nur wenige Plätze auf dem Rummel oder Märkten - jetzt freuen wir uns sehr, dass es wieder los geht. Auf die Pandemiezeit möchte ich gar nicht zurückblicken, das ist Vergangenheit und vorbei. Nun schauen wir nach vorne.“
Denn Schausteller sein, sei eine „Lebenseinstellung“, das müsse man „fühlen und leben“, untermal Dormeier, während sein Blick in Richtung des Fahrgeschäfts schweift und bei einem der noch still stehenden Wagen hängen bleibt. „Wenn die ersten Fahrgäste kommen ist das ein unbeschreibliches Gefühl.“
„Es ist schön, wieder etwas zu tun zu haben“
Die „Süße Linie 8“ ist auf dem Wasserburger Frühlingsfest schon Stammgast. Bärbel und Rudi Stey sind zum 19. Mal heuer auf dem Festplatz an der Alkorstraße vertreten. „Die viele Arbeit macht schon sehr viel Freude“, konstatiert Bärbel lachend, während sie eine Lieferung einräumt. „Es ist schön, wieder etwas zu tun zu haben.“
Ihr Mann Rudi hat in erster Linie die Menschen und die Gespräche vermisst. „Ein Volksfest, das sagt der Name schon, ist nur möglich mit Menschen. Es geht nicht nur ums Beisammensitzen im Bierzelt, die Begegnungen auf dem Festplatz machen solche Feste aus. Der Austausch hat die letzten zwei Jahre sehr gefehlt.“
Die gesamte Saison hindurch geht es für die Steys und ihren Süßwaren-Stand quer durch Oberbayern mit Ausnahme zweier Stationen in Niederbayern. Seit 2003 legen sie mit ihrem Stand einen Stopp auf dem Wasserburger Frühlingsfest ein: „Für uns gibt es nicht Schöneres, als am Mittwoch zu öffnen und los zu starten.“
„Es fällt erst auf, wenn etwas nicht mehr da ist“
Kerstin Münch von der Schaustellerfamilie Zinnecker kann den Eindruck der Steys nach der langen Abstinenz bestätigen: „Der Zuspruch war enorm, wir haben viel Trinkgeld bekommen und die Leute haben sich nach uns erkundigt, wie es uns geht und mitgelitten. Das haben wir so noch nie erlebt. Dass wir Schausteller auf Festen vertreten sind, war bis zur Pandemie immer selbstverständlich. Es fällt erst auf, wenn etwas nicht mehr da ist.“
Mit dem „Mondräumer“, einem Geschicklichkeitsspiel, bei dem der Spieler durch eigenes Handeln Münzen verschieben kann, damit sie unten herausfallen, sind die Zinnecker-Münchs zum fünften Mal in Wasserburg vertreten, mit ihrem Losstand zum zehnten Mal. Kerstin Münch freut sich am allermeisten auf strahlenden Kinderaugen, die zum ersten Mal seit der Pandemie ein Los aufmachen dürfen. „Das ist für die Kleinen alles neu, die kennen das noch nicht - genauso wenig wie Zuckerwatte.“
Nach zwei Jahren Stillstand hat die Familie sich erst wieder einstellen müssen auf den Arbeitsalltag, schließt Kerstin ihre Erklärung ab: „Es war sehr anstrengend und man merkt erst jetzt, was man in früheren Zeiten tagtäglich und selbstverständlich geleistet hat. Das braucht, bis man wieder in die alte Routine zurückkehrt. Aber wir haben uns schon wieder umgewöhnt, haben Spaß an der Arbeit und bringen gerne wieder Freude aufs Frühlingsfest.“
Wasserburger Frühlingsfest von 25. Mai bis 6. Juni so lang wie nie
Das Wasserburger Frühlingsfest wird am Mittwoch, 25. Mai mit dem traditionellen Festzug quer durch die Altstadt um 18.30 Uhr eröffnet und dauert heuer zum ersten Mal 13 statt bislang nur 11 Tage. Der WFV Wasserburg als Veranstalter hat ein buntes Programm auf die Beine gestellt. Alle Eckdaten finden sich auf der Homepage des Festes.
mb
