Statt Lehrerin: Neumarkt-St. Veiterin sattelt um
„Wichtiger als das große Geld“: Hauswirtschafterin Anni (21) hat ihren Traumjob gefunden
Gymnasiallehrerin wollte sie ursprünglich werden, jetzt lernt sie Hauswirtschafterin: Anni Esterl aus Neumarkt-St. Veit. „Freude am Beruf ist mir wichtiger als das große Geld.“ Wer ihre Jobwahl belächelt, täuscht sich. „Was ich hier lerne, ist so viel wertvoller“, so die 21-Jährige.
Neumarkt-St. Veit/Oberbergkirchen – Die junge Frau hat Abitur und mit einem Stipendium Lehramt Gymnasium für Deutsch und Religion studiert. Doch das war nicht ihr Ding, ihr fehlte das „Handfeste“. Sie brach nach zwei Semestern ab und lernt jetzt Hauswirtschafterin. Nach dem Berufsgrundschuljahr erlebt sie nun ein Jahr Praxis und absolviert dann die Prüfung. Die 21-jährige Anna-Theresia Esterl hat ihren Traumjob gefunden, wie sie erzählt.
Zwei Betriebe teilen sich eine Auszubildende
Von ihrem Umfeld wurde sie zunächst belächelt, „doch jetzt holen sich die Leute Tipps von mir“, lacht die Neumarkt-St. Veiterin. Kochen, Backen und Gartenarbeit sind ihre Lieblingstätigkeiten im Rahmen ihrer Dualen Ausbildung zur Hauswirtschafterin. „Mit dem Melken hab ich auch kein Problem“, lacht Anni. Den Umgang mit Melkstand und Melkmaschine hat sie bei Barbara Bruckmeier auf dem Mayerhof in Neumarkt-St. Veit gelernt, wo sie 75 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit verbringt. Die restliche Zeit lernt sie bei Lucia Niedermeier in Oberbergkirchen.
Bruckmeier und Niedermeier sind beide Hauswirtschaftsmeisterinnen und teilen sich die Auszubildende, haben eigens einen Kooperationsvertrag geschlossen – in Abstimmung mit dem Amt für Landwirtschaft Ernährung und Forsten (AELF) in Töging. Ein Tag Berufsschule und vier Tage auf den Höfen der beiden Ausbilderinnen – so sieht Annis Woche aus.
60 Kühe im Stall gehören auch dazu
„Sharing ist hier eine gute Möglichkeit für Azubis, weil sie gleich zwei Betriebe erleben. Und die landwirtschaftlichen Betriebe, die nicht so viele Tätigkeiten haben, können im Verbund ausbilden“, erklärt Patrick Maier, Fachlehrer für Hauswirtschaft am AELF in Töging, der auch für die Bildungsberatung zuständig ist. Bei den Niedermeiers lernt Anni viel über Gartenarbeit und Bevorratung und bei den Bruckmeiers wird sie im Haushalt, bei der Betreuung der Kinder und im Stall gebraucht, wo 60 Kühe stehen.
Großen Respekt vor Kühen
„Ich wage mich nicht alleine unter eine Gruppe Rinder“, so die 21-Jährige. Darum werde sie wohl später nicht als Betriebshelferin arbeiten. Ihre Ausbilderin Barbara Bruckmeier nickt verständnisvoll. Respekt zu haben, sei wichtig, doch Angst sollte man nicht zeigen. „Wenn eine Kuh nicht aus dem Weg geht, muss man dominant auftreten“, sagt sie. Auf der Weide sei der Umgang gefährlicher.
Viel mehr, als „das bisschen Haushalt“
Schon am Anfang von Annis Praktikum auf dem Hof der Bruckmeiers hatten die Kühe ihren großen Auftritt: Sie büxten aus und mussten eingefangen werden. Die Bauersleute mussten handeln und Anni sagte, „kein Problem, ich kümmer‘ mich um die drei Kids, fangt ihr die Viecher wieder ein“. Da war Barbara Bruckmeier beeindruckt von der jungen Frau, die sich sofort auf eine neue Situation einstellen konnte.
„Dass der Job so abwechslungsreich ist, das liebe ich“, sagt die 21-Jährige, die schon mal die Kinder vom Kindergarten abholt oder bei den Hausaufgaben beaufsichtigt. Anni hat einen Lehrgang besucht, um alles richtigzumachen. Ihr Beruf ist so viel mehr, als „das bisschen Haushalt“.
Zu Unrecht angestaubtes Image
„Zu Unrecht hat das Berufsfeld Hauswirtschaft ein angestaubtes Image“, sagt Fachlehrer Maier, der selbst gelernter Hauswirtschafter und Betriebswirt für Ernährungs- und Versorgungsmanagement ist. Oft hören die Auszubildenden, „Kochen, Backen und Putzen – das kann meine Mama auch.“ Erst wenn in einem Betrieb – ob in der Landwirtschaft, einem Pflegeheim oder beispielsweise einem Kindergarten – derjenige ausfällt, der für die Hauswirtschaft zuständig ist, werde die Bedeutung schmerzlich bewusst.
„Es geht ja auch um die hauswirtschaftlichen Betreuungsleistungen für verschiedene Personengruppen, wie Kinder oder Senioren“, erklärt Maier. Nach der Ausbildung kann man als Dorfhelfer/in, Betriebshelfer/in, Hauswirtschafter/in in privaten Haushalten oder in der Hauswirtschaftsabteilung in einem Altenheim oder Kindergarten arbeiten oder sich zu Fachlehrer/in oder Betriebswirt/in weiterbilden.
Drei Wege zur Ausbildung
Um die Ausbildung anzutreten, braucht es keinen landwirtschaftlichen Hintergrund. Laut Maier gibt es mehrere Wege, wie man den Abschluss erlangen kann. Einen geht derzeit Anni, den Dualen Weg mit drei Ausbildungsjahren. Sie kann um ein Jahr verkürzen, weil sie das Abitur hat. Darüber hinaus gibt es die rein schulische Ausbildung, etwa an der Berufsschule Mühldorf oder auch den zweiten Bildungsweg. Den bietet die Landwirtschaftsschule, Abteilung Hauswirtschaft, in Töging an.
Die Nachfrage nach den Plätzen in Töging sank in den vergangenen Jahren. Aktuell, fürs kommende Semester, steigt sie an, es gibt sogar eine Warteliste. Maier kennt die bayernweiten Zahlen für die Duale Ausbildung. Hier gibt es einen Rückgang bei den neu geschlossenen Ausbildungsverträgen um 22,6 Prozent, gegenüber 2019 um 24,3 Prozent.
Praktiker fehlen überall
Die beiden Ausbilderinnen Niedermeier und Bruckmeier, die auch im Prüfungsausschuss sitzen, plädieren für eine praxisnahe Ausbildung. „Praktiker fehlen überall“, so Niedermeier. Vergütungen sind tariflich geregelt – auch in späteren Tätigkeitsfeldern. Anni bezieht derzeit 780 Euro netto Lehrlingsgehalt und ist voll zufrieden damit.
Geld ist für die engagierte junge Frau noch nie ein Entscheidungskriterium gewesen. Klar, sagt sie auf Nachfrage der Reporterin, als Gymnasiallehrerin erreiche man ein höheres Einkommen. „Die Freude am Beruf ist mir wichtiger als das große Geld. Das, was ich hier lerne, ist viel wertvoller, das kann man nicht in Zahlen aufwiegen.“
Anni weiß schon, wie es nach ihrer Lehrzeit weitergeht. Sie fängt beim Maschinenring an und wird in den Landkreisen Mühldorf und Altötting als Haushaltshilfe verliehen. Auch in Einsatzbereiche ohne landwirtschaftlichen Bezug. Beispielsweise, wenn in einer Familie eine Mama wegen Schwangerschaft oder Burnout ihrer Rolle nicht mehr gerecht werden kann, hat man über die Krankenkasse die Möglichkeit, stundenweise eine Haushaltshilfe anzufordern.
Vereinbarkeit von Job und Familie
Pläne für ihre eigene Familienplanung habe Anni Esterl konkret noch keine – auch wenn sie bereits seit einem Jahr verheiratet sei. „Ich will erstmal ein bisschen arbeiten. Wenn ich mal Kinder habe, lässt sich das gut in Teilzeit mit meinem Beruf vereinbaren. Wenn die dann in Schule oder Kindergarten sind, kann ich vormittags auf den Höfen arbeiten“.
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