Aufwands-Entschädigung soll deutlich angehoben werden
„Grund zum Fremdschämen“: Sattes Plus für Mühldorfs Stadträte sorgt für hitzige Debatten
Einem Aufschrei über eine Erhöhung von sieben Prozent für EU-Beamte könnte nun einer für ein viel größeres Plus für die Mühldorfer Stadträte folgen: Die Aufwandsentschädigung soll kräftig erhöht werden. Aufgrund einer hitzigen Diskussion in der jüngsten Stadtratssitzung wurde die Entscheidung vertagt.
Mühldorf – 20 Jahre lang gab es keine Erhöhung der Aufwandsentschädigung für die Stadtratsmitglieder. Jetzt soll auf Antrag der CSU-Fraktion für die ehrenamtliche Tätigkeit ein kräftiges Plus von insgesamt 46 Prozent ab Januar 2023 folgen. Damit verbunden soll die Anpassung der Aufwandsentschädigung automatisiert und an die Beamtenbesoldung Bayern gekoppelt werden. Dieser Vorstoß bekam im jüngsten Stadtrat nicht nur Applaus.
Bürgermeister Michael Hetzl (UM) machte deutlich, dass er den Vorstoß zum jetzigen Zeitpunkt für ein falsches Zeichen hält. Der Antrag hatte ihn seitens CSU-Fraktionschef Stefan Lasner per Mail am 18. September erreicht.
Fatales Signal in drohender Rezession
Mit Verweis auf einen Bericht in den OVB-Heimatzeitungen über den allgemeinen Aufschrei über die geplante rund Sieben-Prozent-Erhöhung für EU-Beamte gab Hetzl zu bedenken, dass die Stadt es mit viel höheren Prozentwerten zu tun habe. Laut Rechnung der Stadtverwaltung sei eine Erhöhung im Schnitt aller neun Entschädigungsposten von 60 Prozent zu konstatieren, verdeutliche Hetzl seine Position auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen.
Und weiter: „Natürlich wirken einzelne Posten wie die Erhöhung der Grundentschädigung von 90 auf rund 105 Euro nicht sehr drastisch. Dafür sind beispielsweise 18 Prozent vorgesehen. Prozentual sieht es für den Fraktionssprecher schon anders aus“, erklärt Hetzl seine Sicht. Er beziffert den Aufschlag mit satten 165 Prozent, wenn die Entschädigung von 90 auf 238 Euro angehoben würde. Unterm Strich ergebe sich bei einem planmäßigen Stadtratsjahr laut Hetzl eine Steigerung der Gesamtausgaben von rund 88.000 Euro auf rund 129.000 Euro, was ein Plus von insgesamt mit 46 Prozent sei. Laut Antrag der CSU müsse das im Personalhaushalt 2023 der Stadt berücksichtigt werden.
„Kalkulatorischer Schwachsinn“
Natürlich sei es jedem selbst überlassen, welche Rechnung er bevorzuge, sagte Hetzl vor den Stadträten. Ganz anders sah das erwartungsgemäß Antragsteller Stefan Lasner, der Hetzls Rechnung als „kalkulatorisch absoluten Schwachsinn“ bezeichnete.
„Ich versuche, sachlich zu bleiben, aber das ist mathematisch falsch“, konstatiert Lasner auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen. Manche Entschädigungsposten machen einen Sprung nach oben, weil die Gelder seiner Ansicht nach dem Aufwand der jeweiligen Aufgaben entsprechend „gerechter verteilt“ werden. Darunter falle etwa der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses. „In Waldkraiburg erhält der RPA-Vorsitzende ein monatliches Fixum von 150 Euro. Bei uns sind es lediglich 30 Euro pro Sitzung.“
„Grund zum Fremdschämen“, vergleichbar Maskendeals
Die Debatte im Stadtrat zeigte im weiteren Verlauf klare Frontlinien: Oliver Multusch (AfD) kritisierte die „Selbstbedienungsmentalität der CSU“. Darüber hinaus bemängelte er, dass beim Entwurf bestimmte Gruppierungen, darunter auch seine AfD, nicht berücksichtigt werden. Er kritisierte, dass die CSU den Fokus auf bestimmte Parteien setze. UM-Stadtrat Dr. Reinhard Wanka nannte den Vorstoß der Christsozialen gar einen „Grund zum Fremdschämen“, der ihn persönlich an die Maskendeals der jüngsten Geschichte erinnere.
Fraktionskollege Markus Saller warf mit dem Hinweis, dass ein Ehrenamt eigentlich nicht in Relation zum Öffentlichen Dienst gesetzt werden sollte, einen weiteren Gesichtspunkt in die Debatte. Dazu komme, dass diese angesichts „gescheiterter Energiewende, drohender Rezession und beginnender Deindustrialisierung“ nicht die Zeit passe. Daher werde die UM-Fraktion geschlossen gegen den Antrag stimmen, so Saller.
Volle Unterstützung des Vorschlags ist von SPD- und Grünen-Fraktion zu erwarten. Während Angelika Kölbl (SPD) auf die zwei Jahrzehnte ohne Erhöhung verwies und betonte, dass sie „jeden einzelnen Euro“ zusätzlich in ihrer Vereinsarbeit lasse, zollte der Grüne Dr. Georg Gafus Stefan Lasner für seinen Mut, dieses Thema „nachhaltig“ lösen zu wollen, Respekt. „Es ist dafür immer die falsche Zeit. Aber wir sprechen über Aufwandsentschädigungen und kein Gehalt.“
Klare Fronten im Stadtrat
Bürgermeister Hetzl machte deutlich, dass er diesem Antrag nicht zustimmen werde. „Es gibt Strömungen in der CSU-Fraktion, die sagen: Egal, das muss jetzt sein“, sagte Hetzl. Stefan Lasner hält hier dagegen, dass das Thema bereits seit rund einem Jahr mit Kollegen im Stadtrat diskutiert worden sei.
Auf Vorschlag von Georg Gafus wurde der Antrag auf die kommende Stadtratssitzung vertagt; bis dahin sollen die Fraktionsspitzen darüber beraten.
Wie Stefan Lasner im Nachgang zu der Sitzung sagte, könnte ein Kompromiss die Streichung der im Antrag festgelegten komplett neuen Fraktionsentschädigung sein; die Zahlungen aus diesem Posten sollten dazu dienen, die laufenden Kosten zum Beispiel für Öffentlichkeitsarbeit zu finanzieren. Dieser Posten würde rund 15.000 Euro ausmachen, erklärt Lasner.
Dass der Antrag der CSU in welcher Form auch immer beschlossen wird, davon geht Bürgermeister Hetzl aus, auch wenn es keine vergleichbare Kopplung von Entschädigungen an Beamtenbesoldung in anderen Kommunen gebe.
(pet)
