Ab 2024 nur noch deutsche Milch
Verlogene Werbeaktion? Bauern protestieren vor Mühldorfer Aldi und kritisieren Tierwohl-Inszenierung
Mit einer Aktion haben Bauern aus dem Landkreis Mühldorf gegen eine Werbeaktion von Aldi protesitert. Sie werden dem Discounter eine verlogene Werbeaktion vor.
Mühldorf – „Aldi schmeißt mit Werbegeld um sich und knausert beim Tierwohl“ – diese Kritik äußert der Bayerische Bauernverband (BBV) gegenüber dem Discounter. Am Freitag trafen sich Vertreter des BBV im Kreis Mühldorf/Altötting vor der Filiale in Mühldorf, um ihrem Protest Gehör zu verleihen.
Aldi bewirbt Tierwohl auf Kosten der Bauern
Worum geht es? Mit großen Anzeigen kündigt der Lebensmitteldiscounter Aldi aktuell einen „#Haltungswechsel“ für mehr Tierwohl an. Frischfleisch soll demnach bis 2030 nur noch aus den Haltungsformen drei und vier kommen, das bedeutet dass Tiere Frischluftkontakt haben oder im Freien gehalten werden.
Zusätzlich hat Aldi angekündigt, dass bei Eigenmarken künftig keine Frischmilch aus Stal mehr verkauft werden soll. „Betroffen wären insbesondere kleinere Milchbauern in ganz Süddeutschland“, heißt es dazu aus der BBV-Geschäftsstelle in Töging.
Standards steigen- doch wer zahlt das?
Der Vorwurf: Während Politik und Bauernverbände in Bayern und Baden-Württemberg in den letzten Jahren gemeinsam an Wegen gearbeitet hätten, damit genau diese Betriebe ihre Tierhaltung Schritt für Schritt weiterentwickeln können, habe Aldi nun seine Machtposition ausgenutzt.
Bauern tragen die Kosten
Der Handelskonzern stelle Bauern einmal mehr vor vollendete Tatsachen und gefährde damit die regionale Landwirtschaft: „Die Standards in Sachen Tierwohl steigen. Doch die Frage, wer die damit verbundenen Kosten trägt, ist offen. Die Existenz Dutzender Höfe im Landkreis Mühldorf steht auf dem Spiel“, sagt Ulrich Niederschweiberer, Kreisobmann des BBV in Mühldorf.
Gemeinsam mit seinem zweiten Vorsitzenden Gerhard Langreiter macht Niederschweiberer, stellvertretend für alle betroffenen Landwirte, auf die aus ihrer Sicht „verlogenen Werbemaßnahmen“ aufmerksam: „In teuren Anzeigen behauptet Aldi, dass Tierwohl eine Frage der Haltung sei“, sagt Niederschweiberer. „Vor allem ist Tierwohl aber eine Frage der Umsetzbarkeit und des Geldes. Zu einem Haltungswechsel gehört auch ein Ende der Niedrigpreise!“
Aggressive Niedrigkeitsstrategie des Discounters
Das macht der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl in einem offenen Brief an Aldi deutlich: „Aldi inszeniert sich als Hüter und Unterstützer von Tierwohl in der Landwirtschaft.“ Tatsächlich erlebe man aggressive Niedrigpreisstrategien – auch für Tierwohl-Fleisch.
Nach zweijährigen Verhandlungen über ein branchenweites Tierwohlprogramm für Rindfleisch und Milch hätten die Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels zuletzt einen umfangreicheren Katalog an Tierwohlkriterien verhindert, da sie den Kostenausgleich für die Landwirte nicht bezahlen wollten.
„Gleichzeitig sind aber anscheinend riesige Werbebudgets vorhanden. Das passt einfach nicht zusammen!“, sagt Heidl und fordert von Aldi eine angemessene Honorierung von Tierwohl, die Berücksichtigung der besonderen Situation kleinerer Betriebe sowie Einbeziehung aller Marktsegmente in Tierwohlprogramme.
Aldi weist alle Vorwürfe zurück
Die Aldi Süd weist die Vorwürfe zurück, dass sich die Bemühungen des Discounters alleine auf Werbemaßnahmen reduzierten. „Wir haben bereits zahlreiche konstruktive Gespräche mit verschiedenen Stakeholdern geführt, unter anderem mit Vertretern aus der Politik, NGOs oder Verbänden, und werden diese intensiv fortführen“, betont Sprecher Berit Kunze-Hullmann.
Nutztierhaltung in Transformation
Aldi sei bewusst, dass sich die Nutztierhaltung in Deutschland in einem Transformationsprozess befindet, der in den kommenden Jahren große Veränderungen und Herausforderungen mit sich bringen werde. Man setze auf konstruktiven und partnerschaftlichen Dialog, gleichzeitig wolle man den Landwirten Planungssicherheit geben. Und Aldi stellt klar: Die höheren Kosten der Landwirte für bessere Haltungsbedingungen, zu denen auch mehr Platz und Zugang zu frischer Luft für die Tiere zählen, wirkten sich auf den Preis aus. Fleisch und Milch der Tierwohl-Haltungsformen könne es daher nicht zum Preis von konventioneller Ware geben.
Discounter nimmt die Politik in die Pflicht
Schlussendlich habe sich auch der Lebensmittelhandel nach Angebot und Nachfrage auf dem Markt zu richten. Deswegen sagt Aldi auch: „Wie hoch der Auszahlungspreis an die Landwirte letztlich ist, können wir – durch das Kartellrecht festgelegt – nicht unmittelbar beeinflussen.“ Erste Ideen aus dem Agrardialog für abgestimmte Preissetzungen entlang der Lieferkette habe das Bundeskartellamt zuletzt abgelehnt.
Preisaufschläge reichen nicht
Und: Preisaufschläge im Handel allein werden nach Ansicht von Aldi bei den komplexen Marktstrukturen nicht ausreichen, damit mehr Geld bei den einzelnen Landwirten ankommt oder die Transformation zu mehr Tierwohl finanziert werden könne. Vielmehr könne nur die Politik die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, um die laufende Transformation in geordnete Bahnen zu lenken und den landwirtschaftlichen Betrieben über Jahre hinweg finanzielle Sicherheit zu geben.
