„Konnte nicht glauben, was ich im Fernsehen sah“
Ehemaliger Mühldorfer wählt im Bundesstaat Kansas – was ihm vor der US-Wahl Sorgen bereitet
Wie zerrissen Amerika vor der Wahl ist, erlebt der ehemalige Mühldorfer Mike Henson live. Er lebt in Kansas. Wenn es um die Folgen einer Trump-Wahl geht, hat er eine ganz eigene Meinung.
Mühldorf/Topeka - Der Anruf aus Mühldorf erreicht Mike Henson mitten im Endspurt zur US-Wahl. Die OVB Heimatzeitungen wollen wissen, wie die Stimmung wenige Tage vor der Entscheidung ist. Der 75-Jährige lebte zusammen mit seiner Frau Heidi einige Jahre in Mühldorf. 2020 zog der gebürtige US-Amerikaner zurück in seine Heimat. In Topeka, der Hauptstadt des Bundesstaates Kansas, fiebert er wie viele andere Amerikaner der US-Wahl entgegen.
Kansas war immer schon in der Hand der Republikaner
Eines ist Henson klar: In Kansas gibt es nur einen Favoriten und der heißt Donald Trump. Schon bei der letzten Wahl gewann der Republikaner mit einem Vorsprung von 14,65 Prozentpunkten. Und auch die jüngsten Umfragen vom 16. Oktober sehen Trump vorne mit 48,2 Prozent gegenüber 43,2 Prozent von Kamala Harris.
Henson macht keinen Hehl aus seiner Antipathie gegenüber dem 78-Jährigen, der von 2017 bis 2021 als 45. Präsident der Vereinigten Staaten im Weißen Haus geherrscht hat. „Trump hat viel mehr Schlimmes als Gutes in sich.“ Es ist der Populismus Trumps, der ganz Henson an die Nieren geht. Die Amerikaner ließen sich von Versprechungen ködern, dass Lebensmittel billiger würden, das Benzin billig bleibe oder die Grenzen dichtgemacht würden. „Und wenn Trump in seiner Rhetorik Grenzen überschreitet, dann hört man: Der meint es doch nicht so!“
Noch nie war die Zerissenheit größer
Henson bekommt hautnah mit, wie besonders in diesem Wahlkampf polarisiert würde. Es sei eine klare Spaltung in der Gesellschaft erkennbar, auch im Bundesstaat Kansas, in dem er lebt. Die Landschaft und die Städte sind voll mit Plakaten, Tafeln und Schildern, die für Trump werben. Sympathisanten für Kamala Harris seien nur schwer auszumachen.
„Kaum jemand traut sich ein Schild mit einer Harris-Aufschrift vor sein Haus zu stellen, weil man Vandalismus befürchtet!“ Dass in solchen Fällen auf ein Haus geschossen wird, solche Geschichten seien ihm zu Ohren gekommen. Trotrzdem scheint der Bundesstaat nicht komplett in republikanischer Hand zu sein. Seit 2019 heißt die Gouverneurin Laura Kelly, eine Demokratin.
Henson glaubt übrigens nicht daran, dass der Sieger der Präsidentschaftswahl schon am Dienstag feststeht. „Da können drei bis fünf Tage ins Land ziehen, bis es ein klares Votum gibt“, befürchtet Henson. Und er sorgt sich darum, welche Auswirkungen ein knappes Ergebnis haben könnte. Dass die Trump-Anhänger im Falle einer Niederlage ihres Kandidaten auf die Straße gehen könnten. „Als die Proud Boys damals das Capitol in Washington stürmten, konnte ich nicht glauben, was ich im Fernsehen sah!“
Angst beim Thema Außenpolitik
Von Angst spricht Henson sogar, wenn er die außenpolitischen Auswirkungen eines Trump-Siegs betrachtet. Wenn Trump behauptet, er könne den Ukraine-Krieg beenden, dann fehle ihm die Phantasie dafür, wie das möglich sein sollte. „Trump spricht immer von Deals. Ich denke nicht, dass sich ein Putin auf irgendwelche Deals mit Trump einlässt.“
Überhaupt werde der nächste Präsident mit einer Reihe von schwer wiegenden Konflikten in der Welt konfrontiert. Der Krieg im Nahen Osten und die damit verbundene Unterstützung Israels. Der immer größere Einfluss der BRICS-Staaten und die immer größere Bedeutung Chinas als Global Player. Das seien nicht die besten Voraussetzungen für den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Ganz klar für Kamala Harris
In einer Sache ist Henson unerschütterlich: Wenn es um seine eigene Meinung geht. „Ich bin klar für Kamala“, sagt der 75-Jährige. Wohl wissend, dass er als Unterstützer der Demokraten in Kansas in der Minderheit ist. „Die beiden Stimmen von meiner Frau Heidi und mir werden jedenfalls nicht entscheidend sein“, glaubt er mit Blick auf die sechs Wahlmänner, die aus dem Bundesstaat Kansas entsandt werden.
Wenn Henson davon spricht, dass er Harris unterstützen wird, dann in erster Linie als Demokrat. Denn so froh Henson auch darüber war, dass Joe Biden noch die Reißleine (“Viel zu spät!“) gezogen und seine erneute Kandidatur zurückgezogen hatte. Harris sei für Henson nicht die erste Wahl gewesen als Nachfolgerin. Den Gouverneur aus Pennsylvania, Josh Shapiro, oder Kaliforniens Gouverneur, Gavin Newsom, hält er für durchaus fähigere Leute.
Henson ist sich auch nicht sicher, ob die USA jetzt schon reif ist für eine Frau als Präsidentin, noch dazu mit dunkler Hautfarbe. „Ich hatte es damals Hillary Clinton zugetraut, die Nachfolge von Barack Obama anzutreten. Da war ich mir zu 100 Prozent sicher. Aber daraus ist nichts geworden. Biden hatte ich nicht auf der Rechnung, weil er zu alt war. Und trotzdem ist er es geworden. Was ich sage, es kommt immer anders.“
Die Prognose?
Mit einer Prognose zum Ausgang der Wahl hält sich Henson zurück. Seine Fröhlichkeit will er sich aber so oder so nicht nehmen lassen. „Wenn Trump gewinnen sollte, dann wird die Welt nicht untergehen!“, sagt er. Nach kurzem Zögern schiebt er hinterher: „Zumindest nicht am selben Tag!“

