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Möglichst künstlich aussehen

Süchtig nach Schönheits-OPs: Warum Stefan aus Ampfing die größten Lippen der Welt haben will

Findet seine Lippen immer noch zu klein: Stefan Streubel aus Ampfing.
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Findet seine Lippen immer noch zu klein: Stefan Streubel. Der Ampfinger hat eine Friseurlehre bei Udo Walz absolviert, arbeitet aber heute in der Automobilbranche.

70.000 Euro hat Stefan Streubel bisher in sein Aussehen investiert und für ihn ist noch lange nicht Schluss. Der Ampfinger will möglichst künstlich aussehen und die größten Lippen der Welt haben.

Ampfing – Wenn Stefan Streubel in den Spiegel schaut, findet er, dass seine Lippen zu schmal sind. Dass es mal wieder Zeit ist, für Filler und Botox. Dabei hat der Ampfinger bisher schon rund 70.000 Euro für Eingriffe und Anwendungen ausgegeben. „Ich will möglichst künstlich aussehen und die größten Lippen der Welt haben“, berichtet der für immer 29-Jährige. Eigentlich ist er 31, aber wen kümmert‘s? Stefan nicht, der lacht und kokettiert. Und polarisiert.

Und das gefühlt sein ganzes Leben lang. Als Exot im dörflichen Ampfing hatte er es als Schüler nicht leicht: Mobbing war an der Tagesordnung – und die Lehrer standen ihm nicht bei. „Ich hab am Pausenhof am liebsten mit den Mädchen gechillt.“ Vielen Jungs sei er zu weiblich aufgetreten. „Sie haben mich vor den Lehrern in den Bauch geboxt, niemand griff ein. Das war keine schöne Zeit“, erzählt der homosexuelle junge Mann, der sich erst später geoutet hat. Und auch wenn er versucht, die Erinnerung wegzulächeln, so schwingt eine Traurigkeit über die Verletzungen mit. Irgendwann wurden sie zu seiner Antriebsfeder, sich zu wandeln.

Er will ein Kunstwerk sein

Eine Nasen-Korrektur habe er sich schon mit 14 Jahren gewünscht. „Ich wollte mich verändern, damit die Leute mich mögen und ich in die Gesellschaft reinpasse.“ Heute wolle er nur noch sich selbst gefallen und eine Art Kunstwerk aus sich machen. In der Gesellschaft eckt er damit wieder an – vielen ist sein Look zu künstlich.

Bisher hat er sich Nase, und Zähne sowie ein Liplift und eine Haartransplantation machen lassen. Dazu kommt eine Magenverkleinerung, die ihn rund 10.000 Euro gekostet hat. Das Gesicht sei mit Botox, Hyaluron und Fillern behandelt. Früher habe er sich selbst Hyaluron gespritzt. Heute ist er vernünftiger und will die Risiken nicht mehr eingehen. Po- und Face-Lift werden fällig, sobald er sein Wunschgewicht durch Gewichtsabnahme erreicht habe. „Ich bin süchtig nach Schönheits-OPs.“

„Abgesehen von der Proportionslehre und den jeweils bestehenden Schönheitsidealen der jeweiligen Zeit liegt Schönheit im Auge des Betrachters“, sagt Dr. Hamid Reza Teymouri, der nicht nur kosmetische Eingriffe, sondern auch Wiederherstellungsoperationen nach starker Gewichtsabnahme, Krankheiten und Unfällen durchführt. Der plastische und ästhetische Chirurg, der aus Mühldorf stammt und in Altötting seine Praxis betreibt, betrachtet die Bilder des Ampfingers mit dessen Einverständnis.

Plastischer Chirurg Dr. Hamid Teymouri.

„Comic-hafte Lippen“

Der Fachmann sieht, dass die obere Gesichtspartie optimiert wurde, etwa durch Botox. Die Größenverhältnisse seien nicht relevant verändert worden. „Am auffälligsten sind die Lippen, die fast comic-haft vergrößert wurden“, so Teymouri. Die Proportionen seien nicht mehr natürlich, das sehe auch ein ungeschultes Auge. Allerdings ist das auch Streubels Ziel. „Es setzt ein gewisser Gewöhnungseffekt ein und dann finde ich meine Lippen wieder zu klein“, sagt er. Teymouri weiß, wenn Menschen eine gestörte Selbstwahrnehmung haben, sei die Ursache im psychischen Krankheitsfeld zu suchen. „Seelische Belange kann man nicht einfach durch körperliche Eingriffe lösen“, ist der Chirurg überzeugt. Manchmal sei eine psychologische Behandlung sinnvoll.

Haartransplantation statt Antidepressiva

Er habe früher an einer Depression gelitten, sagt Streubel. „Ab meiner Haartransplantation brauchte ich keine Antidepressiva mehr“. Er fühle sich glücklich und selbstbewusst. „Wenn ich das aus einem psychologischen Problem heraus erreichen konnte, ist das doch okay. Warum soll man die Möglichkeit, sich zu verändern, nicht nutzen, wenn es sie schon gibt?“, fragt er. „Der Norm der Gesellschaft entspreche ich nicht, viele verstehen mich nicht. Aber ich gefalle mir und das ist das Wichtigste.“

Flucht vor engem Dorfleben nach Berlin

In der Hoffnung sich dort besser entfalten zu können, zog Stefan mit 17 nach Berlin, wo er sein Schwulsein nicht mehr so verbergen musste. Frei aber fühlte sich der junge Mann nicht. „In der U-Bahn schlug mal eine Gruppe von Männern auf mich ein, weil ich mit meiner Begleiterin die Schuhe getauscht hatte. Sie konnte in ihren hohen Hacken nicht mehr laufen und ich gab ihr meine Turnschuhe im Austausch“, erinnert sich Streubel. Seine Freundin habe die Männer mit Pfefferspray abgewehrt.

Liebt seinen künstlichen Look: Stefan Streubel aus Ampfing.

Bei Udo Walz absolvierte er in der Hauptstadt eine Ausbildung zum Friseur. 2019 wechselte er nach einer Umschulung zum Industriekaufmann in die Autobranche und ist heute in Stuttgart tätig. Angestarrt wird er immer wieder.

Hass im Netz

Auf Instagram bekomme er viele Hass-Kommentare und auch mal Morddrohungen. Letztere zeigt er an. „Hate im Netz prallt an mir ab, das musste ich aber erst lernen.“ In der realen Welt habe er Angst, schließlich wisse man nie, wozu jemand fähig sei.

Mama hält zu ihm

Derzeit arbeitet Stefan an einem Song, er will ihn im Mai herausbringen. Die Daumen drückt ihm seine Mama. Sie hält zu ihrem Sohn. Mehrmals im Jahr besucht er sie im Landkreis. Dort leben, das will er nicht. „In ihrem Dorf gibt es ja keinen Arzt, der mir Botox spritzt“, sagt er augenzwinkernd.

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