Was ist am 5. Februar 2021 wirklich passiert?
Zweifel am Autorennen: Zeugin im Prozess nach Tod eines 16-Jährigen in Mühldorf unter Druck
Es ist der erste Prozesstag nach dem Unfalltod eines 16-Jährigen in Mühldorf. Dabei gerät die Glaubwürdigkeit der Zeugin, die den Vorwurf eines illegalen Autorennens erhoben hat, massiv unter Druck.
Mühldorf – Die beiden Angeklagten schweigen. Sie sagen nichts zu dem, was am Abend des 5. Februar auf der Nordtangente in Mühldorf geschehen ist, als ein Jugendlicher stirbt, angefahren von Hans T. (Alle Namen von Angeklagten und Zeugen geändert) Der muss sich zusammen mit Peter A. vor dem Mühldorfer Amtsgericht verantworten, weil beide ein illegales Autorennen gefahren haben sollen, an dessen Ende ein 16-Jähriger tot ist, der zu Fuß auf der Straße unterwegs war.
Angeklagte sagen kein Wort
Das Wort führen die Verteidiger. Sie sagen, dass ihren Mandanten das Geschehen unendlich leid täte, sie darunter litten, sich durch die Medienberichterstattung vorverurteilt fühlten, es ungeschehen machen würden, wenn sie könnten. Manchmal wandert der Blick T.‘s zum Vater des 16-Jährigen, der als Nebenkläger im Saal ist. Ein persönliches Wort richten die beiden 22-Jährigen nicht an den Mann, der am 5. Februar 2021 seinen Sohn verloren hat.
Stattdessen sprechen die Rechtsanwälte. Axel Reiter verteidigt Hans T., dessen VW-Golf den 16-Jährigen tötete. Jörg Zürner spricht für Heinz A., der mit einem Seat Leon unterwegs war. Sie schildern den Verlauf des Freitagabend so: Hans T. ist auf der Nordtangente Richtung Mühldorf unterwegs. Kurz hinter dem Kreisel bei McDonalds erkennt er im Rückspiegel den Seat Leon eines Freundes Peter A., der einmal aufblinkt. T. antwortet mit der Warnblinkanlage, er ist nach Angaben seines Anwalts mit 70 bis 80 Kilometern in der Stunde unterwegs. Die Autos sind 200 bis 300 Meter von einander entfernt.
Ampel am Steg zeigt grün
Dieser Abstand wächst, weil T. schneller fährt als A. Die Ampel an der Europastraße zeigt grün, als der Jugendliche völlig unvermittelt auf die Straße läuft. T. versucht auszuweichen – vergeblich. Er bremst scharf, lässt sein Auto ausrollen, steigt aus, will Erste Hilfe leisten. Jemand schickt ihn weg. A. kommt dazu, stellt sein Auto auf dem Parkplatz vor den TÜV ab. Ein Autorennen, sagen beide Verteidigter, habe es nie gegeben, auch keine Verabredung dazu.
Das behauptet Zeugin Maria K. Ihre Glaubwürdigkeit steht im Zentrum des ersten Verhandlungstags. Die junge Frau hat die beiden Autos vom Parkplatz des Mercedes-Autohauses aus beobachtet. „Sie sind zu schnell gefahren, viel zu schnell“, sagt sie vor Gericht. Sie fuhr dorthin und traf ihren Bekannten Peter A. neben seinem Seat auf dem Parkplatz vor dem TÜV. An den Inhalt des Gesprächs dort erinnert sie sich heute nicht mehr.
Vor Gericht keine Erinnerung mehr
Das ist am Tag nach dem Unfall anders, als die Polizei sie vernimmt. Da sagt sie: Peter A. habe sie aufgefordert, nicht zu sagen, dass es ein Rennen war. Richter Jürgen Branz zitiert aus dem damaligen Protokoll. „Häng‘ uns bitte nicht bei der Polizei hin, weil wir ein Rennen gefahren sind.“ Branz wird eindrücklich: „Das ist eine so entscheidende Aussage. Sie müssen sich doch erinnern, es ist so wichtig.“ Maria K. schüttelt den Kopf.
Auch Staatsanwältin Barbara Miller insistiert: „Wegen ihrer Aussage ist das hier alles eingeleitet worden.“ Maria K. bleibt dabei: „Ich habe so vieles verdrängt, ich weiß es nicht mehr.“
Dann berichtet sie, dass sich die Angeklagten schon früher zu Rennen getroffen hätten, es sei die Parkdeck-Clique gewesen. „Es war eine Truppe, die haben das sehr gerne gemacht. Meist auf der Straße unterhalb der Polizei in Mühldorf.“ Startpunkt sei das Kino gewesen, am Rewe vorbei Richtung Ahamer Kreisel und von dort zurück zum Parkdeck am Bahnhof. Sie sei dabei gewesen, habe aber seit ein paar Jahren nichts mehr damit zu tun. Sie sei gegen Autorennen.
Zeugin nach Aussage massiv unter Druck
Anwalt Zürner legt einen Screenshot aus dem Instagram-Auftritt der Zeugin vor, in dem sie von einem Autorennen schwärmt. In diesem Jahr. Richter Branz ist erschüttert. „Vereinen Sie zwei Persönlichkeiten, eine die für, eine die gegen Autorennen ist?“ Er hat keine weiteren Fragen an die junge Frau.
Tempo 120 – die Verteidiger bezweifeln das
Anwalt Reiter will wissen, wie die Zeugin dazu komme, von Tempo 120 oder 130 zu sprechen. „Er war sehr schnell, diese Angabe war meine Einschätzung“, sagt sie. Anwalt Zürner fragt, ob sie konkrete Anhaltspunkte für den Abstand der Autos von einander gehabt hätte. Die Antwort: „Nein.“ Zürner sagt: „Das ist eine rein persönliche Schätzung von ihnen.“ Er hakt nach, will wissen, was sie mit wem nach dem Unfall besprochen habe. Maria K. kann sich nicht mehr erinnern. „Ich stand unter Schock.“ Zürner fragt: „Sind sie früher schon einmal verurteilt worden, wegen falscher Beschuldigung?“ Hanna K. sagt: „Ja“.
Fußgängerampel stand auf rot
Die Freundin von Peter A. kann wenig zur Aufklärung beitragen, obwohl sie im Seat Leon saß. „Er ist normal gefahren, nur im Kreisverkehr hat er ein bisschen Gas gegeben.“ Sie habe aus dem Fenster geschaut und nichts gesehen, kein Aufblinken, keinen Warnblinker. Von einem Rennen sei nicht gesprochen worden. An die Begegnung mit Maria K. auf dem Parkplatz des TÜV kann sie sich erinnern, an das Gespräch aber nicht.
Auch die übrigen Zeugen berufen sich auf Schätzungen, Eindrücke, sagen Widersrpüchliches aus.
Sein Freund erinnert sich genau
Nur Achmed L. erinnert sich genau. Er ist 16-Jahre und war mit dem Opfer unterwegs. Sie blieben an der roten Fußgängerampel stehen, dann trat sein Freund plötzlich auf die Straße, wo ihn der Golf erfasste.
Die Verhandlung wird am 28. Dezember fortgesetzt.