Prozess am Amtsgericht Mühldorf
Wegen Geldmangel den Hitlergruß gezeigt? 45-Jähriger soll Migranten mit Waffe bedroht haben
Mit Softair-Pistole bedroht, Hitlergruß gezeigt: Ein 45-Jähriger soll in Mühldorf Migranten bedroht und beschimpft haben. Und das alles, weil Sonnwend war?
Von Gustav Schwalb
Mühldorf – Der Angeklagte war geständig. Teilweise. Er räumte ein, an einem Samstagabend im vergangenen Juni im Mühldorfer Norden dreimal vor Menschen mit dunkler Hautfarbe die rechte Hand zum Hitlergruß gereckt zu haben. Er räumte ein, einem Mann „Ausländer raus“ zugerufen zu haben. Und er räumte ein, nacheinander auf zwei Personen mit dunkler Hautfarbe eine Waffe gerichtet zu haben, als würde er sie erschießen. Die Staatsanwaltschaft legte ihm vor dem Amtsgericht Mühldorf noch drei ähnliche Fälle zur Last, einen davon in Töging. Die stritt der 45-Jährige aber ab.
Scheidung, Unterhalt, Frust
Vor Richter Florian Greifenstein erschien der im östlichen Landkreis Mühldorf wohnhafte und im östlichen Landkreis Altötting als Spezialelektriker berufstätige Mann in schwarzem Hemd mit sauber rasierter Glatze. Allein das Ermitteln seiner persönlichen Verhältnisse durch den Richter dauerte fast zehn Minuten.
Scheidung. Unterhalt für eine Tochter. Schulden. Privatinsolvenz. Wieder Schulden – wegen Auto-Reparaturen, Mikrowelle, solche Sachen. Die Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse der Mittelschule Neumarkt-St. Veit, die seiner Geschichte vom Zuschauerbereich aus folgten, enthielten sich aber ebenso eines Seufzers des Bedauerns wie ihre Lehrerinnen und Staatsanwältin Lisa Böhm.
An jenem Abend im Juni hatte ihn nach eigenem Bekunden Frust übermannt. In Mößling sei Sonnwend gefeiert worden und er habe aus Geldmangel nicht am Fest teilnehmen können. Nahe einem Mühldorfer Supermarkt habe er aber mitbekommen, wie ein Mann dunkler Hautfarbe einem Taxi entstieg, der „in unser Sozialsystem eingewandert ist“. Das Taxigeld habe dieser Fahrgast „wahrscheinlich nicht selbst erarbeitet“, mutmaßte der Angeklagte, wohingegen er mit seinen finanziellen Problemen nach der Scheidung alleingelassen worden sei.
Luftdruckpistole hatte er zufällig dabei
Bei jener Taxi-Beobachtung „ist mir die Hutschnur geplatzt“, sagte er mehrmals. Die Waffe, eine Luftdruck-Pistole, habe er zufällig im Auto gehabt, weil er sie aus Geldnöten verkaufen wollte. Mit Menschen anderer Hautfarbe habe er ein Problem, das gab er unumwunden zu. Auf Montage sei er in Ludwigshafen von „dieser Personengruppe geschlagen worden“. Auch in Offenbach habe er Anfeindungen erlebt, es gebe sie regelmäßig.
Die Polizei machte den Angeklagten durch sein Altöttinger Autokennzeichen ausfindig. Der Wagen ist auf den Namen seines Vaters angemeldet. So kamen die Ermittler auch auf andere Fälle, bei denen ein Mann aus dem Auto heraus den Hitlergruß gezeigt und Personen bedroht hatte, die Anzeige erstatteten. Erst wies er alle Vorwürfe zurück, dann meinte er zu einem Vorfall: „Die Möglichkeit besteht, ich kann mich nicht erinnern.“
Verhandlung geht weiter
Eher betreten blickte der Angeklagte drein, als ihm Richter Florian Greifenstein die Fotos zeigte, die Kriminalpolizisten der Abteilung Staatsschutz in dessen Wohnung gemacht hatten. „Geschmackssache“, meinte der Richter, „aber eigentlich auch nicht.“ Ein Stahlhelm, eine Reichskriegsflagge und „anderes Neonazizeug – da tät´ ich mich auch scheiden lassen“, sagte Greifenstein und fragte: „Ist das auch Ausfluss Ihres Frustes? Ästhetisch ist das nicht, eher ein Zeichen von Gesinnung.“
Die Verhandlung wird fortgesetzt. Zur nächsten Sitzung lädt das Gericht Zeugen, die sich laut Anklage von dem Mann bedroht fühlten.

