Weiter Todesfälle - nur drei Gemeinden im Kreis Corona-frei
Noch nicht über dem Berg - So geht es den Corona-Patienten im „InnKlinikum“ Mühldorf
In den Köpfen der Menschen mag die Corona-Pandemie nicht mehr allgegenwärtig sein - ausgestanden ist sie deshalb noch nicht. Dr. Gregor Zimmermann, Chefarzt der Pneumologie am „InnKlinikum“ Mühldorf schätzt die momentane Lage ein und erklärt, worauf es beim Einsatz neuer Medikamente ankommt.
Mühldorf - Auch wenn Corona seinen großen Schrecken mittlerweile verloren hat und die meisten Be- und Einschränkungen der Vergangenheit angehören, hat derzeit fast jeder in seinem Bekannten- oder Kollegenkreis einen Coronafall. Die Sieben-Tage-Inzidenz für den Landkreis lag am Freitag (24. Februar) bei knapp 154, es gab 181 neue gemeldete Corona-Infektionen. Nur drei Gemeinden - Erharting, Oberneukirchen und Rattenkirchen - waren offiziell Corona-frei.
Nur drei Gemeinden Corona-frei
Das „InnKlinikum“ meldete im Lauf der vergangenen sieben Tage täglich zwischen 50 und 30 corona-positive Patienten, verteilt auf die Stationen in Mühldorf, Altötting und Haag. Am Freitag, 17. Februar, waren davon noch fünf Patienten auf den Intensivstationen, vier davon mussten beatmet werden. Im Laufe der Woche sind acht Personen aus den Landkreisen Mühldorf und Altötting im Alter zwischen 65 und 92 Jahren im „InnKlinikum“ an Covid gestorben. Covid-Todesfälle aus dem Landkreis Mühldorf hat das Landratsamt 365 gezählt (Stand Freitag 24. Februar).
Die OVB-Heimatzeitungen haben im „InnKlinikum“ nachgefragt, in welchem Ausmaß Corona den Klinikalltag noch bestimmt. Dr. Gregor Zimmermann gibt Auskunft darüber, wie das Virus die heimischen Kliniken noch immer belastet.
Wie sehr schränken corona-positiv getestete Patienten den Betrieb im „InnKlinikum“ auf den Normalstationen derzeit noch ein?
Dr. Gregor Zimmermann: Derzeit nehmen wir am Standort Mühldorf täglich zwischen zwei und vier positiv getestete Patientinnen und Patienten auf. Wir haben Teilbereiche einer Normalstation für diese Isolationspatienten zur Verfügung gestellt. Aktuell (Stand 21. Februar) ist diese zu zwei Drittel mit SARS-CoV-2-positiven Patienten gefüllt. Zusätzlich kommen Patienten mit anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel RSV und Influenza, die wir isolieren müssen. Jedoch muss für die Isolationsbetten keine komplette Station mehr zur Verfügung gestellt werden, sodass die Einschränkungen nicht mehr so gravierend sind wie in der Vergangenheit.
Isolierstation für Positive
Müssen weiterhin planbare Operationen verschoben werden?
Zimmermann: Aktuell finden keine Verschiebungen von Operationen aufgrund von Corona statt.
Werden die Corona-Patienten in Einzelzimmern isoliert werden und welchen Schutzaufwand muss das Pflegepersonal betreiben?
Zimmermann: Aktuell werden die SARS-CoV2-positiven Patienten isoliert in Mehrbettzimmern untergebracht, damit keine anderen Patienten oder Mitarbeiter sich anstecken können. Diese Isolationszimmer werden vom Klinikpersonal nach wie vor in persönlicher Schutzausrüstung betreten. Aktuell können die positiv getesteten Patienten in mehreren Zimmern zusammengelegt werden, außer es finden sich Gründe für eine getrennte Isolation.
Lungenversagen eher selten
Sind diese Patienten wegen oder mit Corona in stationärer Behandlung?
Zimmermann: Im Gegensatz zu den Vorjahren sehen wir nur noch sehr selten schwere Verläufe. Etwa ein Drittel der Patienten hat keine Symptome. Diese Patienten können jedoch andere anstecken und müssen daher isoliert werden. Bei zwei Drittel der Patienten finden sich unterschiedlich ausgeprägte Symptome. Viele leiden während einer SARS-CoV-2-Infektion unter einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder einer Verschlechterung von vorbestehenden Erkrankungen wie etwa einer Herzschwäche, einer Nierenschwäche oder einer neurologischen Erkrankung. Zum Glück sehen wir nur noch selten ein schweres Lungenversagen. Diese Problematik finden wir insbesondere bei älteren Patienten, ungeimpften Patienten, oder Patienten mit einer schweren Immunsuppression. Der Anteil derer, die Sauerstoff benötigen, ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurückgegangen, ebenso die Todesraten.
Wie schwerwiegend sind die derzeit auf der Intensivstation behandelten Corona-Fälle?
Zimmermann: Das ist abhängig vom Grund der Aufnahme auf der Intensivstation. Kommen die positiv getesteten Patienten wegen einer Verschlechterung einer vorbestehenden Erkrankung auf die Intensivstation, dann steht die Grunderkrankung im Vordergrund. So kann eine SARS-CoV-2-Infektion zu einer deutlichen Schwächung des Organismus führen und sich eine bisher gut kontrollierte chronische Erkrankung massiv verschlechtern. Die Grunderkrankung ist dann in der Regel Prognose-bestimmend. Kommen die Patienten jedoch mit einem Lungenversagen infolge SARS-CoV-2 mit typischen Veränderungen im CT auf die Intensivstation, dann steht ganz klar die Infektion im Vordergrund und diese bestimmt die Prognose. Zum Glück sehen wir aktuell nur noch wenige Patienten mit einem Lungenversagen infolge SARS-CoV-2.
Stehen für die Behandlung neue, wirksamere Medikamente zur Verfügung? Wirkt sich das auf die Sterblichkeit der Patienten aus?
Zimmermann: Es stehen aktuell mehrere Medikamente gegen das SARS-CoV-2-Virus zur Verfügung. Hier ist wichtig, dass diese frühzeitig eingesetzt werden. Das kann auch bereits über die niedergelassenen Kollegen erfolgen und muss nicht stationär durchgeführt werden. Diese Medikamente können auch zu Hause als Tablette eingenommen werden. Insbesondere bei älteren Patienten oder Patienten mit Vorerkrankungen ist dies frühzeitig zu empfehlen. Dies führt zu einer deutlichen Reduktion der Krankenhausaufnahme und der Sterblichkeit. Diese Medikamente sind auch unter den jetzigen Virusvarianten von SARS-CoV2 noch wirksam. Eine Medikamentengruppe, die sogenannten monoklonalen Antikörper, die uns im letzten Winter viel geholfen haben, bringen unter den aktuellen Varianten von SARS-CoV-2 aufgrund von Resistenzen leider nur noch wenige Erfolge.
Welcher Altersgruppe gehört der überwiegende Teil der aktuell corona-positiven Patienten an?
Zimmermann: Die meisten Patienten mit einer SARS-CoV2-Infektion, die bei uns stationär aufgenommen werden, finden wir in der Altersklasse über 70 und 80 Jahre.
Weiter Ausfall von Pflegepersonal
Wie hoch ist momentan der Ausfall an medizinischem Personal wegen Corona?
Zimmermann: Glücklicherweise haben wir nicht mehr so viele Ausfälle wie in der Vergangenheit. Aktuell fallen im InnKlinikum Mühldorf 16 Mitarbeiter coronabedingt aus.
In den Köpfen der Bevölkerung und im Alltag ist Corona nicht mehr allgegenwärtig. Wie schätzen Sie die Lage für das „InnKlinikum“ ein?
Zimmermann: Ich denke, dass wir auch in den nächsten Monaten weiterhin Coronafälle behandeln werden. Ich hoffe, dass der Anteil weiterhin kontrollierbar bleibt. Langfristig wird sich das hoffentlich völlig entspannen.