Haarige Aktion im Landkreis Mühldorf
Zwei Friseurinnen wollen die Weltmeere retten - und schneiden dafür Haare ab
Die Idee ist so einfach und der Nutzen so groß: Haare, die im Friseursalon abgeschnitten werden, können genutzt werden, um Meere, Flüsse und Seen zu retten. Zwei Friseurinnen aus dem Landkreis Mühldorf erzählen, wie das geht.
Mühldorf – Auf die Idee kam ein französischer Figaro, der mit Haarabfall experimentierte, ihn in Thrombosestrümpfe stopfte und so Ölfilter herstellte. Denn: Ein Kilo Haare kann bis zu acht Litern Öl aufsaugen. Die Haare, die sonst in der Mülltonne landen, können Verschmutzungen wie Öl, Benzin und Sonnenmilchreste aus Gewässern ziehen - ganz ohne zusätzliche Chemie.
In Mühldorf sammelt Friseurmeisterin Milena Janus in ihrem Salon das Haar der Kundinnen und Kunden. Vor rund neun Monaten hat sie sich bei der deutschen Organisation „Hair help the oceans“ angemeldet, die nach dem Vorbild aus Frankreich Haare sammelt, in Schläuche stopft und bei der Reinigung von Gewässern zum Einsatz bringt.
Haare sammeln und damit Gutes tun
Genau diese Idee hatte auch Mirella Janus schon vor ungefähr sechs Jahren. „Ich weiß ja, dass Haar diese ölbindende Wirkung hat“, erinnert sie sich lachend. „Damals habe ich mich mit einer Kollegin darüber unterhalten, dass man die Haare sammeln und in Nylonstrümpfe stopfen sollte.“ Nach ersten Überlegungen stellte sie fest, dass schon jemand anderes ihre Idee in die Tat umgesetzt hatte. Aber egal. „Es ist eine tolle Sache, eine so einfach Idee mit so großer Wirkung“, diese Aktion zu unterstützen ist der Friseurin eine Herzensangelegenheit. „Die Verschmutzung der Meere ist eine absolute Katastrophe.“
Mülltonne bleibt länger leer
Sich daran zu beteiligen, ist unkompliziert: „Die abgeschnittenen Haare müssen nur frei von anderen Abfällen gesammelt werden“, erklärt Janus. „Bei uns geschieht das mit dem Haarsauger. Ist der Staubbeutel voll, werden die Haare darin auch gleich verpackt und per Post zur Sammelstelle geschickt.“ Den Portoaufkleber dafür stellt „Hair help the oceans“, gegen einen monatlichen Mitgliedsbeitrag der teilnehmenden Salons. Schöner Nebeneffekt der guten Tat für die Umwelt: Die Mülltonne des Friseursalons, in dem die Haare früher gelandet sind, bleibt länger leer.
Im Familienurlaub an der Adria bei Venedig im vergangenen Jahr erwachte in Heidemarie Krapf der Wunsch, gegen die Verschmutzung der Ozeane aktiv zu werden. „Ich war schon an vielen Stränden dieser Welt, aber an der Adria mit ihrem unappetitlichen Schaumfilm verging mir die Lust aufs Baden“, erzählt die Friseurmeisterin aus Oberbergkirchen.
Wieder daheim recherchierte sie im Internet und stieß auf „Hair help the oceans“, für sie als Friseurin das ideale Projekt. „Mit minimalem Aufwand kann ich diese wichtige Sache unterstützen, das ist für mich ein schönes und beruhigendes Gefühl. Nachhaltigkeit ist für uns alle wichtig, das bringe ich auch schon meinen Kindern bei.“
Ein großes Plakat an der Tür ihres Salons und Handzettel klären über die Haarsammel-Aktion auf. Und Heidemarie Krapf spricht auch gern mit ihren Kunden darüber. „Man muss jetzt was machen“, findet sie. „Ich würde allen Friseuren empfehlen, ebenfalls Haare für diese Sache zu sammeln.“ Sie zeigt eine Papiereinkaufstüte aus dem Supermarkt, die bis oben hin mit Haaren vollgestopft ist. Mit einem Versandlabel der Organisation wird sie die zugeklebte Tüte bald auf den Postweg bringen. Wieder drei Kilo Menschenhaar, die nicht im Müll landen, sondern helfen, unsere Meere zu retten.
Das steckt hinter der Idee
Pro Jahr werden zig Tonnen an Haarresten von rund 83.000 Friseursalons in Deutschland im Restmüll entsorgt. Friseur Emidio Gaudioso aus Bückeburg und Unternehmensberater Thomas Keitel aus Würzburg suchten nach einem Weg, mit den abgeschnittenen Haaren etwas Gutes zu tun, entdeckten die „Haarfilter“ des französischen Vereins „Coiffeure Justes“ aus Südfrankreich und gründeten ihre eigene Organisation „Hair help the oceans“. Die Haare werden in alte Nylonstrümpfe gestopft, zu Rollen gebunden und als Filter in verschmutzten Gewässern eingesetzt. Die Saugfunktion des Haarfilters zieht das Öl aus dem Wasser, wird anschließend gereinigt und kann bis zu achtmal wiederverwendet werden. Ein Kilogramm Haar kann bis zu acht Kilogramm Öl aus dem Wasser filtern. Diese Haarfilter werden weltweit eingesetzt. In Seen und Gewässern, vor Industriegebieten und an Küsten, um Öle, Treibstoffreste und Sonnenmilch aus dem Wasser zu filtern. Im Sommer 2019 kamen die Haarfilter vor Mauritius zum Einsatz, als dort ein Frachter auf Grund lief und mehrere Tausend Tonnen Öl verlor. Mittlerweile werden von der Organisation auch Flaschenkorken gesammelt. Diese sollen als Schwimmer für die Haarschläuche dienen.

