In Mühldorf
Mann fordert Sex von Untermieterin - So entscheidet das Amtsgericht Mühldorf
Ein 36-jähriger Informationstechniker aus dem westlichen Landkreis Mühldorf musste sich vor dem Amtsgericht Mühldorf verantworten. Er soll von einer jungen Frau Sex gefordert haben.
Mühldorf – Stoisch ruhig, scheinbar unbeeindruckt von den massiven Vorwürfen saß der Mann auf der Anklagebank. Der Angeklagte, ein 36-jähriger Informationstechniker aus dem westlichen Landkreis, verweigerte auf Anraten seiner Verteidiger Dr. Josef Blenk und Maximilian Hoh die Aussage. Er war angeklagt, im Oktober 2020 eine junge Frau, die bei ihm wohnte, zum Sex zwingen zu wollen.
Die Anklage legte ihm Folgendes zur Last: Eine ledige Erzieherin (27) aus dem westlichen Landkreis war auf Zimmersuche. Der Computerspezialist suchte über Facebook eine weibliche Untermieterin. Man traf und einigte sich rasch, die junge Frau zog bei dem Mann ein.
Ein paar Tage später wurde Einstand gefeiert, der Angeklagte lud seine Mitbewohnerin zum Essen ein, daheim trank man noch Glühwein. Der Mann versuchte, die Erzieherin zu küssen, wogegen sie sich verwehrte; und der gemeinsame Abend war damit beendet.
Gegen drei Uhr morgens wachte die nackt schlafende Frau auf, weil sich ihr unbekleideter Vermieter an ihren Rücken drängte und mit ihr Sex haben wollte. Sie schrie den Mann an, er solle sich verziehen. Erst als sie ihn anbrüllte, verließ er den Raum. Panisch fuhr zu ihrer Mutter, die die Polizei benachrichtigte.
Bei der Vernehmung kam auch auf, dass die Frau Alkohol getrunken hatte, eine Messung ergab einen Blutalkoholwert von 1,56 Promille. Deshalb wurde sie inzwischen zu einer Geldstrafe verurteilt, den Führerschein muss sie neu machen.
Eine Polizistin der Polizeiinspektion Waldkraiburg, die Amtsrichter Florian Greifenstein als Zeugin befragte, hatte die Frau mit einer Kollegin vernommen und schilderte sie als absolut glaubhaft. Sie habe geweint, als sie von dem Vorfall erzählt habe.
Eine Beamtin der Kripo Mühldorf sagte, die Geschädigte sei bei der Vernehmung „fertig gewesen, sie weinte“. Sie habe erzählt, dass ihr Peiniger vor ihr bereits zwei weibliche Untermieterinnen gehabt habe, beide seien rasch wieder ausgezogen. Warum, das wisse sie nicht. Bei dieser Vernehmung kam auch die Aussage des Beschuldigten zur Sprache. Er hatte zu Protokoll gegeben, dass sich seine Mieterin und er tags zuvor geküsst und miteinander geschlafen hätten. Das hat die 27-Jährige als gelogen zurückgewiesen.
Das Erlebte hat das Opfer traumatisiert
Immer wieder von Weinkrämpfen unterbrochen, schilderte schließlich das Opfer dem Gericht das Erlebte. Sie versicherte, dass sie weder vom Angeklagten geküsst werden noch mit ihm ins Bett gehen wollte. Ein Mietverhältnis und eventuell Freundschaft, das habe sie sich vorstellen können, mehr aber nicht. Nach der Attacke des Mannes sei sie in Panik zu ihrer Mutter geflüchtet. Das Erlebnis habe sie traumatisiert, sie war wochenlang krankgeschrieben, konnte nicht schlafen, nicht aus dem Haus gehen. Sie habe Hilfe bei einem Psychologen gesucht.
Die Freundin des Opfers berichtete, dass sie mitten in der Nacht angerufen worden sei. Der Vermieter wolle etwas von ihr, sie habe ihn zurückgewiesen, nun müsse sie ausziehen. Sie versprach, ihr dabei zu helfen.
Staatsanwältin sieht Sachverhalt bestätigt
Staatsanwältin Helena Neumeier sah den Sachverhalt als voll umfänglich bestätigt. Die Geschädigte habe keinen „Belastungseifer“ gezeigt. „Ich halte die Zeugin für absolut glaubwürdig“, so Neumeier.
Dem Angeklagten hielt sie einzig zu Gute, dass er bisher straffrei durchs Leben gegangen war. Das Negative überwog aber: Er habe erhebliche sexuelle Handlungen durchgeführt. Als Mieter habe er mit der Kündigung gedroht und das Opfer massiv unter Druck gesetzt. Mit der Aussage über den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr habe er eine Lüge in die Welt gesetzt und das Opfer verunglimpft. Von ihm habe es weder ein Geständnis noch eine Wiedergutmachung gegeben. Sein Opfer habe massive Folgen des Angriffs zu tragen, sowohl psychisch als auch finanziell.
Staatsanwaltschaft fordert zwei Jahre Gefängnis, Verteidigung Freispruch
Die Staatsanwältin verlangte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten: „Ich sehe keine Milderungsgründe, deshalb ist auch eine Bewährungsstrafe nicht möglich.“
Die beiden Verteidiger zogen die Aussagen der Geschädigten in Zweifel. Sie sei stark alkoholisiert gewesen, wisse nicht mehr, wann sie wo, welche Nachricht per Handy gesandt hätte. Bei einem Abstrich im Genitalbereich seien keine Spuren des Angeklagten gefunden worden. Es stehe Aussage gegen Aussage, daher plädierten beide auf Freispruch.
Das Schöffengericht sprach den Angeklagten schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. „Das Gericht hat keinerlei Zweifel, dass sich alles so zugetragen hat, wie es das Opfer ausgesagt hat“, begründete Richter Greifenstein das Urteil. Der Angeklagte habe den Sachverhalt eingeräumt, allerdings unter der erfundenen Voraussetzung, dass seine Untermieterin mit den sexuellen Handlungen einverstanden sei.
Geschädigte ist „absolut glaubhaft“
Die Geschädigte sei aber absolut glaubhaft, weil sie kein Motiv gehabt hätte, den Mann fälschlicherweise zu belasten. „Wäre nichts vorgefallen“, so der Amtsrichter, „dann wäre sie nicht überstürzt aus der Wohnung geflohen und betrunken zu ihrer Mutter gefahren. Sie hätte sich nicht selbst ans Messer geliefert und der Polizei gestanden, betrunken Auto gefahren zu sein.“ Auch die Chatverläufe hätten den Sachverhalt bestätigt. Der Mann habe die Frau zwingen wollen, mit ihm zu schlafen. Er habe die Situation ausnützen wollen. „Die Lüge, am Tag vorher einvernehmlichen Sex gehabt zu haben, ist ehrverletzend, das ist übel. Das spricht fast für eine Verwerfung der Bewährung“, schloss Richter Greifenstein.