Hoher Schaden für Geschäfte
„Explodierende“ Ladendiebstahls-Zahlen: Das wird geklaut - und so kämpfen Läden gegen Langfinger
Die Zahl der Ladendiebstähle ist auch in der Region massiv angestiegen. Obwohl das zu hohen Schäden führt, sind drastische Maßnahmen schwierig.
Mühldorf – Tobias Au ist Chef im größten heimischen Supermarkt, dem Globus in Mühldorf. Er erinnert sich genau an einen besonders dreisten Fall aus den vergangenen Wochen. Ware im Wert von über 400 Euro fand ein Ladendetektiv damals bei einem Dieb.
Ware für 400 Euro im Rucksack
Vor allem Kosmetika sind gefragt, aber auch Spirituosen, Handyzubehör, Hautcremes – alles eher teure Dinge. „Es wird auch hochwertige Elektronik geklaut“, sagt Au, „zum Beispiel Kaffeevollautomaten.“ Das Stück für 399 Euro. „Wir wundern uns, wie die Leute das rausbekommen.“ Auf der anderen Seite stehen Lebensmittel, Käse oder Wurst abgepackt, die in Taschen oder Mänteln versteckt sind. Der Wert: oft unter acht Euro.
Die Zahl der Ladendiebstähle ist deutschlandweit massiv gestiegen, der Schaden beläuft sich auf etwa 2,8 Milliarden Euro. Das sind 15 Prozent mehr als im Vorjahr.
Genaue Zahlen für die Region gibt es nicht
Genaue Zahlen sind für die Region schwer zu bekommen. Josef Wimmer von Lechertshuber und Wimmer spricht davon, dass die Zahl der Ladendiebstähle „explodiert“ sei. Genau beziffern kann er sie nicht. Sein Edeka-Unternehmen mit 485 Mitarbeitern und über 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr verzeichne aber einen jährlichen Schaden im hohen sechsstelligen Bereich, also knapp ein Prozent vom Umsatz, sagt Wimmer, der zusammen mit seinem Partner 16 Edeka-Märkte in der Region führt.
Woher dieser Schaden kommt, der sich in jedem Jahr bei der Inventur niederschlägt, lässt sich laut Wimmer nicht genau sagen. Zu den Gründen zählt Wimmer Ware, die zu Bruch geht, aber nicht im Warensystem eingetragen wird, Lieferantendiebstähle, Personaldiebstähle und eben Kundendiebstähle. Dass deren Zahl gestiegen ist, macht Wimmer an der Zahl der Aufgriffe durch eine Detektei fest.
Über 200 Diebe jährlich
Dies bestätigt Globus-Chef Au. Wenn Detektive im Haus seien, erwischten sie etwa 200 Diebe jährlich. Wie Wimmer kann auch er den Schaden nicht genau beziffern. Fest steht aber, dass er steigt.
Als eine Konsequenz hat Globus die Eingangsschranke wieder eingeführt, die 2022 abgeschafft worden war. Dazu kommt eine Videoüberwachung besonders gefährdeter Bereiche und der Einsatz von Detektiven, die die Videobildschirme im Blick haben oder im Laden unterwegs sind. Ständig wechselndes Personal einer Detektei, damit niemand die Gesichter wieder erkennt.
Eine Lösung, die in vielen kleineren Geschäften nicht möglich ist, sagt Christian Kühl, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft „Mühldorf vor Ort“. Denn, betont er, auch kleine Geschäfte wie am Stadtplatz werden nicht von Dieben verschont. Auf jährlich 15.000 bis 20.000 Euro beziffert er den Schaden durch den Diebstahl von Sonnenbrillen in seinem Apollo-Geschäft.
Ladendiebe laufen lassen
In der Aktionsgemeinschaft gebe es immer wieder Schulungen, wie damit umgegangen werden kann. Kühl betont aber, dass den Geschäften aus verschiedenen Gründen die Hände gebunden sind. „Ich sage meinen Leuten, dass wir nicht die Exekutive sind.“ Mit anderen Worten: Die Mitarbeiter sollen Ladendiebe entwischen lassen, bevor sie sich selbst in Gefahr begeben.
Im Globus bleibt diese Aufgabe an den Profis aus der Detektei hängen. Wenn die nicht da sind, muss ein Chef vom Dienst entscheiden, was getan wird, sagt Marktleiter Au.
Leute nicht versehentlich beschuldigen
Denn zu der Gefahr durch handgreifliche Ladendiebe kommt ein zweites Problem: „Wir müssen es vermeiden, Leute zu beschuldigen, die nichts gemacht haben.“ Au spricht von einem sehr sensiblen Thema, sein Kollege Kühl drückt es so aus: „Du musst aufpassen, dass Du Kunden nicht unter Generalverdacht stellst.“
Die Edeka-Märkte von Josef Wimmer haben eine klare Konsequenz aus der gestiegenen Zahl von Ladendiebstählen gezogen: „Wir verbieten das Betreten mit Rucksäcken“, sagt Josef Wimmer. Sie sollen an der Kasse abgegeben werden.
Eine Rund-um-die Uhr-Präsenz der Detektive ist trotz der hohen Schäden nicht möglich. „Das kannst Du nicht überwachen“, sagt Wimmer bei 12,5 Öffnungsstunden täglich und 16 Märkten. Über eine Video-Überwachung denke man nach, die sei aber sehr teuer. „Wenn es so weitergeht, wird sie aber kommen.“
Bandenmäßig organisiert
Ortswechsel nach Neumarkt-St. Veit. Christian Göttlinger, Vorsitzende der Verkehrs- und Werbegemeinschaft, stellt zwar keinen sprunghaften Anstieg der Ladendiebstähle fest, kennt aber das Problem auch auf dem Land. Er weist auf eine besondere Gefahr hin. „Ganz schwierig wird es, wenn Ladendiebe bandenmäßig organisiert sind. Irgendwann sind die Mitarbeiter abgelenkt; und dann schlagen sie zu“, sagt Göttlinger.
Edeka-Chef Wimmer kritisiert die Gesetzgebung, die mit Ladendieben wenig streng umgehe. „Ladendiebstahl hat doch kaum Konsequenzen, es gibt nur geringe Strafen“, sagt der Unternehmer. „Seitens der Justiz ist die Abschreckung nicht mehr gegeben. Dabei gibt es keine andere Möglichkeit, als Konsequenzen anzudrohen.“
Diese Strafen drohen
Wer beim Klauen erwischt wird, muss die Ware nachträglich bezahlen, dazu kommt ein Bearbeitungsgeld von 100 Euro und eine Anzeige mit möglichem Bußgeld. Die Supermärkte erteilen auch ein Hausverbot, die Regelungen dabei sind nicht einheitlich. Während es in den Edeka-Märkten dauerhaft gilt, ist es bei Globus im Regelfall auf drei Jahre beschränkt.