Maurerlehrling vor Gericht
Falsche Liebesschwüre: 21-Jähriger wäscht Geld für „Love Scammer“ – Zwei Jahre auf Bewährung
Wegen Geldwäsche musste sich ein junger Mann aus Benin-City in Nigeria vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Dr. Christoph Warga verantworten. Die Hintermänner, die das Geld einschieben, sitzen in Nigeria oder in der Türkei und sind nicht zu ermitteln.
Mühldorf – Wegen des Vorwurfs der vorsätzlichen Geldwäsche in mehreren Fällen musste sich ein Nigerianer vor Gericht verantworten. Der 21-Jährige war über Italien nach Deutschland gekommen, wo er nach dem Aufenthalt in einer Waldkraiburger Asylunterkunft mittlerweile im Norden Mühldorfs eine kleine Wohnung gemietet hat. Der Mann absolviert eine Lehre als Maurer und wurde von Rechtsanwalt Jörg Zürner vertreten. Ein Dolmetscher unterstützte ihn während des Prozesses.
Mit „Love Scamming“ Frauen geprellt
Staatsanwältin Dr. Anna Reis warf dem Nigerianer 59 Fälle von vorsätzlicher Geldwäsche im besonders schweren Fall vor, insgesamt war dabei eine Summe von 147 955 Euro ergaunert worden. Der Mann hatte, nachdem er per Facebook von seinen dubiosen Auftraggebern angeworben worden war, das Geld auf vier verschiedenen Konten erhalten und an Bankverbindungen ins Ausland überwiesen. Pro Auftrag habe er, so der Beschuldigte, zwischen 50 und 100 Euro erhalten.
Jörg Zürner gab für seinen Mandanten eine Erklärung ab: „Der junge Nigerianer wurde über Facebook für das Tätigen von Überweisungen akquiriert. Man hat ihn gefragt, ob er sein Konto zur Verfügung stellen und eingehende Gelder weiter überweisen würde. Zum einen hatte der Maurerlehrling starke Bedenken, zum anderen war es leicht verdientes Geld. Er überwies die Gelder, die auf seinen Konten eingingen. Auf Drängen seiner Auftraggeber hatte er insgesamt vier Konten eingerichtet. Über die Hintermänner weiß mein Mandant nichts. Sie kannten ihn wohl aus der gemeinsam verbrachten Zeit in der Asylantenunterkunft.“
Wie war der Mann aufgeflogen? Einerseits müssen Banken es melden, wenn sie den Verdacht auf Geldwäsche haben. Andererseits hatten mehrere Frauen bei der Polizei Anzeige erstattet, weil sie Geld an vermeintlich zukünftige Lebenspartner überwiesen hatten. Sie waren Opfer des sogenannten „Love Scamming“ geworden.
Dabei spielen der oder die Täter ihrem meist weiblichen Opfer eine Liebesbeziehung vor. Wenn der Täter eine genügend starke Beziehung zum Opfer aufgebaut hat, täuscht er einen plötzlich auftretenden Finanzbedarf vor: Er liege im Krankenhaus und müsse für eine lebensnotwendige Operation bezahlen oder die Überführung eines Goldfundes müsse beim Zoll bezahlt werden.
Im Anschluss las Richter Dr. Warga den Bericht der Jugendgerichtshilfe vor. Demnach hatte der Beschuldigte in Nigeria sechs Jahre die Schule besucht und dann eine Lehre als Elektriker begonnen. In Deutschland habe er in Kraiburg eine Lehre als Koch angefangen, die er abbrach. Dann machte er als Maurerlehrling weiter. Seine Mutter sei bei der Geburt eines weiteren Kindes gestorben, der Vater und die Geschwister seien entführt worden, gelten als vermisst und sind vermutlich tot. Als Maurerlehrling verdiene er 900 Euro im Monat, er habe eine feste Freundin.
Einziger Zeuge war ein Beamter der Kriminalpolizei Mühldorf. Er gab zu Protokoll, dass mehrere Frauen, die im Internet auf Partnersuche gewesen waren, Anzeige erstattet hatten. Sie hatten Geld gezahlt, um ihrem vermeintlichen zukünftigen Lebenspartner die Operation in einem Krankenhaus in Syrien zu ermöglichen. Über die Hintermänner der Taten sei nichts herauszufinden gewesen. Die Staatsanwältin sah in ihrem Schlusswort die Anklage vollumfänglich bestätigt: „Ich plädiere für die Anwendung des Jugendstrafrechts. Im Erwachsenenstrafrecht hätte der Angeklagte eine Strafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren zu erwarten gehabt. Zu seinen Gunsten spricht das Geständnis und seine schwierige Biographie.“
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Negativ werte sie die Vielzahl der Taten und vor allem die hohe Schadenssumme. Dazu Eintragungen im Erziehungsregister, was sie eine hohe kriminelle Energie des Nigerianers vermuten ließ. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die man aber auf zwei Jahre zur Bewährung aussetzen könne.
Hintermänner bleiben ungestraft
Für Verteidiger Jörg Zürner war damit – fast – alles gesagt. Ein Argument fügte Zürner noch an: „Wer sitzt hier vor uns? Hat der Angeklagte das Geld abgezogen? – Nein. Es sitzt hier vor uns die Person mit dem größten Risiko, entdeckt zu werden. Die Leute, die das Geld einschieben, sitzen in Nigeria oder in der Türkei und sind nicht zu ermitteln.“ Er forderte eine Freiheitsstrafe mit Bewährung.
Nach der Beratung mit seinen beiden Schöffen verkündete der Richter das Urteil: Der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung. An den Angeklagten gewandt stellte er fest: „In Deutschland leben wir in einem Rechtsstaat. Da dauert es etwas, bis man Sanktionen spürt. Aber in Deutschland wird Fehlverhalten sanktioniert.“