Nikoläuse vom Brauchtumsverein Erharting
Rabauken haben ausgedient: OVB-Redakteur mit Rute und Kettengerassel als Krampus unterwegs
Eine Woche lang sind die Mitglieder des Brauchtumsvereins Erharting unterwegs, um als Nikolaus und Krampus die Kinder zu besuchen. In diesem Jahr hat OVB-Redakteur Josef Enzinger ausgeholfen. Mit Leo Biermaier ging es in die Schulklassen und ich war überrascht, welche Aufgabe der Kramperl heute hat.
Erharting - Morgens um halb Acht brennt am Montag schon Licht in der Kleiderkammer des Brauchtumsvereins Erharting. Das ist ungewöhnlich in den Tagen rund um den 6. Dezember. Denn eigentlich sind die Nikoläuse und die Krampusse erst in der Dunkelheit unterwegs. Dass Leo Biermaier schon frühmorgens ins bischöfliche Ornat des Heiligen Nikolaus schlüpft, liegt daran, dass er an diesem Tag Kindergärten und Schulen besucht. Pleiskirchen, Töging und Mühldorf stehen auf seinem Plan. Mit dabei: der Krampus. Eine Rolle, die ich übernehme. Aber nicht als ruten-schwingender finsterer Geselle. Beim Brauchtumsverein ist das Selbstverständnis des Kramperls ein anderes.
Nikoläuse schon frühmorgens unterwegs
Als ich die Kleiderkammer betrete, herrscht noch Müdigkeit. Zwei Gruppen sind an diesem 5. Dezember unterwegs. Nikolausdarsteller Thomas Mück sortiert sein Goldenes Buch, während sein Kramperl Jonas Gabriel schon abfahrbereit dasitzt. Auch Leo Biermaier hat schon alles vorbereitet: Der Bischofsstab lehnt an der Wand, die Mitra trägt er in der Hand. „Die Handschuhe darf ich nicht vergessen“, fällt ihm ein, während mich Rosmarie Leserer in die Kleiderkammer führt.
Kostüme sind fein sortiert
Gut sortiert finden sich darin die Kostüme rund um den Nikolaustag. Links die Bischofsroben, rechts die dunklen Mäntel der Krampusse. Die Bischofsmützen stehen im Regal, die Bärte sind daneben fein säuberlich aufgehängt. In einer Kiste liegen Stricke und Ketten. Die dunklen Stiefel für den Krampus stehen im Schuhschrank. „Schuhgröße?“, fragt Leserer. „42“, erwidere ich, das erste Paar Schuh passt wie angegossen. Dass die Kleiderkammer so gut ausgestattet ist, liegt daran, dass der Brauchtumsverein pro Jahr über 200 Buchungen hat. „In diesem Jahr sind 20 Paare unterwegs. 230 Termine sind zu bewältigen“, verrät Leserer, die seit 30 Jahren für die Terminplanung des Heiligen aus Myra zuständig ist.
Mantel aus Fell-Imitat und Bart aus Echthaar
Das Ankleiden geht zügig weiter: Der Mantel aus einem Fell-Imitat ist schnell zugeknöpft. Wenige Augenblicke später schnürt Leserer bereits den Strick um die Hüfte. „Hier noch die Kette“, sagt sie knapp, überreicht gleichzeitig auch noch einen Sack, beides wird am Strick-Gürtel fixiert. Ein dunkler Schal, ein ebenso dunkler Bart, der durch ein Gummiband halten soll. Und zum Schluss eine rote Zipelmütze mit dunklem Fell. „Jetzt nur noch etwas dunkle Schminke und ihr könnt Euch auf dem Weg machen“, schließt sie das Prozedere mit einigen gekonnten Strichen mit dem Pinsel über das Gesicht ab.
„Wir sind kein Rabaukenverein, der mit den Kramperl in die Häuser kommt, um die Kinder mit der Rute den Hintern zu versohlen.“
Fertig ist der Krampus. Furchteinflößend? Für Kleinstkinder vielleicht. „Aber es kommt halt auch immer daran, wie sich ein Kramperl präsentiert“, sagt Biermaier während der Fahrt zum ersten Stopp in Pleiskirchen. „Wir sind kein Rabaukenverein, der mit den Kramperl in die Häuser kommt, um die Kinder mit der Rute den Hintern zu versohlen.“
Warum man keine Angst vor dem Kramperl haben muss
In welcher Rolle Biermaier stattdessen den Krampus sieht, das wird beim ersten Termin in der Pleiskirchener Grundschule deutlich. Bei der Begrüßung äußert Rektorin Ingrid Summer beim Blick auf mich noch Bedenken. „Nicht dass sich die Kinder fürchten!“ Keine Sorge, erwidert Biermaier in seiner besonnenen Art. „Vor dem Kramperl des Brauchtumsvereins muss niemand Angst haben!“ Warum, das wird wenig später vor der Aula deutlich. Ich halte mich betont zurück, stehe etwas versetzt hinter dem Nikolaus, versuche zu grinsen und hoffe, dass die Kinder meinen gütigen Blick hinter den schwarz gefärbten Wangenknochen erkennen mögen. Die Kinder blicken respektvoll auf Nikolaus und Kramperl. Angst? Fehlanzeige. Also alles richtig gemacht.
Biermaier bezieht die Kinder voll mitein
Und gleich zu Beginn klärt Leo Biermaier auf, indem er die Kinder der ersten bis vierten Klasse einbezieht. „Wisst ihr denn, wer der Krampus ist?“. Eifrig melden sich gleich einige Kinder. „Das ist der Helfer vom Nikolaus!“ Genauso ist es, bestätigt Leo Nikolaus. „Und wer anderen hilft, kann kein schlechter Mensch sein“, gibt er ihnen gleich mit auf den Weg. Und er macht deutlich, dass er alleine ja gar nicht alle Pakete schleppen könnte. Das leuchtet ein. Spätestens bei der Geschenkübergabe haben die Kinder dann auch kein Problem, sich mit dem Krampus ablichten zu lassen. „Das ist ja wirklich ein lieber Kramperl“, stellt schließlich die Rektorin fest.
Nächste Station ist in Töging an der Regenbogen-Grundschule. Die komplette Turnhalle ist gefüllt mit knapp 180 Schülern und deren Eltern. Nikolaus Leo hat diesmal nicht allzu viel Zeit, aber genug, um mit denKindern zu plaudern, sie über ihre Lieblingsfächer zu befragen.
Selbstgebackene Kekse von Maxi
Einer, der Maxi, hat sogar den Mut vorzutreten. Er hat extra für den Nikolaus Plätzchen gebacken, die er nun überreicht. Wie gebannt kleben die Kleinsten an seinen Lippen, wenn er dann fragt, ob er dem Christkind schöne Grüße bestellen soll. „Mit dem treffe ich mich nämlich heute Nachmittag noch zum Tee!“, sagt er. Allzu lange kann das Kaffeekränzchen allerdings nicht dauern, denn am Abend ist der Terminkalender voll. 77 Mal trat er im vergangenen Jahr auf. In diesem Jahr werden es wohl ähnlich viele.
Im nächsten Jahr wieder - dann vielleicht als Heiliger
Für mich ist nach dem Vormittag erst einmal Schluss. Als ich in die Kleiderkammer zurückkehre, wartet Rosmarie Leserer schon. Sie nimmt das Kramperlgewand entgegen, hängt es auf, versieht die einzelnen Teile mit Namensschildchen, damit es am Abend kein Durcheinander gibt. Kurz bevor ich gehe, schlage ich ihr noch vor: „Also wenn ihr heute Abend jemanden braucht, weißt Du ja, wo Du anrufen kannst!“ Sie käme darauf gerne zurück, sagt sie dankbar. Schließlich könne man nie wissen, ob nicht doch noch jemand krank wird. „Ansonsten dann im nächsten Jahr“, kündige ich an. Vielleicht dann sogar als Nikolaus.
33 Jahre als Nikolaus unterwegs: „Man könnte ein Buch darüber schreiben!“
Leo Biermaier ist eine Feststellung wichtig. „Wenn beim Brauchtumsverein jemand den Nikolausdienst mitmachen will, beginnt er als Kramperl. Da erkennt man dann sehr schnell, ob er mit Kindern umgehen kann. Der Kramperl muss auf Augenhöhe mit den Kindern agieren. Fühlen und denken wie ein Kind. Und dann steht auch nichts im Wege, wenn er den Nikolaus machen will.“ Bei mir sei das kein Problem, stellt Biermaier fest.
Biermaier geht schon seit 33 Jahren als Nikolaus. Viele Familien besucht er schon in der dritten Generation. Eine Familie aus Polling etwa, die zum Nikolaustag Besuch aus Spanien bekommt. „Die Kinder schicken mir mittlerweile über Whats App, wie sehr sie sich darüber freuen!“ Biermaier nimmt seine Aufgabe ernst. Und deswegen sei auch das vermeintlich obligatorische Schnapserl nach einem Hausbesuch tabu. „Die Kinder riechen das sofort, wenn man eine Fahne hat. Das wäre nicht gut!“
Auch in den vergangenen zwei Jahren seien die Erhartinger Nikoläuse ausgeschwärmt trotz der Covid-Einschränkungen. „Die Familien haben dann eben draußen den Nikolaustag gefeiert. Da gab es auch sehr schöne Erlebnisse“, berichtet Leo Biermaier, der schon mehr als 30 Jahre als Nikolaus für den Brauchtumsverein unterwegs ist. „Es sind viele Erlebnisse. Man könnte ein Buch darüber schreiben“, ergänzt Biermaier.




