Am Rande notiert
Ein Fußball-Freischnaps für jeden: Heute leider nicht
Das Handspiel des Spaniers Cucurella im EM-Viertelfinale reiht sich aus Sicht von Markus Honervogt nahtlos in die großen, traumatischen Fußball-Erfahrungen ein: ein Tor in Wembley und kein Schnaps im Palermo. Eine Glosse.
Die gute Nachricht: Deutschland ist Weltmeister. Fußball-Weltmeister 1966. Der VAR, also der computergesteuerte Oberchefschiedsrichter im Fußball, hat dank modernster Torlinientechnik, Schnittgrafiken und nachträglich im Ball integrierter, chipbasierter Sensoren herausgefunden: Das Wembley-Tor von Geoff Hurst zum 3:2 für England 1966 war doch kein Tor. Alle weiteren Daten wie Packing, Ballbesitz, Pressingwerte und Passquote sprechen derart für Deutschland, dass das Spiel ohne dieses Tor als 3:1 für die Mannschaft von Helmut Schön gewertet wird.
Nützt aber nix, denn bei der Europameisterschaft in diesem Tagen wehrte Spaniens Außenverteidiger Cucurella einen eigentlich unhaltbaren Ball mit einer derartigen Glanzparade ab, dass er seitdem in der Rangliste der besten Ballfänger der Welt gleich hinter Manuel Neuer steht. Und Deutschland raus war aus dem eigenen Turnier.
Der Grund, warum das nicht bemerkt wurde: Der VAR war nach 90 Spiel-Minuten im wohlverdienten Feierabend, wohl ein Programmierungsfehler. Und in den Stunden danach blieb keine Zeit, das Ergebnis zu korrigieren, da galt es, das WM-Finale von 1966 neu zu berechnen.
Apropos, verrechnen: Vor zehn Jahren gab es in dieser Woche ein legendäres Fußballspiel. Wer es im damaligen Palermo an der Innbrücke in Mühldorf auf der großen Leinwand verfolgte, entdeckte auf einer Tafel das mit Kreide verfasste Versprechen des Wirtes: Für jedes Tor der deutschen Mannschaft gibt er einen Schnaps aus.
Eine mutige Ansage des damaligen Wirts. Denn schon vor dem Spiel schlugen alle statistischen Werte deutlich zugunsten Deutschlands aus in den Kategorien: Zahl der siegreichen Mannschaften mit dunkleren Hosen, Länge der Beine der Innenverteidiger und Zahl der angekommenen Pässe von links nach rechts (von denen von rechts nach links ganz zu schweigen).
25 Minuten nach Anpfiff und drei Lokalrunden war die Schnaps-Ankündigung plötzlich verschwunden. Einfach weggewischt. Die Gäste im vollen Gastgarten berauschten sich trotzdem – an weiteren vier Toren der deutschen Fußballer gegen Brasilien. Der Vollständigkeit halber: Auch der damalige Gastgeber traf einmal.
An diesem Wochenende bleibt davon nur der Biergartenbesuch am Sonntag. Wenigstens wird das Wetter schön, wenn Spaniens Cucurella wie einst Maradona die Hand Gottes an den Pokal legt.


