Hilfe für die Opfer von Gewalt
Der Kampf für ein Frauenhaus – Parteien und Verein fordern eigene Einrichtung für Mühldorf
Nach der Richtlinie des Familienministeriums soll ein Platz im Frauenhaus pro 10000 Einwohnerinnen im Alter von 18 bis 80 Jahren vorgehalten werden.
Mühldorf – Gleichberechtigung, gleiches Gehalt bei gleicher Arbeit, gleiche Chancen: Die Aufgaben zum Weltfrauentag sind seit der Einführung vor 111 Jahren die gleichen geblieben. Dazu kommt zunehmend das Thema Gewalt gegen Frauen. Auch im Landkreis.
Nach Angaben des Vereins „Frauen helfen Frauen im Landkreis“ hat Gewalt gegen Frauen stark zugenommen. 2019 waren es 31, 2020 schon 84 und im vergangenen Jahr 98 Fälle, in denen Frauen in der Beratungsstelle des Vereins Hilfe suchten. Vor allem dort, wo es schon vorher Gewalt in Beziehungen gab, habe die Pandemie die Zahlen steigen lassen, sagt Geschäftsführerin Fiona Bachmann. Die Dunkelziffer sei hoch.
Zu wenig Plätze in der Region
Nicht alle Frauen, die Beratung suchen, benötigen einen Platz im Frauenhaus. Jedoch seien im letzten Jahr zwölf Anfragen dafür eingegangen, sagt Bachmann. Das Problem: Es gibt im Landkreis kein Frauenhaus. Nur eine Kooperation mit dem Nachbarlandkreis Altötting. Das dortige Frauenhaus hält fünf Plätze vor, einen davon für den Landkreis Mühldorf.
Das soll sich jetzt ändern: „Nach der Richtlinie des Familienministeriums soll ein Platz im Frauenhaus pro 10 000 Einwohnerinnen im Alter von 18 bis 80 Jahren vorgehalten werden“, sagt Judith Bogner (Grüne). „Das wären fünf Plätze pro Landkreis.“ Gemeinsam mit der SPD bringt ihre Partei einen entsprechenden Antrag in den Kreistag ein.
Auch Günther Knoblauch (SPD) ist der Meinung, dass sich der Landkreis stärker engagieren müsse. „Gewalt gegen Frauen gibt es an jedem Tag, an jedem Ort und in jeder Gesellschaftsschicht.“ Es gehe darum, das Bewusstsein zu schärfen, denn betroffene Frauen mieden die Öffentlichkeit.
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„Die Frauen, die zu uns kommen, sind 16 bis 65 Jahre alt, von jeglicher Herkunft und aus jeder Schicht“, bestätigt „Frauen helfen Frauen“-Geschäftsführerin Fiona Bachmann. Bei der Mehrzahl gehe es um Gewalt bei Trennung und Scheidung. Es gebe auch psychische oder sexualisierte Gewalt. Wichtig sei, dass Frauen darüber reden könnten, um Lösungen zu entwickeln.
Irmgard Wagner ist Vorsitzende des Vereins. Nach ihrer Erfahrung sind Frauen und Mädchen nicht nur hinter verschlossenen Türen Opfer von Gewalt, Missbrauch und Diskriminierung, sondern auch außerhalb in Schule und Beruf. „Selbstverständlich sind wir auch eine Anlaufstelle für Mobbingopfer“, sagt die Vorsitzende. „Auch Betriebe und Schulen können sich an uns wenden.“
Es geht schon in der Schule los
Der Verein bietet Präventionsmaßnahmen und Aufklärung an und berät. „Unser Ziel ist es, eine Interventionsstelle zu werden“, sagt Wagner. „Um das umzusetzen, brauchen wir staatliche Förderung und finanzielle Zuschüsse.“ Die Politik könne vieles beeinflussen, glaubt Wagner, und so die Rolle der Frau stärken.
Die Spirale der Gewalt beginnt oft schon in der Kindheit. Im Schnitt seien in jeder Schulklasse zwei Kinder, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, sagt Fiona Bachmann. Die Beratungsstelle nehme sich deshalb auch Kindern und Jugendlicher an.
Wenn Gewalt so eskaliert ist, dass es kein Zurück mehr gibt, muss es schnell gehen mit einem Platz im Frauenhaus. Meist müssen derzeit mehrere Frauenhäuser angefragt werden und manchmal sei nur ein Notschlafplatz frei. Ein Frauenhaus wäre wichtig, um die Verfolgung durch gewalttätige Partner zu erschweren. „Der Leidensdruck ist groß“, sagt Fiona Bachmann.
Landrat Max Heimerl wollte sich zu dem Thema nicht äußern. Er ließ über einen Sprecher mitteilen, es werde eine Beratung im Kreistag vorbereitet.
Mehr Frauen in die Politik
Barbara Fuchshuber ist in der Frauenunion aktiv. Die 39-Jährige ist Kreisvorsitzende und macht die Förderung am Beispiel der Politik deutlich: „Wir haben ein Mentoring Programm, das Frauen, die sich politisch engagieren möchten, stärken und fördern soll“.
Ziel sei es, Frauen mehr Mitspracherecht in der Politik zu geben, damit sie sich auch für mehr für die Rechte von Frauen starkmachen könnten. „Natürlich muss die Politik sich auch Themen wie Mobbing stellen.
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Männer haben eher Angst, dass es „zulasten ihrer Karriere geht, wenn sie sich für jemanden einsetzen. Frauen sind da vielleicht resoluter und sagen nein, so geht das nicht“, glaubt Fuchshuber.
Ein wichtiges Ziel: „Wir als Frauenunion kämpfen schon seit Jahren für den Equal Pay Day. Frauen sollen für die gleiche Arbeit das gleiche Geld wie ein Mann bekommen.“ Die Politik habe sich schon Gedanken gemacht, wie man Mütter wieder ins Berufsleben zurückbringen kann und auch die Mütter-Rente ist hier ein Thema. „Es hat sich auf alle Fälle einiges gebessert.“ Inzwischen gebe es Elternzeit, die Männer gleichermaßen in Anspruch nehmen können wie Frauen. „Wobei auch hier wieder klar ist, wer die Elternzeit in Anspruch nimmt“, sagt Fuchshuber. „Natürlich der geringer Verdienende und das sind in der Regel die Frauen, da diese meist im Beruf auf der Strecke bleiben. Ein Teufelskreis.“