„Timmy“ ist gelernter Therapiehund
Ein Hund als Erzieher? – So funktioniert „Tiergestützte Pädagogik“ im Kindergarten Ranoldsberg
„Timmy“ ist ein ganz besonderer Hund: Der Labrador-Golden-Retriever-Mischling kommt in Kindergärten zum Einsatz. Und das nicht etwa zum Spaß. Was Kinder im Zusammenspiel mit Hunden alles lernen können.
Buchbach-Ranoldsberg – „Timmy kann die Karottenscheiben auch fangen, wenn ihr sie ihm in einem Bogen zuwerft“, forderte Hilde Wandinger die Kinder auf. Und tatsächlich: Timmy schnappt sich die Karotte in der Luft, die ihm Fabian zugeworfen hatte. „Timmy“ ist ein Labrador-Golden Retriever-Mischling. Er gehört Hilde Wandinger, der Leiterin des Kinderhaus Antonius in Ranoldsberg, und ist ein ausgebildeter Therapiehund. Die beiden besuchen auch andere Kindergärten und Senioreneinrichtungen, damit Kinder ihre Scheu vor Tieren verlieren, aber auch den richtigen Umgang und die „Sprache“ der Hunde lernen.
Angehende Erzieherinnen lernen von Therapiehund „Timmy“
Der Einsatz des Therapiehundes ist auch für angehende Erzieherinnen der Fachakademie für Sozialpädagogik in Mühldorf interessant. Deshalb besuchten fünf junge Damen das Ranoldsberger Kinderhaus und schauten Hilde Wandinger bei ihrer Arbeit über die Schulter. „Es gibt nicht so viele Einrichtungen mit Therapietieren“, sagt Eva Roth von der Fachakademie, die die angehenden Erzieherinnen begleitete.
Für die Schülerinnen der Fachakademie ist die „Tiergestützte Pädagogik“ eines der sechs Übungsfächer, das sie auswählen dürfen. Alle fünf Hospitantinnen haben ein persönliches Interesse an Tieren und haben selbst Tiere. Susanne Pichler beispielsweise ein Pferd. Für sie ist die Arbeit mit Therapiepferden ein möglicher beruflicher Weg, denn „die tiergestützte Therapie ist noch nicht so verbreitet, da sehe ich eine berufliche Chance“.
Tiere beruhigen die Menschen
Die sogenannte „Tiergestützte Pädagogik“ ist ein Prozess, in dem ein Tier positiv in das Leben einer Person einwirkt. Tiere geben direkte Rückmeldung auf das menschliche Verhalten – sie bewerten nicht. Tiergestützte Pädagogik kann in allen erzieherischen Bereichen wirksam werden, erläutert Hilde Wandinger. Die Tiere können als „Türöffner“ zum Unbewussten des Menschen und seinen Emotionen dienen.
Im Jahre 1969 kam es in der Praxis des amerikanischen Kinderpsychologen Boris Levinson zu einer überraschenden Begegnung. Einer seiner Patienten, ein neunjähriger, sehr verschlossener Junge, der mit niemandem sprach, traf in der Behandlung auf Levinsons Hund. Sofort begann der Junge mit dem Tier zu reden und zeigte sich auch im Verlauf der folgenden Sitzungen ungewohnt offen und vertrauensvoll. Boris Levinson setzte nun gezielt seinen Golden Retriever in seiner Arbeit mit Kindern ein.
Berichte besagen, dass bereits Sigmund Freud seinen Hund „Jofie“ regelmäßig in seiner Arbeit bei sich hatte, da er feststellte, dass die Anwesenheit des Tieres beruhigend auf seine Klienten wirkt.
Therapiehund Timmy ist mittlerweile bereits ein alter Herr. Geboren im September 2012 zeichnete er sich schon immer durch seine Gelassenheit, seine Sanftmut, seine Verlässlichkeit und seine Geduld aus. So beschreibt ihn sein Frauchen Hilde Wandinger für die angehenden Erzieherinnen. Sie hat „Timmy“ als Welpen bekommen und ihn aus dem Wurf nach diesen Kriterien ausgesucht. Als er etwa zwei Jahre alt war, hat Hilde Wandinger mit ihm die Ausbildung zum Therapiehund begonnen. Nach einem Eignungstest, der zeigen musste, dass „Timmy“ keine aggressiven Verhaltensweisen zeigt, wurde er sechs Monate lang auf seine neue Aufgabe vorbereitet. Sie habe dabei auch „die Hundesprache gelernt“, wie sie auf Nachfrage einer der angehenden Erzieherinnen sagte.
Kinder wollen am liebsten mit „Timmy“ schmusen und spielen
Den Kindern sind diese Dinge eher egal, die meisten wollen am liebsten mit „Timmy“ schmusen, ihn ausgiebig streicheln oder ihm ein Leckerli zukommen lassen. „Timmy“ liebt die Kinder sehr und zeigt dies mit Schwanz wedeln und dem Ausdruck seines entspannten Gesichtes, dass wie ein Lächeln wirkt.
Die Kinder lernen, seine Körpersprache und seine Signale richtig zu interpretieren. Sie wissen, wenn er seinen Platz wechselt, seinen Kopf abwendet oder mit der Zunge seine Nase ableckt, dass er eine Ruhepause benötigt. Sie lernen Respekt und den richtigen Umgang mit dem Tier. Das hilft ihnen, Ängste abzubauen und Selbstvertrauen zu schaffen. Bei Spaziergängen oder den Waldtagen ist er ebenfalls fest integriert. Während die Kinder Tim noch bürsten, wird zum Abschluss das Hundelied „Hunde toben“ gesungen.
Für die Arbeit mit dem Therapiehund sind sein Sanftmut und seine Gelassenheit ganz wichtig: Schließlich ist „Timmy“ nicht zum Spaß im Kindergarten. Sein „Arbeitsplatz“ ist der Turnraum. Dort liegt er geduldig auf seiner Decke und wartet auf Anweisungen seines Frauchens. In der Kleingruppe oder mit einzelnen Kindern arbeitet „Timmy“ bis zu einer Stunde.
„Timmy“ arbeitet bis zu einer Stunde mit den Kindern
Hilde Wandinger hat eine Vielzahl an Spielen mit dabei, die sie den angehenden Erzieherinnen vorstellt und erklärt. Damit lernen und üben die Kinder unterschiedliche Fertigkeiten: Koordination, Merkfähigkeit oder sportliche Übungen wie Slalom laufen oder über Hindernisse springen. Aber auch Zahlen und Farben werden spielerisch geübt, durch einen Tunnel kriechen oder Suchspiele veranstaltet. Doch das merken sie gar nicht, weil „Timmy“ immer mit dabei ist und mit ihnen übt.
Eine Zeit lang wollte „Timmy“ nicht mehr durch den Tunnel kriechen. „Die Kinder haben ihn soweit gebracht, dass er wieder durchgekrochen ist“, erzählt Hilde Wandinger nicht ohne Stolz.
„Timmy“ ist aber nicht nur im Kindergarten. Er besucht mit Hilde Wandinger auch Senioren- und Behinderteneinrichtungen. Er hat es auch geschafft, dass eine Frau ihre Angst vor Hunden überwinden konnte, erzählt die Kindergartenleiterin. Für das Landratsamt haben die Beiden auch schon mit Migrantenkindern gearbeitet. „Sie sollten lernen, dass in Deutschland ein anderer Umgang mit Haustieren gepflegt wird“, erinnert sich Hilde Wandinger und ergänzt, dass diese Kinder „Timmy noch heute auf der Straße kennen und ihn streicheln wollen“.
Doch „Timmy“ muss nicht mehr so intensiv als Therapiehund arbeiten, wie in seinen jungen Jahren. Der zwölfjährige Labrador-Golden Retriever-Mischling wird jetzt bald „in den Ruhestand gehen“.


