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Das sagen Experten dazu

Diskussion ums Bürgergeld: Lieber Geld vom Amt einstecken als selbst arbeiten?

Können Bürgergeldempfänger ihre Ausgaben verblenden? Das fragte ein User anonym in der Facebook-Gruppe „Spotted: Mühldorf & Altötting“ und löste damit eine Diskussion aus. Markus Eberl, Geschäftsführer des Jobcenters Mühldorf, gab den OVB Heimatzeitungen darauf eine Antwort.
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Können Bürgergeldempfänger ihre Ausgaben verblenden? Das fragte ein User anonym in der Facebook-Gruppe „Spotted: Mühldorf & Altötting“ und löste damit eine Diskussion aus. Markus Eberl, Geschäftsführer des Jobcenters Mühldorf, gab OVB darauf eine Antwort.

Kann man sich wirklich durch Bürgergeld bereichern? Eine anonyme Frage in einer Mühldorfer Facebook-Gruppe sorgte für Diskussionen. Das sagen Experten vom Jobcenter und der Caritas Mühldorf dazu.

Mühldorf – Ein anonymer Facebook-Post löste in der Gruppe „Spotted: Mühldorf & Altötting“ eine Diskussion aus. Dort fragte ein User: „Wenn man Bürgergeld bekommt, muss man ja regelmäßig seine Kontoauszüge vorweisen, so wie ich mitbekommen habe. Kann man da eig seine Ausgaben verblenden?, oder muss man sie offen legen?“

Andere User reagierten mit Unverständnis. „Ich würde es mal mit arbeiten versuchen dann hast du dieses Problem nicht“, schrieb einer und erhielt dafür 73 Likes. „Arbeiten? Ach ist doch total doof da schwitzt man und ist im Stress. Bürgergeld ist doch viel besser. So oder so ähnlich denken wahrscheinlich aktuell einige Menschen“, kommentierte ein anderer.

Im Niedriglohnsektor würden Menschen ausgenutzt

Doch sind Bürgergeldempfänger wirklich zu faul zum Arbeiten? „Das Problem setzt häufig schon an der Stelle an, wo Personen zu Bürgergeldempfängern wurden: Oft sind sie wenig qualifiziert, bekommen häufig befristete Verträge unter schlechten Arbeitsbedingungen, hinzu kommen chronische Erkrankungen“, erklärt Sandy Schulte-Hostede, die als Sozialpädagogin beim Caritas Zentrum Mühldorf Bürgergeldempfänger berät.

Das Problem setzt häufig schon an der Stelle an, wo Personen zu Bürgergeldempfängern wurden: Oft sind sie wenig qualifiziert, bekommen häufig befristete Verträge unter schlechten Arbeitsbedingungen, hinzu kommen chronische Erkrankungen.

Sandy Schulte-Hostede, Sozialpädagogin Caritas Zentrum Mühldorf

Im Niedriglohnsektor würden Menschen auch ausgenutzt. Denn für die Arbeit in Geflügelfabriken oder Gießereien müsse man zwar nicht hochqualifiziert sein, die Umgebung führe aber häufig zu Krankheiten – in deren Folge Mitarbeitende gekündigt oder ihre Verträge nicht verlängert werden.

Etwa 3740 Menschen im Landkreis bekommen Bürgergeld

Um Bürgergeld zu bekommen, „muss eine Bedürftigkeit vorliegen, diese wird in einem telefonischen Antragsausgabe-Gespräch erörtert“, erklärt Markus Eberl, Geschäftsführer des Jobcenters Mühldorf. Die Lebenssituationen der Menschen sind dabei sehr verschieden. Vom Berufsanfänger, der nach dem Studium nicht direkt eine Anstellung findet, über Personen, die nach einer Arbeitslosigkeit Bürgergeld beantragen müssen, bis hin zu Kranken, Unfallgeschädigten oder Geschiedenen. „Alles was einen Menschen in einem Leben aus der Bahn bringen kann“, fasst Eberl zusammen.

Eine Bedürftigkeit muss vorliegen, diese wird in einem telefonischen Antragsausgabe-Gespräch erörtert.

Markus Eberl, Geschäftsführer des Jobcenters Mühldorf

Im Landkreis Mühldorf betrifft das etwa 2660 erwerbsfähige Menschen, so eine Hochrechnung des Jobcenters für den Monat März. Verlässliche Zahlen liegen erst nach einer Wartezeit von drei Monaten vor. Hinzu kommen 1080 Schüler und Menschen, die beispielsweise gerade arbeitsunfähig sind. Sie alle bekommen Bürgergeld.

Bisher ist kein Fall der Vertuschung bekannt

Dass die Probleme vielschichtig sind, erkennen auch einige Facebook-User und versuchen, ihre Mitbürger zu verteidigen. „Was für eine aussage ohne den grund dafür zu wissen“, heißt es in der Kommentarspalte etwa oder „es gibt auch Leute die nicht mehr arbeiten können krankheitsbedingt aber zu gesund für Krankengeld angesehen werden... Schon Mal daran gedacht?“.

„Natürlich gibt es vereinzelt Kundinnen oder Kunden, die sich mit ihrer Situation arrangiert haben, denen es sehr schwer fällt, ihre bisherige Struktur zu ändern“, merkt Eberl an. Einfach so Geld auf die Seite zu schaffen, wie es der Facebook-Post andeutet, geht allerdings nicht. „Die Kontoauszüge werden bei uns gesichtet, das ist korrekt. Wir haben verschiedene Möglichkeiten des Datenabgleichs“, erklärt Eberl. Einen Fall der Vertuschung hätten sie im Mühldorfer Jobcenter bisher nicht gehabt – wohlwissend, dass kein System eine hundertprozentige Sicherheit biete.

Menschen kommen mit Multiproblemlagen in die Beratung

„Sich am Bürgergeld zu bereichern, ist schier unmöglich“, sagt Caritas-Beraterin Schulte-Hostede. Die Leute müssten all ihre Bankkonten offen legen, werden durchleuchtet, verstecken könne man da nichts. Das Jobcenter prüfe sehr genau und lege den Schwerpunkt darauf, eine Arbeitsstelle zu vermitteln.

Dass das Zeit brauche, liege an den „Multiproblemlagen“, mit denen die Menschen in die Beratung kommen: Chronische Krankheiten – egal ob körperlich oder psychisch –, Süchte, aber auch schwierige Familienkonstellationen müssen berücksichtigt werden.

„Bei einem fehlen die aktuellen beruflichen Kenntnisse, bei einem anderen gibt es eine Betreuungssituation (Kinder, Pflege) in der Familie, sodass Vollzeit nicht möglich ist, wieder andere haben keinen Führerschein oder sind krank. Wir haben auch Kundinnen und Kunden, die nicht lesen oder schreiben können oder die unsere Sprache nicht sprechen“, führt Eberl weiter aus.

„Wir können nicht in den Menschen reinschauen“

„Von außen sieht es vielleicht so aus, dass jemand nicht arbeiten will, aber wir können in den Menschen nicht reinschauen“, betont Schulte-Hostede. Wenn es Menschen gebe, die schlichtweg nicht arbeiten wollen, dann treffe sie diese in ihrer Beratung nicht.

Im Gegenteil, häufig ergebe sich eine Abwärtsspirale: Empfängt jemand Bürgergeld, sei es sehr schwer, ein Auto langfristig zu halten. Gerade auf dem Land ist man jedoch auf ein Fahrzeug angewiesen, um überhaupt zur Arbeit zu kommen. Ein Umzug könnte dies zwar erleichtern, doch es fehlt bezahlbarer Wohnraum, zählt Schulte-Hostede beispielhaft auf. „Bürgergeldempfänger bewegen sich in einem ganz kleinen Rahmen“, sagt sie.

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