Prozess am Amtsgericht Mühldorf
Waldkraiburger postete Hakenkreuz und Reichskriegsflagge im Netz: So führte er sich vor Gericht auf
Ein Waldkraiburger stand wegen verfassungsfeindlicher Internet-Posts in Mühldorf vor dem Amtsgericht. Er beruft sich auf die freie Meinungsäußerung. Immer wieder fiel er dem Richter und dem Staatsanwalt ins Wort, ehe das Urteil verkündet wurde. Diese Strafe erwartet ihn.
Mühldorf – Ein 57-jähriger Modellbauer aus Waldkraiburg, der seit über zehn Jahren arbeitslos ist, hatte auf Twitter (heute X) Beiträge mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gepostet. Außerdem hatte er den Strafbefehl, der gegen ihn ausgestellt wurde, im Internet veröffentlicht. Beides ist verboten; daher musste sich der Waldkraiburger jetzt am Amtsgericht Mühldorf vor Richter Florian Greifenstein verantworten.
Im Frühjahr dieses Jahres hatte er auf Twitter Beiträge mit verbotenen Symbolen wie Hakenkreuz, Reichskriegsflagge oder Wolfsangel – ein Symbol der SS für Wehrhaftigkeit – gepostet. Er zeigte auch Bilder ukrainischer Soldaten, die den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben hatten, sowie eine mit einem Hakenkreuz versehene Fahne der Ukraine.
Der Angeklagte verteidigt sich selbst
Der Beschuldigte verzichtete auf einen Rechtsanwalt, verteidigte sich selbst und zeigte ein ungebührliches Verhalten vor Gericht. Er musste mehrmals ermahnt werden, Richter Florian Greifenstein und Staatsanwalt Alexander Hautz nicht zu unterbrechen.
Gleiches widerfuhr einem Zuschauer, der kurz zuvor wegen eines anderen Delikts verurteilt worden war. Auch er störte das Verfahren mit dem Zwischenruf, warum denn nicht die Ukraine angeklagt werde, wenn ihre Soldaten den Hitlergruß zeigten und ihre Fahne das Hakenkreuz aufweise.
Drohung mit Wachtmeister
Da Zuschauer in einen Prozess nicht eingreifen dürften, drohte Richter Greifenstein, den Störer mithilfe der Wachtmeister aus dem Saal zu entfernen. Das kühlte das Mütchen des Mannes deutlich ab. Er verhielt sich fortan still.
Der 57-jährige Angeklagte berief sich vor allem auf die sogenannte „Sozialadäquanzklausel“: Die besagt, dass verfassungswidrige Kennzeichen nicht verboten sind, wenn sie in Wissenschaft und Lehre, der Kunst oder der staatsbürgerlichen Aufklärung verwendet werden und wenn man sich fachlich mit ihnen auseinandersetzt.
Weder Richter noch Staatsanwalt glauben dem Angeklagten
Der Waldkraiburger hatte die Bilder mit Smileys oder Kommentaren wie „Ruhm der Ukraine“ versehen und erklärte, das Zeitgeschehen dokumentieren und die Bevölkerung aufklären zu wollen. Weder Richter Greifenstein noch Staatsanwalt Hautz nahmen ihm dies ab.
Der Angeklagte zeigte sich auch in dem Anklagepunkt uneinsichtig, dass er seinen Strafbefehl im Internet gepostet hat. Dies sei nicht in der Rechtsfolgenbelehrung im Strafbefehl gestanden.
Auslöser war eine Bundestagsabgeordnete aus Landshut
Als Zeuge sagte in dem Prozess ein 35-jähriger Beamter der Kriminalpolizei Traunstein aus, der in dem Fall ermittelt hatte: „Eine Bundestagsabgeordnete aus Landshut hatte die Veröffentlichungen des Angeklagten im Internet gesehen und in Berlin Anzeige erstattet.“ Über das Landeskriminalamt sei der Fall bei ihm gelandet. „An den Mann erging ein Strafbefehl, bei den Ermittlungen machte er keine Angaben. Zwei Monate später erhielt ich von einem Kollegen die Mitteilung, dass der Beschuldigte neben den verbotenen Bildern auch seinen Strafbefehl im Internet öffentlich gemacht hatte“.
Am Ende der Verhandlung forderte Staatsanwalt Hautz eine Geldstrafe von 280 Tagessätzen zu 20 Euro. Er kreidete dem Beschuldigten vor allem an, dass er sich mit den verfassungswidrigen Kennzeichen nicht dokumentarisch auseinandergesetzt habe: „Ein Smiley genügt da nicht.“
„Die Geldstrafe können Sie gleich in einen Gefängnisaufenthalt umwandeln“
Der Angeklagte hielt ein Plädoyer für sich selbst: „Ich bin nicht annähernd in der Lage, 5600 Euro zu bezahlen. Die Geldstrafe können Sie gleich in einen Gefängnisaufenthalt umwandeln. Ich bekomme 160 Euro im Monat als Unterstützung vom Staat. Ich beantrage einen Freispruch für mich. Dabei berufe ich mich auf Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes“. Der besagt, jeder habe das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Trotz Urteil: Es könnte noch nicht vorbei sein
Den Freispruch bekam der Waldkraiburg allerdings nicht. Richter Greifenstein verurteilte ihn zu 180 Tagessätzen zu je 15 Euro. Greifenstein: „Die Sozialadäquanzklausel kann der Beschuldigte nicht für sich in Anspruch nehmen. Er hat sich nicht kritisch oder dokumentarisch mit den gezeigten Bildern auseinandergesetzt. Dagegen beruft er sich auf die Meinungsfreiheit, die klar gilt. Aber die Grundrechte stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Es ist vom Angeklagten subjektiv, wenn er meint, auf die von ihm praktizierte Weise seine freie Meinung zu äußern“.
Der Waldkraiburger kündigte an, in die Berufung gehen zu wollen.

