Mit Luftfiltern gegen Corona
1500er-Inzidenz bei Schülern – Wirksamkeit von Luftfiltergeräten in Mühldorfs Klassen ist fraglich
Nicht einmal der Leiter des Mühldorfer Gesundheitsamtes kann einen belastbaren Zusammenhang zwischen mobilen Luftreinigern und Infektionszahlen in der Schülerschaft herstellen.
Mühldorf – Mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 800 behauptet sich der Landkreis Mühldorf weiterhin im Spitzenfeld der Corona-Hotspots in Bayern und Deutschland.
Doch es geht noch höher. Das zeigen die Inzidenzwerte von Kindern und Jugendlichen im Schulalter, die uns das Landratsamt auf Anfrage übermittelt hat. Zum Stichtag 10. November lag die Inzidenz unter den Sechs- bis Elfjährigen im Landkreis bei 1009, in der Altersklasse der Zwölf- bis 15-Jährigen bei 1187 und unter den 16- bis 19-Jährigen bei 1525.
Hohe Inzidenzwerte bei Sechs- bis 19-Jährigen
Trotzdem sollen die heimischen Schulen keine Ansteckungsherde sein. Das Landratsamt bleibt bei der Feststellung: „Insgesamt verzeichnen wir im Landkreis keine Cluster. Das Infektionsgeschehen ist auf den gesamten Landkreis verteilt, vor allem im familiären Bereich. Infolgedessen sind auch Schulen betroffen.“
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Mobile Luftfiltergeräte sollen ein wirksames Mittel gegen die Verbreitung von Corona-Infektionen an Schulen sein. Auch für zahlreiche Klassenzimmer an Schulen im Landkreis wurden sie angeschafft. Ihr Nutzen oder genauer gesagt ihre Wirkung im Kampf gegen Corona ist allerdings schwer zu bewerten.
„Dazu liegen uns keine validen Daten vor“, nicht einmal der Leiter des Mühldorfer Gesundheitsamtes, Dr. Benedikt Steingruber, kann einen belastbaren Zusammenhang zwischen mobilen Lüftungsanlagen und Infektionszahlen in der Schülerschaft herstellen. „Es wäre auch zu einseitig, allein aufgrund vorhandener Lüftungsanlagen Schlüsse auf die Infektionszahlen zu ziehen.“ Denn, andere Gelegenheiten wie Schulweg, Pause oder Freizeit könnten für Ansteckungen nicht ausgeschlossen werden. „Grundsätzlich können Luftreiniger Infektionen enger Kontaktpersonen wie etwa von Sitznachbarn nicht verhindern“, so Steingruber. „Vor allem beim Husten und Niesen werden die Speichel-Tröpfchen mit hoher Geschwindigkeit von einem zum anderen katapultiert.“
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Wenn jemand infektiös sei, würden die Viren so von einem zum anderen transportiert und eine Infektion ist auf diesem Weg möglich. „Ein einige Meter entfernt stehender Luftreiniger kann dies nicht verhindern“, betont er. „Mit Luftreinigungsgeräten lässt sich die Virenmenge aber insgesamt im Aerosol im Luftraum der Zimmer verringern.“
„Die effektivste Maßnahme ist nach unserer Überzeugung die regelmäßige Stoßlüftung in gut zu lüftenden Räumen“, bekräftigt Schulamtsdirektor Hans Wax. „Das Lüften bringt Frischluft und damit Sauerstoff in die Klassenzimmer.“ In Räumen mit geringer Lüftungsmöglichkeit hält er Luftreinigungsgeräte aber für sinnvoll.
Schulleiter: Lüften ist gängige Methode
Einen erkennbaren Effekt der Geräte kann auch Claudius Rychlik, Rektor der Mittelschule Ampfing, nicht feststellen. An seiner Schule sind alle Klassenzimmer mit mobilen, deckenhohen Luftfiltergeräten ausgestattet. „Diese Geräte werden schon eine gewisse Wirkung haben“, unterstellt er. „Zumindest hatten wir innerhalb einer Klasse noch keinen Corona-Folgefall.“ Allerdings muss trotz Gerät alle 25 Minuten ausgiebig gelüftet werden, um wieder Sauerstoff ins Zimmer zu bringen.
Die Grundschule Polling verfügt zwar nicht über die vom Freistaat geförderten Geräte, aber über kleinere von einem heimischen Unternehmen gesponserte. Deren Wirkung ist ähnlich. „Diese Luftfilter zögern den Zeitpunkt des Lüftens etwas hinaus“, berichtet Rektorin Sabine Kliem. „Aber das regelmäßige Lüften können sie nicht ersetzen.“ Geht der CO-Melder auf Orange, dann werden in den Klassen die Fenster geöffnet.
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Welchen Nutzen die mobilen Luftfiltergeräte tatsächlich haben, kann auch Regina Hornig, Schulleiterin der Mittelschule Mühldorf, nicht sagen. An der Mittelschule ist bis jetzt nur ein Teil der Klassenzimmer damit ausgestattet. „Einen Unterschied zwischen Klassen mit und Klassen ohne Luftfilter können wir nicht feststellen“, sagt die Schulleiterin. „Lüften, wenn der CO2-Wächter anschlägt, ist für uns nach wie vor die gängige Methode, um für Frischluft und Luftaustausch zu sorgen.“
In einer Klasse der Papst-Benedikt-XVI Grundschule Aschau am Inn weht ein ganz anderer Wind. „Wir haben keine Luftreiniger, sondern bisher in einem Klassenzimmer eine Raumlufttechnische Anlage mit Wärmerückgewinnung und permanenter Frischluftzufuhr“, so Rektorin Kirstin Wolf. „Deshalb müssen wir grundsätzlich gar nicht mehr lüften und haben trotzdem permanent saubere und temperierte Frischluft.“ Die Gemeinde Aschau hat bereits elf weitere RLT-Anlagen bestellt, die noch im November und Dezember in den Klassenzimmern eingebaut werden sollen.
Kultusministerium: Lüften ist Pflicht
Das steht zum Punkt „Lüften“ im geltenden Rahmen-Hygieneplan des Kultusministeriums von September 2021:
- mindestens alle 45 Minuten intensives Lüften, je nach CO2-Konzentration;
- sofern der CO2-Gehalt nicht durch CO2-Ampeln bzw. Messgeräte überprüft wird – zusätzlich alle 20 Minuten Stoß- oder Querlüftung;
- mobile Luftreinigungsgeräte ergänzen das Lüften, ersetzen es aber nicht.